Coaching Ein Coach für alle Fälle

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Parallel dazu wächst der Druck.

Die sogenannte Halbwertzeit des eigenen Könnens und Wissens nimmt kontinuierlich ab. Für viele stellt das eine echte Bedrohung dar, die sie zu mehr Initiative und Eigenverantwortung nötigt: Wer sich nicht um seine Karriere kümmert, wer nicht Schritt hält, der kann scheitern – und ist daran am Ende auch irgendwie selber schuld.

Der US-Soziologe Richard Sennett hat diesen neuen ökonomischen Typus einmal den „getriebenen Menschen“ genannt. Das Tragische an diesem Typ ist: Beseelt vom ständigen Bedürfnis besser zu werden, bleibt er zugleich behaftet als Mensch in permanenter Not – halbfertig, halbwertig, mangelhaft.

Wer zum Coach geht, der tut etwas dagegen und dokumentiert immerhin: Ich unternehme was, bin aktiv und schmiede – wenn auch mit fremder Hilfe – mein eigenes Glück. Gleichzeitig zeigt er seine Bereitschaft, dafür entsprechende Kraft und Mittel zu investieren. Das ist doch schon was. Und falls sogar der Arbeitgeber den Coach bezahlt, dann heißt das oft nichts weniger als: „Das bist du uns wert, denn wir sehen nicht nur deine Fehler, sondern vor allem dein Potenzial.“

Das Image des Coachens hat sich gewandelt

So hat sich denn auch das Image des Coachens deutlich gewandelt. Wer sich einen persönlichen Ratgeber leistet, der gilt nicht mehr als ein Jemand mit Macken und Schwächen, sondern als Macher mit Möglichkeiten. Denn, das hat jeder inzwischen gemerkt, vom Coaching können nicht nur die Schwachen, Anfänger und Zukurzgekommenen profitieren, sondern auch die Starken, Klugen und Wissenden – und sei es nur, damit aus ihnen Besserwissende werden.

Wie ist das passiert? Coaching spart. Geld vor allem, aber auch Zeit. Eine solche Maßnahme lässt sich schnell buchen, sie dauert nicht lange und ist, verglichen mit den potenziellen Ausfallkosten eines Managers, verhältnismäßig günstig. Zudem wirkt ein Coaching-Angebot eben nicht mehr wie eine Demütigung, sondern wie eine Auszeichnung. Das spart vielleicht sogar noch manchen Bonus.

Sicher, nicht selten sind solche Maßnahmen nichts weiter als Augenwischerei. Coaching ist schließlich auch bequem – für alle Beteiligten: Der Coachee bekommt einen privaten Schutzraum, in dem er ohne großes Karriererisiko an sich arbeiten kann.

Der Coach verdient gutes Geld, indem er den Mächtigen souffliert und dabei selbst ein wenig Macht inhaliert. Die Personalmanager wiederum delegieren müßige Personalentwicklungsarbeit und haben obendrein das gute Gefühl, etwas für die Motivation der Mitarbeiter getan zu haben.

Und die Chefs? Auch sie profitieren. Wer zu feige ist, seinem Mitarbeiter ins Gesicht zu sagen, was ihn nervt, schickt ihn eben zum Coach. Das hat zugleich den Vorteil, dass er sich im Erfolgsfall als Entdecker eines Nachwuchstalents preisen und im Falle des Scheiterns alles auf den Coach schieben kann.

Ein Konzept, das sich schon in der Consulting-Branche bewährt hat. Und das in dieser Form der Verantwortungsverschieberei zuweilen "reine Geldverschwendung" bleibt, wie sie etwa der Diplom-Psychologe und unter Pseudonym schreibende Buchautor Richard Gris ("Die Weiterbildungslüge") kritisiert.

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