Während deutsche Großbrauereien sich asketisch an das Reinheitsgebot halten und nur Hopfen, Malz, Wasser und Hefe einbrauen, existieren für Bjergsø keine Limits: Mal mischt er Kaffee hinzu, um die Röstaromen eines Stouts zu verstärken. Oder er gibt Blaubeeren zu einem Bier, das mit wilden Hefen spontan an der Luft gärt, wie in den Klöstern in Belgien üblich. Für die Sorte Mexas Ranger mischt er die Zutaten für Chili con Carne unter: Bohnen, Mais, Chilis. Gut 500 verschiedene Biere hat Bjergsø in den vergangenen zehn Jahren auf den Markt gebracht.
Die beliebtesten seiner Bier-Rezepte stellte er samt Anleitung zum Nachbrauen in der heimischen Küche für seine Fans gleich in einem eigenen Buch zusammen. Geheimniskrämerei wie beim Getränkeriesen Coca-Cola, der einen Mythos um sein Rezept für die dunkle Brause kreiert, hat Bjergsø nicht nötig. Er glaubt an die Stärke seiner Marke.
Mit gut einem Dutzend Mitarbeitern teilt er sich ein Büro, das auch Wohnzimmer sein könnte, in einem Mehrparteienhaus hinter dem Bahnhof in Kopenhagen. Neue Testbiere braut er in der Pausenküche. Doch was Bjergsø im Büro da so unscheinbar orchestriert, ist die Revolution des weltweiten Biermarktes. Schon viele andere haben bereits vor ihm Craft Beer gebraut. Doch niemand vermarktet es so clever und zielstrebig.
Für Mikkeller-Biere nutzt er teure Zutaten und braut häufig in kleinen Mengen. Das spiegelt sich in den Preisen wider. „Wir verkaufen bewusst teuer – nur so sorgen wir dafür, dass die Leute unserem Bier Respekt entgegenbringen“, sagt Bjergsø. In seiner Bar gleich um die Ecke des Büros gibt es jeden Abend 20 verschiedene Biere vom Fass. Ein Glas mit 0,2 Litern kann schon mal neun Euro kosten. Kunden aus aller Welt probieren sich trotzdem genüsslich durch das Angebot.
Deutsche Biertrinker sind Traditionalisten
Auch hierzulande sieht Bjergsø noch Potenzial – auch wenn das Aufwand und Geduld erfordere: „Deutschland ist wie eine alte Maschine, die man nur nach langer Aufwärmphase anwerfen kann. Hier können wir nicht über Nacht Veränderungen umsetzen.“
Beliebte deutsche Craft-Brauereien
Nach dem Abbruch seines Biologiestudiums entdeckte Alexander Himburg seine Liebe zur Braukunst, heißt es auf der Homepage der Odenwälder Brauerei. In der hessischen Provinz experimentiert Himburg mit amerikanischen Hopfen aber auch neuen deutschen Sorten.
Biertipp: Mandarina IPA
Craft Beer is not a crime“ – das hat auch niemand behauptet. Dennoch ist das der Slogan der Gründer Mario Hanel und Timm Schnigula, die ihre Crew Alewerkstatt in München eröffnet haben. Wenn ein X auf dem Flaschenhals prangt, dann ist das Bier ein Versuch, von dem nicht klar ist, ob er wiederholt wird. Testballon hieß das früher. Wie Weinproduzenten schwärmen die Braumeister von Zweitaromen wie Sherry, Whiskey, Schokolade, Kaffee, Lakritz und einem Hauch Portwein – in einem Bier.
Biertipp: Sour Black
Der Name klingt verdächtig nach Brautradition wie wir sie kennen. Aber die Hamburger Brauerei hat in den Schanzenhöfen mitten in der Stadt „erst gebaut – dann gebraut“. Handwerkliches Brauen mit Hopfensorten, die mehr Aroma ins Bier geben ist auch beim Ratsherrn die Maßgabe.
Biertipp: Winter Red Ale
In den Frequently Asked Questions (FAQ) des Craft-Bier-Zweigs der Brauerei Häffner in Bad Rappenau, steht folgendes: „Welche Ziele verfolgt Ihr? Weltherrschaft in Sachen Bier! Nein Spaß beiseite! Wir verfolgen ein natürliches, nicht zu rasantes Wachstum und freuen uns einfach, Pioniere einer tollen Bewegung zu sein.“ Diese Haltung steckt hinter einer der beliebtesten Craft-Bier-Brauereien Deutschlands.
Biertipp: Dark Red Temptation
Die Radeberger Gruppe vertreibt deshalb nur eine kleine Auswahl seiner Biere exklusiv in ihrem Braufactum-Kühlschrank. Der steht in großen Supermärkten und bietet vier Mikkeller-Biere für drei bis vier Euro pro Flasche. Echte Craft-Beer-Fans fühlten sich hintergangen, als die Kooperation bekannt wurde. Doch Bjergsø hat sich ein klares Bild vom deutschen Markt gemacht. Und kam zu dem Schluss, dass sein Vertriebskonzept aus Dänemark hierzulande nicht funktionieren würde. Dort beliefert er nur Spezialitätenläden. Lieber wartet er auf eine Geschmackswandlung der Deutschen, die auch Craft Beer im Handel etablieren würde: „Irgendwann in den nächsten Jahren werden wir exotischere Sorten anbieten.“ Bis dahin soll die erste Mikkeller-Bar in Berlin die Nachfrage decken. Sie ist bereits in Planung und wäre die zwölfte weltweit nach Ablegern in Städten wie Kopenhagen, Bangkok, Seoul und San Francisco.
Nachdem sein Jugendfreund und Mitgründer Kristian Keller aus dem Unternehmen ausstieg, hält Bjergsø nun alle Anteile über eine eigene Holding. Vier Jahre lang war er nicht nur kreativer Kopf und Braumeister, sondern auch Buchhalter, Lagerist und Vertriebler. Mittlerweile verlasse er sich auf seine Mitarbeiter, „die anders als ich endlich wissen, was sie tun“.
Sein Bier exportiert er mittlerweile in 40 Länder. Und so ist aus Mikkeller eine Gewinnmaschine geworden: Im vergangenen Jahr setzte Bjergsø umgerechnet 4,1 Millionen Euro um – und machte damit immerhin zwei Millionen Euro Gewinn. Eine Nettomarge, von der Bierriese AB Inbev nur träumen kann.
Und Bjergsø ist überzeugt, dass er die noch steigern kann: Zum zehnjährigen Firmenjubiläum Anfang April gönnte er sich seine eigene Braustätte. Weil er nun einen globalen Konzern leitet, steht die allerdings nicht in Kopenhagen, sondern in San Diego. Dort übernimmt Mikkeller das ehemalige Braugelände von Alesmith, die in ein neues Gebäude zogen. Welch hübsche Pointe: Jene Brauerei schrieb er vor gut zehn Jahren an, um mehr über das Brauen zu lernen. Die Investitionssumme, immerhin einige Millionen Euro, konnte er locker aus den Gewinnen der vergangenen Jahre zahlen. Das Unternehmen Mikkeller bleibt weiterhin schuldenfrei. Vermutlich ist neben seinem Drang, die Welt zu verändern, auch die Gelassenheit ein Erfolgsrezept: „Vielleicht möchte in ein paar Jahren niemand mehr Craft Beer trinken“, sagt Bjergsø, „dann arbeite ich einfach wieder als Lehrer.“