Trendberuf Interimsmanager Feuerwehrmann für Unternehmen in Not

Interimsmanager sind so etwas wie die Feuerwehr für Unternehmen, die dringend, aber nur zeitweise Verstärkung brauchen - dabei können sie viel mehr.

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Deutsche Unternehmen schätzen Expertise auf Zeit. Quelle: Fotolia

Rent a manager: Interimsmanager sind in den USA schon lange die Lösung für nahezu jedes Problem. In Deutschland dagegen gelten sie immer noch als die Firmenfeuerwehr. Laut Branchenverband "Arbeitskreis Interim Management Provider" (AIMP) hat sich der Anteil der Restrukturierungsprojekte in den letzten sechs Jahren nahezu verdoppelt. Die Manager auf Zeit kommen zum Einsatz, wenn in einem Unternehmen unpopuläre Entscheidungen umgesetzt werden müssen oder eine kurzfristige Vakanz überbrückt werden soll. Das bestätigt auch der Interimsmanager Max Ringel. "In der Regel ist es so, dass wir erst gerufen werden, wenn die Hütte schon brennt", sagt der 48-Jährige.

Gründe für Interim-Management-Mandate

So auch beim Bayreuther Bauunternehmen Zapf, das im vergangenen Jahr wegen roter Zahlen um Hilfe rief und sich von einer Interimsmanagerin die Finanzen ordnen ließ. Diese Brände scheint es hierzulande relativ häufig zu geben. Der befristete Einsatz externer Führungskräfte entwickelt sich in Deutschland seit den Achtzigerjahren zu einem eigenständigen Dienstleistungssegment, so die Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e.V. (DDIM). Demnach gibt es derzeit in Deutschland mehr als 6200 solcher Manager, die für eine begrenzte Zeit in einem Unternehmen arbeiten. Ist die Arbeit erledigt, nehmen sie ein neues Mandat an.

Das Umsatzvolumen der Branche liegt bei gut 1,2 Milliarden Euro. Mittelfristig werde der Markt um 15 bis 20 Prozent wachsen, so die Prognosen der DDIM. "Interim-Management ist flexibler als starre Festanstellungen", sagt Stephan Aschenbrenner, Geschäftsführer der Personalberatung Executives Online in Deutschland.

Angestellte sind oft skeptisch

Die klassische Rolle als Retter in der Not ist für Manager auf Zeit nicht immer leicht. "Man kommt immer in Situationen, die in irgendeiner Weise angespannt sind", sagt Ringel. Die Unternehmen versuchten zunächst, die Lage mit der eigenen Mannschaft zu verbessern. Wenn das dann nicht funktioniere, werde ein Externer gesucht. "Deshalb kommt die Beauftragung meistens erst dann, wenn es schon gekracht hat." Und das ist der Stimmung nicht unbedingt förderlich.

Das hat auch Interimsmanager Uwe Kaltenbrunner erlebt. Er übernimmt deshalb inzwischen Sanierungen weniger gerne. Ihm sei es lieber, wenn die Mitarbeiter fröhlich sind. Dennoch seien auch hier die Reaktionen auf den fremden Manager geteilt: "Die einen verschränken die Arme und sagen: 'Sie können mir überhaupt nichts sagen.' Die anderen reißen die Arme hoch und sagen: 'Endlich sind Sie da!'"

Was ein Interimsmanager können muss

Dabei sind die Leihmanager keine Anfänger. Die meisten sind zwischen 40 und 60 Jahren alt und verfügen über eine mindestens zehnjährige Führungserfahrung, so das Ergebnis einer aktuellen Umfrage von Executives Online unter mehr als 1600 europäischen Interimsmanagern. Sie haben also bereits ein eigenes Unternehmen geleitet oder saßen im Management eines Betriebes, bevor sie den Sprung in die Selbstständigkeit wagten. Der Altersdurchschnitt liegt bei 52, die Mehrheit ist bereits seit mehr als sechs Jahren als Miet-Manager tätig.

Die Gründe für diesen Wechsel sind vielfältig: Für die einen ist es eine Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln und Wissen weiterzugeben. Für die anderen sind finanzielle oder inhaltliche Gründe ausschlaggebend, heißt es in der Studie.

Ringel kam eher zufällig zu seinem Beruf. Als er 2009 von Microsoft freigestellt wurde, baten ihn ehemalige Kunden, Freunde und Agenturen um Hilfe. Seitdem ist er als Interimsmanager mit dem Schwerpunkt Marketing und Kommunikation tätig. Sein Aufgabengebiet erstrecke sich dabei von der Urlaubsvertretung bis zu Managementaufgaben.

Hohe Anforderungen

Auch Kaltenbrunner ist seit fünf Jahren selbstständiger Interimsmanager und auf der ganzen Welt tätig. Vorher hatte er 20 Jahre lang leitende Positionen inne. Vor seinem Sprung ins Leih-Management sanierte er erfolgreich einen Konzernteil. Seine vorherige Position in der Konzernzentrale war jedoch anschließend vergeben; die internen Alternativen gefielen ihm nicht. Also machte er sich selbstständig. Bereut hat er es nicht. "Ich entscheide, ob ich am Freitag arbeiten möchte oder ob ich Montagsmorgens schon wieder im Büro sitzen will. Das ist für mich das Salz in der Suppe", sagt er.

Doch die Anforderungen sind hoch. Effektivität und Führungskompetenz stehen ganz oben. Denn anders als ein Unternehmensberater übernehmen sie auch unternehmerische Verantwortung und geben nicht bloß Empfehlungen ab. Sie brauchen Erfahrung, gute Referenzen, Kontakte, Fachwissen und Methodenkompetenz. Außerdem müssen sie belastbar sein - und sehr gut gegen Haftungsrisiken versichert sein, falls sie einmal eine falsche Entscheidung treffen.

1000 Euro Tagessatz

Zu den Anforderungen gehört auch die Fähigkeit, sich schnell in neue Situationen einzuarbeiten. So ist Kaltenbrunner pro Woche für mehrere Arbeitgeber tätig: zwei Tage hier, drei Tage dort. Sich mehrmals pro Woche um- und auf den jeweiligen Fall neu einzustellen, sei anstrengend. "Aber noch anstrengender ist das Fliegen, die Hotelübernachtungen, die Taxifahrten und das Carsharing, um von Mandat zu Mandat zu kommen."

Auch Ringel weiß aus eigener Erfahrung, wie kräftezehrend besonders kürzere Engagements sein können. "Der ganze Zyklus, den ein Angestellter in einem Unternehmen hat - vom ersten bis zum letzten Arbeitstag - verkürzt sich zum Beispiel auf drei Monate", sagt er. Die Einarbeitungsphase ist entsprechend kurz. "Man muss binnen drei bis vier Tagen mittendrin sein", bestätigt Kaltenbrunner.

So lange bleiben Interimsmanager in einem Unternehmen

Allerdings bekommen die Manager ihren Stress gut bezahlt: Laut DDIM haben sich im professionellen Interim-Management-Tagessätze zwischen 1000 und 2500 Euro als marktfähige Preise herausgebildet - abhängig von Erfahrungen und Kompetenzen des Managers und dem Stellenwert seiner Aufgaben.

Die deutschen Teilnehmer der Executives Online-Umfrage stellten ihren Arbeitgebern in diesem Jahr durchschnittlich 927 Euro pro Tag in Rechnung. Damit sind die Honorarsätze seit der letzten Umfrage im Jahr 2011 um 2,1 Prozent gestiegen. Auch Kaltenbrunner sagt: "Unter 1000 Euro am Tag arbeite ich nicht."

Die Interimsmanager verdienen natürlich auch nur dann, wenn sie Aufträge haben; das Risiko, einmal keinen Auftrag zu bekommen, haben sie wie jeder andere Selbstständige auch. Das werde gern einmal übersehen, so Ringel. "Wenn die Angestellten eines Unternehmens den Tagessatz sehen, dann schlackern die mit den Ohren. Aber über das Jahr gerechnet kommt mit Steuern und so weiter eine ganz andere Zahl heraus."

Katalysator für Veränderungen

Für den Auftraggeber ist das Engagement eines Interimsmanagers dennoch teuer - gerade wenn die Zusammenarbeit nicht durch private Kontakte zustande gekommen ist. Wenn ein Provider wie Executives Online ins Spiel kommt, fallen für das jeweilige Unternehmen zusätzlich noch Vermittlungsgebühren an.

Doch grundsätzlich kann sich der Einsatz eines Leihmanagers lohnen, wie auch eine aktuelle Studie von Michael Page zeigt. Das Unternehmen hat sich auf die Vermittlung von Interimsmanagern und Führungskräften spezialisiert. Laut der Umfrage bewerten 86,9 Prozent der befragten deutschen Unternehmen ihre bisherige Erfahrung mit Managern auf Zeit als positiv beziehungsweise sehr positiv.

Ein weiteres Ergebnis der Befragung: Interimsmanager dienen unter anderem als Katalysator für wichtige Veränderungsprozesse. 57,4 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass die Leihmanager Veränderungs- und Restrukturierungsprozesse beschleunigt hätten. "Damit sind die Manager gerade dann gefragt, wenn die zukünftige Entwicklung eines Unternehmens im Fokus steht", so Stefan Zweck, Executive Director von Michael Page Interim.

Vom Feuerlöscher zum Brückenbauer

Ringel gibt ein Beispiel: Ein Unternehmen will sein Neugeschäft intensivieren, hat aber nicht genügend Kapazitäten, um den Sprung alleine zu schaffen. "Dann kann es sinnvoll sein, einen Interimsmanager zu beauftragen. Den braucht man dann auch nicht festanstellen, wenn sich das Neugeschäft doch nicht als tragfähig erweist."

Das zeigt sich am europäischen Beispiel, wie aus der Umfrage von Executives Online hervorgeht. Gerade zu Beginn einer wirtschaftlichen Erholung stellen Unternehmen Manager auf Zeit ein. Sie sollen expansive Projekte unterstützen, für die das jeweilige Unternehmen noch keine Vollzeit-Mitarbeiter einstellen möchte: 2009 sagten 49 Prozent der Interimsmanager, dass sie weniger Aufträge hätten als im Vorjahr. 2014 beklagten dagegen nur 42 Prozent einen Auftragsrückgang.

Grund dafür ist aus Sicht der Mietmanager die allmähliche Verbesserung der europäischen und weltweiten Wirtschaftslage. 67 Prozent der befragten Leihmanager waren darüber hinaus davon überzeugt, dass sie mehr Aufträge bekommen werden, je besser es der Wirtschaft geht.

Das würde einen Wandel des Aufgabengebietes vom Feuerlöscher zum Brückenbauer bedeuten, wie Kaltenbrunner sagt. Und auch Aschenbrenner betont: "Heute gibt es für wirklich jede betriebliche Fragestellung geeignete Interimsmanager. Sie kommen bei Bedarf an Bord und gehen, sobald die Aufgabe bewältigt wurde."

Allerdings ist der Job des Feuerlöschers oder des Brückenbauers nur für wenige eine dauerhafte Lösung: Zu vielen fehlt langfristig die Sicherheit eines festen Arbeitsvertrages. So wollten nur 20 Prozent der Befragten für den Rest ihres Lebens Leihmanager bleiben.

Die verbleibenden 80 Prozent gaben an, auch an einer Festanstellung interessiert zu sein, sofern sich eine passende Gelegenheit ergäbe. Ringels Fazit: "Interimsmanagement ist eine Zeit, um viel kennen zu lernen, aber es ist ein sehr unsteter Lebensstil."

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