Mikkeller Das Erfolgsgeheimnis des dänischen Craftbier-Königs

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Der deutsche Markt bietet noch Potenzial

Während deutsche Großbrauereien sich asketisch an das Reinheitsgebot halten und nur Hopfen, Malz, Wasser und Hefe einbrauen, existieren für Bjergsø keine Limits: Mal mischt er Kaffee hinzu, um die Röstaromen eines Stouts zu verstärken. Oder er gibt Blaubeeren zu einem Bier, das mit wilden Hefen spontan an der Luft gärt, wie in den Klöstern in Belgien üblich. Für die Sorte Mexas Ranger mischt er die Zutaten für Chili con Carne unter: Bohnen, Mais, Chilis. Gut 500 verschiedene Biere hat Bjergsø in den vergangenen zehn Jahren auf den Markt gebracht.

Die beliebtesten seiner Bier-Rezepte stellte er samt Anleitung zum Nachbrauen in der heimischen Küche für seine Fans gleich in einem eigenen Buch zusammen. Geheimniskrämerei wie beim Getränkeriesen Coca-Cola, der einen Mythos um sein Rezept für die dunkle Brause kreiert, hat Bjergsø nicht nötig. Er glaubt an die Stärke seiner Marke.

Zehn Fakten über Bier
Das billigste BierAm wenigsten kostet Bier in der Ukraine und Vietnam. Hier muss man jeweils 0,43 Euro für eine 0,5-Liter-Flasche hinlegen. Generell ist das Bier in Südostasien und Osteuropa am günstigsten, besagen die Daten des Lebenserhaltungskosten-Portals "Numbeo". Auf Ukraine und Vietnam folgen Kambodscha (0,50 Euro), Saudi Arabien (0,51 Euro), Tschechien (0,52 Euro) und China (0,54 Euro). Quelle: dpa
Das teuerste BierIm nahen und Mittleren Osten müssen Biertrinker am tiefsten ins Portemonnaie greifen. Mit 5,67 Euro ist eine 0,5-Liter-Flasche Bier im Iran weltweit am teuersten. In Kuweit sind es 5,21 Euro und in der Vereinigten Arabischen Emiraten 4,56 Euro. Quelle: dpa
Die größten BierbrauerIn China wird weltweit meisten Bier wird gebraut. 490,2 Millionen Hektoliter flossen 2012 hier aus den Brauereien hinaus, schätzt der Hopfenhersteller Barth-Haas. Es folgen die USA (229,3 Millionen Hektoliter), Brasilien (132,8 Millionen Hektolitern), Russland (97,4 Millionen Hektoliter) und Deutschland (94,6 Millionen Hektoliter). Quelle: AP
Europas größte BiertrinkerWir sind Europameister – im Biertrinken. Mit 86 Millionen Hektolitern Bier trank keine andere europäische Nation 2012 so viel Bier wie die Deutschen. Auch in den Vorjahren lag Deutschland an der Spitze, berichtet die Vereinigung „Brewers of Europe“.  Hinter Deutschland kommen das Vereinigte Königreich (43 Millionen Hektoliter), Polen (38 Millionen Hektoliter), Spanien (35 Millionen Hektoliter) und Frankreich (20 Millionen Hektoliter). Quelle: dpa
Europas spendabelste BiertrinkerDie Briten geben am meisten für Bier in Europa aus. 2012 waren es den „Brewers of Europe“ zufolge 20 Milliarden Euro. Dahinter kommen die Deutschen mit 19 Milliarden Euro, die Spanier mit 14,6 Milliarden Euro, und die Italiener mit 9,7 Milliarden Euro. Quelle: REUTERS
Die weltweit größten BierbrauerDie weltweit größte Brauerei ist das belgisch-amerikanische Unternehmen Anheuser Busch InBev. 352,9 Millionen Hektoliter Bier pumpte das Konglomerat 2012 in die Welt. Laut Zahlen des Hopfenherstellers Barth-Haas folgt dahinter die englische Brauer SAB Miller (190 Millionen Hektoliter), sowie die niederländische Konkurrenz von Heineken (171,7 Hektoliter). Quelle: dpa
Die wertvollsten BiermarkenDie Light-Version des US-Biers Budweiser besitzt den weltweit höchsten Markenwert. Bud Light ist mit 12,6 Milliarden US-Dollar die wertvollste Biermarke. Das original Budweiser kommt laut der Werbeagentur Millward Brown erst auf den zweiten Platz. Budweiser wies 2012 einen Markenwert von 11,8 Milliarden US-Dollar auf. In der Rangliste folgen Heineken (8,7 Milliarden US-Dollar), Stella Artois (8,2 Milliarden US-Dollar) und Corona (8 Milliarden US-Dollar). Eine deutsche Biermarke ist unter den Top 10 nicht zu finden. Quelle: AP

Mit gut einem Dutzend Mitarbeitern teilt er sich ein Büro, das auch Wohnzimmer sein könnte, in einem Mehrparteienhaus hinter dem Bahnhof in Kopenhagen. Neue Testbiere braut er in der Pausenküche. Doch was Bjergsø im Büro da so unscheinbar orchestriert, ist die Revolution des weltweiten Biermarktes. Schon viele andere haben bereits vor ihm Craft Beer gebraut. Doch niemand vermarktet es so clever und zielstrebig.

Für Mikkeller-Biere nutzt er teure Zutaten und braut häufig in kleinen Mengen. Das spiegelt sich in den Preisen wider. „Wir verkaufen bewusst teuer – nur so sorgen wir dafür, dass die Leute unserem Bier Respekt entgegenbringen“, sagt Bjergsø. In seiner Bar gleich um die Ecke des Büros gibt es jeden Abend 20 verschiedene Biere vom Fass. Ein Glas mit 0,2 Litern kann schon mal neun Euro kosten. Kunden aus aller Welt probieren sich trotzdem genüsslich durch das Angebot.

Deutsche Biertrinker sind Traditionalisten

Auch hierzulande sieht Bjergsø noch Potenzial – auch wenn das Aufwand und Geduld erfordere: „Deutschland ist wie eine alte Maschine, die man nur nach langer Aufwärmphase anwerfen kann. Hier können wir nicht über Nacht Veränderungen umsetzen.“

Beliebte deutsche Craft-Brauereien

Die Radeberger Gruppe vertreibt deshalb nur eine kleine Auswahl seiner Biere exklusiv in ihrem Braufactum-Kühlschrank. Der steht in großen Supermärkten und bietet vier Mikkeller-Biere für drei bis vier Euro pro Flasche. Echte Craft-Beer-Fans fühlten sich hintergangen, als die Kooperation bekannt wurde. Doch Bjergsø hat sich ein klares Bild vom deutschen Markt gemacht. Und kam zu dem Schluss, dass sein Vertriebskonzept aus Dänemark hierzulande nicht funktionieren würde. Dort beliefert er nur Spezialitätenläden. Lieber wartet er auf eine Geschmackswandlung der Deutschen, die auch Craft Beer im Handel etablieren würde: „Irgendwann in den nächsten Jahren werden wir exotischere Sorten anbieten.“ Bis dahin soll die erste Mikkeller-Bar in Berlin die Nachfrage decken. Sie ist bereits in Planung und wäre die zwölfte weltweit nach Ablegern in Städten wie Kopenhagen, Bangkok, Seoul und San Francisco.

Das sind die ungewöhnlichsten Biere der Welt
Hvalur Þorrabjór SteðjaDie isländische Brauerei Stedji hat neben Erdbeerbier und Lakritzbier auch ein ganz spezielles Gebräu im Angebot. "What makes this beer special is that its ingredients is Pure icelandic water, malted barley, hops and sheep shit-smoked whale balls", heißt es auf der Homepage. Das Bier mit geräuchertem Finnwal-Hoden zog - wenig überraschend - den Groll von Tierschützern auf sich. Das Brauhaus Stedji hatte schon 2014 Aufsehen erregt, als es ein Bier aus Walmehl auf den Markt gebracht hatte. Wie damals soll das Getränk mit einem Alkoholgehalt von 5,1 Prozent für das isländische Winter-Fest Thorrablot produziert werden, bei dem die Inselbewohner traditionelle Gerichte wie Schafköpfe oder -hoden verspeisen. Die Walschutzorganisation „Whale and Dolphin Conservation“ in München verurteilte das Vorhaben. 2014 habe die Walfangfirma „Hvalur hf“, mit der die Mini-Brauerei zusammenarbeitet, 137 bedrohte Finnwale getötet, hieß es in einer Mitteilung. „Stedji“ betonte auf seiner Internetseite, alle nötigen Erlaubnisse für Produktion und Verkauf des Bieres eingeholt zu haben. Quelle: Screenshot
Cave Creek Chili BeerAnhand seiner Inhaltsstoffe schon deutlich exotischer ist da Cave Creek Chili Beer. Anders als bei vielen alkoholischen Getränken mit Chiliaroma schwimmt hier die Peperoni in der Flasche. Quelle: Screenshot
McOrkneyMcOrkney schmeckt dagegen bloß nach Whisky. Für den besonderen Geschmack nutzen die Brauer Malz, das in einem Torfofen geräuchert wird. Ganz so wie bei der Whiskyherstellung. Quelle: Screenshot
Samuel Adams Triple BockIm "Triple Bock" der Brauerei Samuel Adams Beer Company kommt Ahornsirup zum Einsatz. Das beschert dem Bier einen Alkoholgehalt von 17,5 Prozent sowie einen süßlichen Geschmack. Quelle: Screenshot
Pink PantherTatsächlich in Deutschland beheimatet ist dagegen "Pink Panther". Das Biermischgetränk mit Hibiskus stammt aus einer kleinen Kölner Brauerei mit dem Namen "Braustelle". Quelle: Screenshot
Flying Fox LagerDas im Himalaja beheimateten "Flying Fox" kommt zwar ohne Blüten aus, dafür wird es aus Gerstenmalz und Reis gebraut. Quelle: Screenshot
Fraoch - Heather AleEine kleine Brauerei nordwestlich von Edinburgh braut das Fraoch/Heather Ale nach historischem Rezept aus dem 16. Jahrhundert. In den Sud des Bieres kommt anstatt Hopfen Gagelstrauch sowie Heidekraut. Quelle: Screenshot

Nachdem sein Jugendfreund und Mitgründer Kristian Keller aus dem Unternehmen ausstieg, hält Bjergsø nun alle Anteile über eine eigene Holding. Vier Jahre lang war er nicht nur kreativer Kopf und Braumeister, sondern auch Buchhalter, Lagerist und Vertriebler. Mittlerweile verlasse er sich auf seine Mitarbeiter, „die anders als ich endlich wissen, was sie tun“.

Sein Bier exportiert er mittlerweile in 40 Länder. Und so ist aus Mikkeller eine Gewinnmaschine geworden: Im vergangenen Jahr setzte Bjergsø umgerechnet 4,1 Millionen Euro um – und machte damit immerhin zwei Millionen Euro Gewinn. Eine Nettomarge, von der Bierriese AB Inbev nur träumen kann.

Und Bjergsø ist überzeugt, dass er die noch steigern kann: Zum zehnjährigen Firmenjubiläum Anfang April gönnte er sich seine eigene Braustätte. Weil er nun einen globalen Konzern leitet, steht die allerdings nicht in Kopenhagen, sondern in San Diego. Dort übernimmt Mikkeller das ehemalige Braugelände von Alesmith, die in ein neues Gebäude zogen. Welch hübsche Pointe: Jene Brauerei schrieb er vor gut zehn Jahren an, um mehr über das Brauen zu lernen. Die Investitionssumme, immerhin einige Millionen Euro, konnte er locker aus den Gewinnen der vergangenen Jahre zahlen. Das Unternehmen Mikkeller bleibt weiterhin schuldenfrei. Vermutlich ist neben seinem Drang, die Welt zu verändern, auch die Gelassenheit ein Erfolgsrezept: „Vielleicht möchte in ein paar Jahren niemand mehr Craft Beer trinken“, sagt Bjergsø, „dann arbeite ich einfach wieder als Lehrer.“

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