Überlegen sind in unserer Mediengesellschaft Leute, die besonders oft im Fernsehen und anderen Medien zu hören sind und ihre Geschwätzbazillen dadurch besonders wirksam streuen können. Im Falle des "alles gut" war es die Fernsehmoderatorin Nina Ruge, die ihre Zuschauer jahrelang mit einem apodiktischen "Alles wird gut" verabschiedete. Spätestens seitdem Bushido 2010 "Alles wird gut!" auch noch rappte, hat sich der Kleinkindertröstspruch in Millionen mehr oder weniger erwachsener Köpfe eingenistet.
Wie alle extrem nervenden Floskeln gibt sich "alles gut" nicht mit dem Status als potentielle Antwort zufrieden, sondern will auch ohne Aufforderung andauernd in die Welt hinausposaunt werden: als Begrüßungsfrage droht das "alles gut?" nun im Deutschen zu werden, was "How are you?" im Englischen und "Genki?" ("gesund?") im Japanischen sind. Man kann nur hoffen, dass es vorher wieder ausstirbt.
Es gibt auch Floskel-Krankheiten, die sich auf ganz ausgesuchte Wirtstiere spezialisiert haben. "Ja, gut …" zum Beispiel kommt fast nur aus dem Munde von Fußballprofis, die kurz nach dem Spiel etwas in eine Fernsehkamera sagen sollen. Ja gut, mag man sagen, Fußballer sind halt oft Prolls und dank eines herkunftsbedingt restringierten Sprachcodes besonders anfällig für derartiges Blähdeutsch.
Leider haben sich aber auch in den letzten Hochburgen der Gelehrsamkeit einige Floskelviren perfekt an die Bedingungen eines elaborierten Sprachcodes angepasst. Unter Historikern zum Beispiel grassiert seit Jahren die "Ambivalenz". Klingt lateinisch und sehr alt, ist aber ebenso wie "elaboriert" und "restringiert" eine neuzeitliche Sprachzüchtung wichtigtuerischer Wissenschaftler. Der Psychiater Eugen Bleuler hat diese Gelehrtensprechblase in die Welt gesetzt, weil er sich scheute, einfach "Zwiespalt" zu schreiben.
Die so genannten Medienschaffenden und alle, die mit einem größeren Publikum kommunizieren, tragen also eine besonders große Verantwortung bei der Eindämmung des Gebrabbels. So wie man nicht vor kleinen Kindern über eine rote Ampel geht, könnte sich jeder Chef in jedem Meeting einfach mal auf die Zunge beißen, bevor er sie unüberlegt rausblubbert.
Wie kann man die Mitarbeiter dabei mit ins Boot holen? Keine Ahnung, da bin ich total schmerzfrei. Aber spannende Ideen kommen irgendwie wie Kai aus der Kiste. Genau! Und am Ende, sag ich mal, alles wird gut.