Börse nach dem Putschversuch Hohe Kursverluste in der Türkei

An der Börse Istanbul geben Papiere am Montag deutlich nach, Turkish Airlines gehört zu den großen Verlieren. Doch Anleger in Schwellenländern sind Schwankungen gewöhnt – und wittern nach dem Putschversuch sogar Chancen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Die Aktien von Turkish Airlines geben deutlich nach – wegen Sorge, dass die Nachfrage nach Reisen in die Türkei zurückgeht. Quelle: Reuters

Frankfurt/Düsseldorf Der Putschversuch in der Türkei hält auch die Anleger in Atem. Am türkischen Devisen- und Kapitalmarkt kam es zu einigen Kursausschlägen. Gleich nach Bekanntwerden der Ereignisse gab die Lira am Freitagabend zum Dollar rund sechs Prozent nach. Eine Lira kostete nur noch knapp 33 Cent. „Die türkische Lira ist eine risikosensitive Währung, deshalb gibt es häufig größere Ausschläge im Lira-Kurs“, sagt Sandra Striffler, Devisenanalystin der DZ-Bank. Doch am Montag erholte sich die Währung schon wieder und legte knapp zwei Prozent zu. Auch das ist nach Ansicht der Expertin nicht ungewöhnlich. Denn in den vergangenen Monaten habe es in der Türkei sehr häufig negative Ereignisse auf politischer Ebene gegeben. Der Markt habe sich schon daran gewöhnt und kehre schnell zur Normalität zurück.

Am türkischen Aktienmarkt gab es am Montag deutliche Abschläge, aber keinen extremen Ausverkauf. Der ISE 100, der Index der hundert größten Unternehmen in der Türkei, büßte rund acht Prozent ein. Für Anleger ist die Türkei kein leichtes Metier. Das Schwellenland wurde in den vergangenen Monaten immer wieder durch terroristische Anschläge erschüttert. „Auch der autoritäre Führungsstil von Präsident Recep Tayyip Erdogan sorgt für innen- wie außenpolitische Unsicherheit“, sagt Gökhan Kula, Gründer und Fondsmanager bei Myra Capital. „Nach dem versuchten Putsch dürfte seine Machtposition sogar noch gestärkt sein.“

In Panik scheinen die Aktieninvestoren nach den Ereignissen vom Wochenende jedoch nicht zu verfallen. Marktexperten haben dafür unterschiedliche Erklärungen: So könnte es zum einen beruhigend wirken, dass die Machtverhältnisse in der Türkei schnell geklärt wurden – Investoren hassen Unsicherheit. Zum anderen dürften auch die Vorbelastungen des Aktienmarktes eine große Rolle spielen: „Es gibt im Moment wenig Befürchtung darüber, ob die Unternehmensgewinne maßgeblich beeinträchtigt sind“, sagt Carlos von Hardenberg, Kapitalmarktexperte der Templeton Emerging Markets Group. Schon vor dem Putschversuch sei die Situation aber sehr angespannt gewesen.

Insbesondere die Tourismusbranche hat in diesem Jahr durch eine Vielzahl von terroristischen Anschlägen in der Türkei bereits gelitten. Die Aktien von Turkish Airlines büßten seit Jahresanfang 30 Prozent ein. Auch am Montag gehörten sie mit einem Minus von zwölf Prozent zu den Verlierern. Stärker als der Durchschnitt gab auch der relativ große Bankensektor nach. „Zuletzt hatten sich türkische Aktien positiv entwickelt, insbesondere vor dem Hintergrund der global weiterhin niedrigen Zinsen“, sagt Sebastian Kahlfeld, Fondsmanager bei der Deutsche Asset Management. Davon habe auch der türkische Bankensektor profitiert, der nunmehr mit einem Umfeld höherer türkischer Zinsen umgehen müsse.


Hohe Kursschwankungen in der Türkei üblich

Wie lange die Zinsen so hoch bleiben, ist aber fraglich. Die türkische Notenbank hat bereits angekündigt, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um die finanzielle Stabilität im Land zu gewährleisten. In der regelmäßigen geldpolitischen Lagebeurteilung am Dienstag dürfte sie das noch einmal bekräftigen. „Wegen der hohen Inflationsrate hat die türkische Notenbank den Leitzins bisher zu Recht auf einem hohen Niveau belassen“, sagt Kula. „Allerdings übt die Politik hier großen Druck aus, deshalb ist eine Zinssenkung in absehbarer Zeit nicht auszuschließen.“
Exporteure könnten profitieren

Den aktuellen Kursverlusten zum Trotz sehen Marktexperten aber auch Chancen – „vor allem in Firmen, die aus der Türkei exportieren und somit Umsätze in Dollar oder Euro generieren“, sagt Templeton-Experte von Hardenberg. Außerdem: „Die Türkei ist solche Krisen gewohnt, und es hat sich immer wieder gezeigt, dass es der Gesellschaft gelingt, zu einem stabilen Kurs zurückzukommen“, ergänzt er. Auch nach Ansicht von Kahlfeld bleibe die Türkei ein Markt, den man als Investor für sein Portfolio in Betracht ziehen könne: „Das Wirtschaftswachstum könnte trotz allem in 2016 bei 3,5 bis 4,0 Prozent liegen und damit deutlich vor den Wachstumsraten anderer Länder“, sagt er. Der Anteil im Portfolio hänge von der individuellen Risikoneigung ab.

Wer als Privatanleger in türkische Aktien investieren will, hat wenig Möglichkeiten. „Türkei-Fonds sind eine Randerscheinung am europäischen Fondsmarkt: Ich habe 25 derartige Fonds in Europa gezählt mit einem Vermögen von rund 750 Millionen Euro“, sagt Ali Masarwah, Analyst bei Morningstar. Es handele sich hier um eine der kleineren Fondskategorien, auch mit Blick auf Schwellenländer-Investments.

Zudem sei die Türkei deutlich volatiler als das Gros der Emerging Markets. „Der maximale Verlust des MSCI Emerging Markets lag in den vergangenen fünf Jahren bei 25,6 Prozent, der MSCI Turkey verlor in dem Zeitraum maximal 44 Prozent“, schildert Masarwah. Mit einer erhöhten Volatilität müssen Anleger in Schwellenländern immer rechnen. „Schaut man sich die Entwicklung des türkischen Leitindexes ISE 100 an, blieb die erhoffte Risikoprämie in den vergangenen Jahren aber meist aus“, so Fondsmanager Kula. Das sei einer der Gründe gewesen, warum er Ende 2015 den Myra Dynamic Turkey-Fonds geschlossen habe.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%