Soziale Netzwerke Die Macht der Kontakte

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Dass Freunde und Bekannte Geld wert sein können, gilt inzwischen jedoch nicht mehr nur für Angestellte – sondern auch für Unternehmen.

„What’s A Friend Worth?“, lautete Anfang Juni die Titelgeschichte des US-Wirtschaftsmagazins „Business Week“. Darin ging der Autor Stephen Baker vor allem der Frage nach, wie Unternehmen inzwischen unsere Online-Kontakte finanziell ausschlachten: „Digitale Freundschaften sprechen Bände über unsere Eigenschaften als Konsumenten und Arbeiter“, so Baker, „und die Entschlüsselung dieser Daten verspricht profitable Erkenntnisse.“

Personalabteilungen verlassen sich auf die Kraft der Kontakte

Ein Resultat daraus: das „Word-of-Mouth-Marketing“, wie die Mundpropaganda im hippen Werbersprech neuerdings heißt. Dahinter verbirgt sich eine triviale Erkenntnis: Wenn unsere Freunde etwas kaufen, ist die Wahrscheinlichkeit besonders hoch, dass wir es ihnen nachmachen. Studien zufolge werden zwei Drittel der Kaufentscheidungen durch Empfehlungen von Freunden beeinflusst.

Entsprechend wichtig ist es für die Unternehmen, gezielt Personen anzusprechen, die dann in ihrem Freundeskreis für Produkte werben. Auch Personalabteilungen verlassen sich mittlerweile auf die Kraft der Kontakte.

Die Forscher des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung befragten im vergangenen Jahr über 14.000 Unternehmen nach ihrer Rekrutierungspraxis. Fazit: Fast ein Drittel aller Neueinstellungen kam über eigene Mitarbeiter und persönliche Kontakte zustande. Die Arbeitsagentur oder deren Internet-Jobbörsen verhalfen nur zu jeder sechsten Einstellung. Noch niedriger waren die Erfolgschancen der Einzelkämpfer: Nur jede zehnte Besetzung beruhte auf einer Initiativbewerbung.

302 Facebook-Kontakte als Ideal?

Dahinter verbirgt sich eine einfache Logik: Wer derzeit überhaupt noch jemanden einstellt, scheut lange Einarbeitungszeiten und Fehlbesetzungen. Kurzum: Die Katze im Sack kann sich keiner leisten, erst recht nicht in Krisenzeiten – also bauen Firmen lieber auf Empfehlungen ihrer Mitarbeiter.

Lautet das Motto also: Masse statt Klasse? Ist es besser, sein virtuelles Adressbuch vollzustopfen, als zu selektieren, wen man akzeptiert und wen ablehnt?

Ein Forscherteam der Michigan State Universität ging dieser Frage im vergangenen Jahr nach. Es konfrontierte Versuchspersonen mit Facebook-Profilen verschiedener Personen, die sich weitgehend glichen – mit dem Unterschied, dass sie eine unterschiedliche Zahl von Kontakten hatten. Danach sollten sie die soziale Attraktivität der Profilbesitzer bewerten. Ergebnis: Am beliebtesten waren diejenigen mit 302 Freunden. Wer weniger hatte, galt als sozial geächteter Verlierer. Wer mehr hatte, wirkte verzweifelt – und war ebenso unbeliebt.

Was ein Profil mit 30.000 Kontakten beim Betrachter auslöst, ist bislang unerforscht. Thorsten Hahn erntet, nach eigenen Angaben, jedoch meist positive Rückmeldungen. Dass er einen bestehenden Kontakt löscht, kommt für ihn ohnehin nicht infrage: „Ich weiß nie, wann ich den mal brauche.“

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