Design wird getrieben durch Innovationen in Fertigung und Material. Wer technologisch an der Spitze steht, bestimmt mittelfristig auch die Formen und Gewohnheiten der Technologien. Das war beim Computer so, mit Maus und Tastatur, beim Internet, mit Klammeräffchen, Blogs und Kurznachrichten, und schließlich auch beim Mobilfunkmarkt mit SMS und mobilen sozialen Netzwerken. Amerika hat die Welt der Kommunikation geprägt. Mitbewerber müssen sich, ob sie wollen oder nicht, an seinen Standards orientieren.
Viele Gestalter, die in Asien tätig sind, erkennen einen solchen Paradigmenwechsel. Bernd Eigenstetter von Designit Munich sieht in Korea längst Design als Wirtschaftsfaktor in Industrie und Bevölkerung fest verankert. "Koreanische Unternehmen haben es auf hervorragende Weise geschafft, sich vom europäischen Designdogma freizuschwimmen und einen eigenen Stil zu schaffen. Ich würde diesen Stil als poetisch feminin bezeichnen."
Erst wachsen, dann gestalten
Langfristig reichen selbst die fortschrittlichsten Technologien nicht, um an der Spitze zu bleiben. Gutes Design braucht auch eine offene Gesellschaft. Zec formuliert das diplomatischer: "Man muss frei denken, um zu Spitzenleistungen zu gelangen." In China gilt aber noch immer das Senioritätsprinzip: der Ältere hat das Sagen. Und die Partei. Hemmnisse auf dem Weg zum Designolymp. Wer sieht, wie radikal die Ulmer Hochschule für Gestaltung die Welt der Dinge und die Gesellschaft selbst infrage stellte und wie frei die Lehre dort ablief, wird verstehen, dass hier Grundlagen für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg der alten Bundesrepublik gelegt wurden. Nicht nur die Marke Lufthansa profitiert noch heute von Otl Aichers Gestaltung.
Um an die Spitze zu gelangen, gibt es freilich noch einen anderen Weg: Wachstum. In Deutschland übernahm Lenovo vor zwei Jahren Medion für über 600 Millionen Euro, einen Discounter, der bislang kaum durch außergewöhnliches Design aufgefallen war. Marktanteile um jeden Preis auszubauen passt aber nicht unbedingt zur Strategie einer qualitativ hochwertigen Designmarke. Lenovo befindet sich an einer Weggabelung. Die Zukunft wird zeigen, ob Designchef Yao Yingjia genug Freiraum behält, die Firma im Premiumsegment weiterzuentwickeln. Das Potenzial ist da. Bernd Eigenstetter prognostiziert chinesischem Produktdesign "eine glänzende Zukunft. Kopieren ist schon lange kein Thema mehr. In den Schulen wird Innovation gepredigt." Klingt so, als liefe die Zeit amerikanisch-europäischer Designdominanz schneller ab, als manche hoffen.