Werte Sieben Tugenden für den Unternehmenserfolg

Seite 3/5

2. Tugend: Mäßigung


In seinem ersten Leben war Andreas Butz Bankmanager. Er arbeitete von früh bis spät und hatte eine Standleitung zum Pizzataxi, nebenbei absolvierte er Triathlons. Das extreme Leben bescherte ihm zwei Hörstürze. Butz stieg aus und um. Seit 15 Jahren ist er nun Lauftrainer und Coach, trainiert mit seinen Kunden für Marathons und berät Führungskräfte beim gesünderen Leben.

Bedarf gibt es genug, denn viele Manager leben extrem: wenig Schlaf, immer erreichbar, keine Freizeit. Das sah man ihnen auch an, früher zumindest. Nun scheint der barocke Typ auf der Chefetage ausgestorben. Manager wie der ehemalige RWE-Chef Jürgen Großmann oder Solarworld-Chef Frank Asbeck sind selten geworden. Verzicht ist in – weniger Alkohol, weniger fette Speisen, weniger Kohlenhydrate.


Selbstoptimierung wird häufig zur Sucht

Auch das Ausmaß der Arbeit und das eigene Selbstbild will heute reguliert werden. Daher wird unter Managern lieber gelaufen statt geschlemmt. Deutsche-Bahn-Chef Rüdiger Grube, der beim Jogging nicht nur entspannt, sondern Zeit zum Denken hat, sagt: „Oft bekomme ich dann die zündende Idee.“ Was vorher unklar gewesen sei, löse sich für ihn auf, die Gleichförmigkeit der Bewegung versetze ihn in kurzer Zeit in einen „Ideenmodus“.

Das tun Führungskräfte für ihre Gesundheit
Grillwurst Quelle: dpa
vegetarische Suppe Quelle: dpa Picture-Alliance
Vitaminpillen auf einem Löffel Quelle: dpa
drei Leute joggen Quelle: dpa
Zigaretten Quelle: dpa
Frauen in einer Saune Quelle: dpa Picture-Alliance
Menschen machen Yoga am Times Square Quelle: AP

Schon zu Studienzeiten in Hamburg gehörte Jogging zu Grubes Routine. Trotz zeitintensivem Job versucht er es jeden Morgen, in der Regel zehn Kilometer, am Wochenende schon mal 20. Auch Opels Vorstandsvorsitzender Karl-Thomas Neumann oder Adidas-Chef Kasper Rorsted gehören zu den laufenden Managern. Kein Wunder: Das Training macht gesünder, leistungsfähiger und belastbarer, sagt Laufcoach Butz: „Bessere Kondition heißt bessere Konzentration, und das führt zu mehr Ausdauer im Verhandlungsmarathon.“ Doch Obacht: Ist der Sport nur ein neuer Ausdruck von Kontrollwahn und der Sucht nach Erfolg, ist es mit der Mäßigung vorbei.

3. Tugend: Mildtätigkeit

Sebastian Mader, Vertriebsmanager bei Vodafone, trägt heute blaues Hemd und dunklen Anzug. Wenig erinnert daran, dass er im Dezember 2015 nicht in einem vollverglasten Bürogebäude saß, sondern in einem Township bei Kapstadt. Drei Monate lang lebte der Manager dort. Es war nicht das erste Mal. Schon 2010 und 2012 unterstützte Mader ein Freiwilligenprojekt und unterrichte Betriebswirtschaftslehre. Seine Schüler waren Bewohner des Townships. Beim ersten Mal gab es Tage, an denen sein Klassenzimmer fast leer blieb. Mader wandte sich enttäuscht an seine Chefin. Die erklärte ihm, dass es für die Menschen manchmal Wichtigeres gäbe als Unterricht – den Hunger zu stillen, zum Beispiel: „So lernt man, sich selbst und seine Gefühle nicht immer in den Mittelpunkt zu stellen“, sagt Mader.

Soziales Engagement als Karrieresprungbrett

Diese Lektion will sein Arbeitgeber fördern. Daher erlaubt Vodafone Mitarbeitern ein Sabbatical von drei Monaten in einem sozialen Projekt, wohlgemerkt unter Fortzahlung der Bezüge. Auch SAP, Accenture oder IBM stellen ihre Angestellten frei, damit sie ihre Mildtätigkeit ausleben können. Das geschieht nicht nur aus Selbstlosigkeit: 2011 befragten die Unternehmensberatung Roland Berger und die US-Wirtschaftsvereinigung AmCham mehr als 100 Unternehmen, warum sie solche Aktivitäten förderten. Am wichtigsten waren gesellschaftliche Verantwortung, ein besseres Betriebsklima und mehr Teamfähigkeit.

Die Beratung Deloitte wiederum kam 2013 bei einer Befragung unter US-Führungskräften zu einem ähnlichen Ergebnis: Ehrenamtliches Engagement verbessert das Firmenimage – intern und extern. Doch Freiwilligenprojekte und Sozialpraktika verändern auch die Mitarbeiter, sagt Businesscoach Karin Kuschik. Nach einem Sabbatical sehen sie vieles klarer. „Entweder sie kommen hoch motiviert und mit einer neuen Haltung zurück“, sagt Kuschik, „oder sie gehen.“ Beides ist immer noch besser, als jemanden aufzuhalten, den es eigentlich fortzieht.

Sebastian Mader von Vodafone ist an seinen Schreibtisch zurückgekehrt – im Gepäck eine Geschichte, an die er gerne zurückdenkt: Einer seiner Schüler war ein begnadeter Korbflechter. Der kann inzwischen von seinen Produkten leben – und wohnt in einer besseren Gegend.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%