Aktienmarkt Deutschland Jamaika-Aus bringt Dax und Euro nur kurz aus dem Tritt

Das Scheitern der Jamaika-Sondierungen in Berlin hat den deutschen Aktienmarkt nur vorübergehend aufgemischt. Der Dax machte seine Anfangsverluste bereits weitgehend wieder wett.

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"Unser Land verträgt keinen Stillstand"
Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG"Unser Land verträgt keinen Stillstand", erklärt VW-Chef Matthias Müller. Es müssten wichtige Entscheidungen für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands getroffen und deshalb schnell klare Verhältnisse geschaffen werden. "Eine Hängepartie können wir uns nicht erlauben." Quelle: dpa
Christoph Schmidt, Vorsitzender des Sachverständigenrats ("Die fünf Wirtschaftsweisen")Der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, hat angesichts des Scheiterns der Jamaika-Sondierungen vor einem Regierungsbündnis aus ständig miteinander streitenden Parteien gewarnt. "Ein Bündnis, deren Partner sich in den kommenden Jahren vor allem gegenseitig blockieren würden, wäre wohl noch schlechter als eine schleppende Regierungsbildung", sagte Schmidt am Montag. Auch habe der Abbruch der Gespräche für eine Koalition aus Union, FDP und Grünen die Ausgangslage für die deutsche Wirtschaft derzeit kaum verändert. "In jedem Fall sind die negativen Auswirkungen der gescheiterten Jamaika-Sondierungen eher langfristiger als konjunktureller Natur", sagte der Ökonom. Nach wie vor sei die konjunkturelle Lage in Deutschland sehr gut, betonte Schmidt. Die Wirtschaft erlebe einen langen und robusten Aufschwung. Allerdings gebe es mittel- und langfristig große Herausforderungen, wie der demografische Wandel, die Digitalisierung oder die Fortentwicklung der Europäischen Union. Darauf müsse eine neue Regierung Antworten finden. Quelle: dpa
Clemens Fuest, Präsident des ifo-Instituts Quelle: dpa
Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer Quelle: REUTERS
Thilo Brodtmann, VDMA-Hauptgeschäftsführer Quelle: VDMA
Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen Quelle: Presse
Matthias Wahl, Präsident des Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) Quelle: PR

Die Aussicht auf Neuwahlen im Bund hat die Anleger in Europa am Montag wenig verschreckt. Dax und EuroStoxx50 drehten nach anfänglichen Verlusten zeitweise ins Plus und notierten am späten Vormittag jeweils etwa 0,2 Prozent im Minus bei 12.957 und 3541 Punkten. Der Euro kostete mit 1,1798 Dollar wieder ungefähr so viel wie unmittelbar vor Abbruch der Gespräche über eine Jamaika-Koalition aus Union, FDP und Grünen.

"Wir erwarten nicht, dass es zu einer veritablen politischen Krise beziehungsweise zu einem nachhaltigen Kurswechsel in der deutschen Politik kommt", sagte Volkswirt Jan Bottermann von der Essener National-Bank. "Für die Märkte maßgeblich ist das gute internationale Umfeld, das der deutschen Wirtschaft auch weiterhin ein kräftiges Wachstum bescheren wird."

Für den Aktienhändler Markus Huber vom Brokerhaus City of London wären Neuwahlen zudem nicht zwingend negativ. "Die Chancen stehen gut, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel ein besseres Ergebnis erzielt, da die deutsche Wirtschaft seit der Wahl im September so stark boomt wie seit Jahren nicht mehr."

Jamaika gescheitert: Drei Szenarien möglich

Bei RWE löste das Aus für die Jamaika-Verhandlungen eine Erleichterungsrally aus. Dadurch verzögere sich die geplante Stilllegung von Kohlekraftwerken, sagte ein Börsianer. Gleichzeitig werde der Ausbau der Erneuerbaren Energien langsamer vorankommen. Der Versorger RWE produziert in Deutschland rund 60 Prozent seines Stroms in Kohle-Kraftwerken. Am Montag gewannen die Titel 3,1 Prozent. Der Windkraftanlagen-Bauer Nordex rutschte dagegen um 2,8 Prozent ab. Der Solarindustrie-Zulieferer SMA Solar büßte 3,4 Prozent ein.

Die RWE-Aktien profitierten zusätzlich vom möglichen milliardenschweren Verkauf der Tochter Innogy an den italienischen Versorger Enel. Innogy-Titel legten 1,4 Prozent zu, während Enel in Mailand kaum vom Fleck kamen.

Spitzenreiter im Dax war ProSiebenSat.1 mit einem Kursplus von 3,6 Prozent. Auslöser der Rally sei der angekündigte Abgang des Firmenchefs Thomas Ebeling, schrieb Analyst Markus Friebel von Independent Research. "Zwar hat Ebeling ProSiebenSat.1 aus der schwersten Krise des Konzerns geführt, allerdings bekommt das Unternehmen seit 2016 immer mehr Schwierigkeiten. Zudem hat sich Ebeling mit einer abschätzigen Bemerkung über die TV-Zuschauer unhaltbar gemacht."

In Amsterdam legten die Aktien von Altice zeitweise sogar 13 Prozent zu und machten damit ihr Minus vom Freitag mehr als wett. Der niederländische Telekom- und Kabelkonzern erteilte Spekulationen um eine bevorstehende Kapitalerhöhung eine Absage. Außerdem dementierte er Gerüchte um Kreditprobleme. Das Unternehmen wolle seinen Schuldenberg durch Anteilsverkäufe abbauen. Durch Übernahmen in den USA und Europa hat Altice Verbindlichkeiten von knapp 50 Milliarden Euro aufgehäuft.


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