Schüleraustausch in der Grundschule Mit acht Jahren zum Auslandsjahr

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Kind durch die Erwartung der Eltern geprägt

Das können die deutschen Grundschüler
Mit ihren Zeugnissen in den Händen jubeln Schüler der 4. Klasse in der Antonius-Grundschule im niederrheinischen Neukirchen-Vluyn Quelle: dpa/dpaweb
Ein Schüler einer Grundschule in Heiligenhaus nahe Düsseldorf schreibt einige Zeilen aus einem Buch ab Quelle: dpa/dpaweb
Im Deutschunterricht einer dritten Klasse an der Erich-Kästner-Grundschule in Frankfurt (Oder) blättert die neunjährige Janina in einem Buch Quelle: dpa
Eine Schuelerin der Sankt Paulus Grundschule in Berlin Moabit steht bei einem Schreibtest am Donnerstag, 12. August 2004, an der Tafel. Quelle: AP
 Lehrerin Petra Baumann steht (Bild vom 16.10.2003) vor der dritten Klasse der Leverkusener Remigiusschule und bringt den Kindern spielerisch die englische Sprache bei. Quelle: dpa/dpaweb
Schüler der St. Suitbertus Montessori Grundschule in Heiligenhaus nahe Düsseldorf nehmen am Englisch-Unterricht teil Quelle: dpa/dpaweb
Eine Schülerin der St. Suitbertus Montessori Grundschule in Heiligenhaus nahe Düsseldorf meldet sich Quelle: dpa

Rückblickend, fünf Monate nach Ablauf seines halben Jahres in Frankreich, fallen Lorn wieder ganz viele Gründe ein, warum er von einem Auslandsaustausch so begeistert war: „Ich wollte unbedingt nach Frankreich, um Kinder retten zu können.“ Solche, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen und nicht wissen, was sie machen sollen. Lorn möchte, dass andere Kinder auf der Welt normal leben können. „Ich bin diesem Wunsch auch schon etwas näher gekommen, weil ich ja jetzt Französisch kann“, meint er. Beispielsweise habe er schon mit einem Mann aus Frankreich gesprochen, bei dem das Haus durch einen Blitzschlag in Brand geriet. Sein Deutsch sei noch nicht so gut gewesen, deshalb habe Lorn übersetzt. Und jetzt sei ja auch noch sein französischer Gastbruder Elian bei ihm zu Hause, für den er manchmal in der Schule vermitteln müsse. Seit August lebt Elian aus Le Besset nun schon bei den Meierkords und verbrachte auch Weihnachten mit seiner Gastfamilie. "Sein Deutsch ist nach vier Monaten in Deutschland noch immer nicht so gut wie damals mein Französisch", merkt Lorn stolz an. Er wisse auch warum: „Elian schreibt immer Tagebuch auf Französisch.“ Das sei zwar erlaubt, aber dadurch lerne man die Fremdsprache nicht so intensiv. "Man müsse sich voll und ganz darauf konzentrieren."

Frau Dr. Ulrike Bowi, Leitende Psychologin für die Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie des LVR-Klinikums Düsseldorf, merkt dazu an, dass dieser vermeintliche Wunsch des Kindes sehr stark durch die Erwartung seitens der Eltern widergespiegelt wird. „Ein Kind versucht sich anzupassen, den äußeren Ansprüchen zu genügen“, sagt Bowi. Wenn sie merken, dass die Eltern einen solchen Auslandsaufenthalt in der Grundschule sehr stark befürworten, dann stimme ein Kind auch leichter zu. „Kinder denken in der Regel: Was meine Eltern vorschlagen, das ist grundsätzlich gut.“ Acht- bis Zehnjährige gingen normalerweise noch nicht in den Widerstand mit ihren Eltern, wie das im pubertären Kontext oft der Fall sei. „Wenn in der Vergangenheit ältere Geschwister ins Ausland gegangen sind, sieht es ein Kind als Selbstverständlichkeit an und möchte auch gehen“, so Bowi. Was ein halbes Jahr bedeutet, können sie zeitlich noch gar nicht richtig überblicken.

Kaum in Frankreich angekommen, zählte Lorn schon die Monate bis zu seinem Geburtstag im Juni. Mit großer Freude erklärt er heute, warum es so super war, dass er in Frankreich seinen neunten Geburtstag feierte. Nicht nur, weil seine Gastfamilie dort alle Geschenke im Haus versteckte, die er suchen durfte. „Nein, das tollste war“ und dabei überschlägt sich seine Stimme fast, „dass ich nach meinem Geburtstag genau wusste, dass es nur noch vier Wochen dauern würde, bis ich nach Hause durfte“. Und außerdem wusste er, dass es drei seiner Geschwister ja auch geschafft haben: mit acht Jahren für ein halbes Jahr im Ausland. „Bei uns in der Familie ist das eben so“, sagt er und tut die Sache so ab, als wenn es das normalste auf der Welt sei, dass sich ein Viertklässler alleine ins Ausland wagt. „Meine zwei jüngeren Geschwister werden bestimmt auch ins Ausland gehen“, ist sich Lorn sicher. Zwar habe er am Anfang schon oft Heimweh gehabt, aber nach dem ersten Monat sei es nicht mehr so schlimm gewesen. Er habe sich irgendwann an Frankreich und das neue Umfeld gewöhnt. „Geweint habe ich schon“, gibt Lorn zu. Aber es gab ja noch den „Ratgeber gegen Heimweh“, das einzige deutsche Buch, das von Allef aus erlaubt war. Und wenn der nicht weiterhalf, habe Lorn sogar manchmal daran gedacht, den frankierten Brief für Notfälle abzuschicken, der jedem Kind von Allef aus mitgegeben wird. „Ich wusste nur nicht, wo ein Briefkasten war und fragen konnte ich auch noch nicht, weil ich die Vokabel nicht wusste“, erinnert sich Lorn.

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