Architekten der Arbeit So sieht die Berufswelt der Zukunft aus

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"Arbeit hat einen zu zentralen Stellenwert"

Matthias Horx gilt als einer der einflussreichsten Trend- und Zukunftsforscher. Er startete seine Karriere als Journalist, unter anderem bei der „Zeit“ und gründete 2005 das Zukunftsinstitut.

Matthias Horx gilt als einer der einflussreichsten Trend- und Zukunftsforscher. Quelle: dpa

„Das größte Manko ist, dass wir kein talentorientiertes, sondern ein abschlussorientiertes Bildungssystem haben. Die Frage an jede und jeden müsste lauten: Was ist dein Talent, und wo kannst du es einlösen? Was willst du wirklich tun in deinem Leben? Jemand, der sein Talent kennt, wird vielleicht auch einmal arbeitslos sein, weil er keine Nachfrage für seine Arbeit hat. Er findet aber immer irgendwo eine Beschäftigung. Ich habe in meinem Leben 20 Jahre lang von einem kleinen, gemischten Einkommen gelebt, das ungefähr dem Arbeitslosengeld II entsprach. Ich hatte damals eine wunderbare Zeit, denn ich wusste, dass sich irgendwann meine Situation ändern würde.“

Tim Hagemann ist Professor für Arbeits- und Gesundheitspsychologie an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld. Er berät zahlreiche Unternehmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung.

„Das größte Problem sehe ich darin, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über Jahre hinweg in einer unsicheren Beschäftigungssituation leben; wenn sie auf Dauer für Zeitarbeitsfirmen arbeiten, und das häufig unter schlechteren Bedingungen als ihre Kolleginnen und Kollegen oder in vorangegangenen Beschäftigungsverhältnissen. Befristungen wirken insbesondere dann als große psychische Belastung, wenn unsicher bleibt, was danach kommt. Hätte ich die Sicherheit, dass der Arbeitsmarkt es mir auch danach ermöglicht, mein Leben weiter zu meistern, wäre die Befristung nicht das Problem.“

Mercedes Bunz ist Kulturwissenschaftlerin und Journalistin. Bunz war unter anderem Chefredakteurin von „tagesspiegel.de“ und schrieb für den „Guardian“.

„Arbeit hat für die Individuen in unseren westlichen Gesellschaften einen zu zentralen Stellenwert. Anders gesagt: Menschen haben einen gesellschaftlichen Wert, auch wenn sie nicht arbeiten. Alte, langsame und kranke Menschen sowie Kinder sind dann eine überflüssige Last, die Arbeit macht. Sie sind keine Individuen, die uns lehren, was das ist: Menschsein – das ist gar nicht so einfach. Arbeit ist für uns Menschen ja nur das halbe Leben. Der Zukunft der Arbeit würde es deshalb guttun, wenn sie wieder ein paar andere menschliche Werte an ihre Seite bekommt. Das soll jedoch nicht heißen, dass ich Arbeit als unwichtig betrachte. Sie spielt eine wichtige Rolle für jeden Einzelnen, allein schon, weil sie das Individuum von der Schwere seiner eigenen Gedanken ablenkt und es in größere gesellschaftliche Zusammenhänge einordnet.“

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