Börse São Paulo Abgesang auf Brasiliens Milliarden-Illusionen

Einst superreich, heute pleite oder im Knast – Brasiliens Milliardäre stehen für den rasanten Aufstieg und Fall des einstigen Wachstumsstars. Schuld daran ist auch die Regierung in ihrer Rolle als Förderer und Fahnder.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Brasilien: Ein entlassener Arbeitnehmer protestiert vor dem Petrobras-Sitz in Rio de Janiero. Quelle: REUTERS

Júnior, Joesley und Wesley heißen die drei Brüder Batista. Es sind Namen, die in Brasilien nach Provinz klingen. Von dort, aus Anápolis, tief im Westen Brasiliens, stammen sie tatsächlich. Joesley ist 44 Jahre alt und hat die Schule vor der mittleren Reife abgebrochen. Der ein Jahr ältere Wesley konnte vor Kurzem noch kein Wort Englisch. Ihr Vater belieferte die Arbeiter beim Bau der Hauptstadt Brasília mit Fleisch aus seinem Schlachthaus.

Binnen zehn Jahren haben seine Söhne aus dem väterlichen Betrieb den mit Abstand größten Fleischproduzenten der Welt gemacht. JBS ist ein Lebensmittelgigant, der jährlich Steaks, Hühnerschlegel und Schweinerippen für 30 Milliarden Dollar verkauft. Die 200.000 Mitarbeiter verarbeiten täglich mehr als 50.000 Rinder in 150 Schlachthäusern weltweit. Mehr als 80 Prozent ihres Umsatzes machen die Batistas inzwischen im Ausland. In den USA kauften sie den abgewirtschafteten Traditionskonzern Swift, dann schluckten sie Pilgrim’s Pride, den zweitgrößten Geflügelverarbeiter des Landes. In Russland ist JBS der größte Zulieferer für McDonald’s, in Australien kontrolliert der Konzern den Rindfleischmarkt – und beliefert von dort Asien.

Einmal superreich, heute pleite: Diese Milliardäre stehen in Brasilien für Aufstieg und Fall

Die Arbeitsteilung zwischen den Brüdern verläuft klar: Wesley sondiert, Júnior verhandelt, und Joesley bezahlt, heißt es im Konzern. Der Schulabbrecher Joesley hat als Finanzmann mit dem Börsengang 2007 die finanzielle Basis für die Expansion der Gruppe ins Ausland gelegt. Heute ist er Board-Vorsitzender – und nach der Hochzeit mit einer der bekanntesten Fernsehmoderatorinnen Brasiliens aufgestiegen in den Jetset des Landes.

Staatsanwälte ermitteln

Doch jetzt wackelt das Fleischimperium. Ausgerechnet Finanzjongleur Joesley ist der Grund, dass der Kurs von JBS seit September um zeitweise mehr als 50 Prozent eingebrochen ist – obwohl der Konzern so gut verdient wie selten zuvor. Der Grund für den Absturz: Gegen Joesley Batista ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Finanzmanipulationen. Töchter der Holding sollen sich gegenseitig einen 20-Millionen-Dollar-Kredit gegeben haben, um ihre Bilanzen aufzuhübschen. „Das sind kleine Summen für so einen Weltkonzern“, sagt Klaus Spielkamp vom Anleihehändler Bulltick in Miami, „aber die Investoren sind in Sorge, dass da noch mehr kommen könnte.“ Sie fürchten, Joesley Batista könnte das nächste prominente Opfer werden. Eines von schon so vielen, die es nach dem Ende der Bonanza Brasiliens erwischte.

BTG Pactual

Denn nicht nur das Amazonasland ist binnen kurzer Zeit vom Star unter den schnell wachsenden Volkswirtschaften abgestiegen zum Krisenland, mit Rezession und hoher Inflation – auch einige der erfolgreichsten Entrepreneure sind tief gestürzt. Neben Joesley Batista sind das die Herren Eike Batista, André Esteves und Marcelo Odebrecht. Alle waren sie bis vor Kurzem bewunderte Vorbilder einer ganzen Generation. Heute sind sie pleite oder sitzen im Knast. Alle vier hatten den Börsen- und Wirtschaftsboom Brasiliens seit 2003 genutzt, um ihre Unternehmensimperien aufzubauen. Dabei wurden sie in wenigen Jahren schwerreich.

  • Eike Batista – nicht verwandt mit den Batista-Brüdern – schuf an der Börse in fünf Jahren ein gigantisches Öl-Bergbau-Energie-Logistik-Imperium. OGX, EBX, OSX und LLX hießen seine Unternehmen. Das machte ihn 2012 laut dem US-Magazin „Forbes“ zum Siebtreichsten der Welt mit einem Vermögen von 30 Milliarden Dollar.
OGX Petroleo
  • Der Banker André Esteves wurde zum jüngsten Milliardär Brasiliens als er 2006 als 38-Jähriger seine Anteile an der Investmentbank Pactual für drei Milliarden Dollar an die Schweizer UBS verkaufte. Legendär wurde Esteves jedoch, als er seine Bank nur drei Jahre später sogar für einen geringeren Preis zurückerwarb – obwohl sie inzwischen dreimal so viel Eigenkapital besaß wie noch unter seiner Führung. Als er kurz darauf zehn Prozent seiner wiedererworbenen BTG Pactual veräußerte, war die ganze Bank sechsmal so viel wert wie beim Rückkauf von der UBS. Auch der Börsengang 2012 wurde einer der größten in der Geschichte Brasiliens. Zwei Milliarden Dollar nahmen Esteves und seine Partner dabei ein.
  • Der 47-jährige Marcelo Odebrecht wiederum führt als Präsident und Eigentümer in dritter Generation Odebrecht, den größten Bau- und Chemiekonzern Lateinamerikas, der von Patagonien bis Miami U-Bahnen, Staudämme und Kraftwerke baut. Von 2007 bis zum Jahr 2014 verdoppelte er den Umsatz auf 34 Milliarden Dollar.
Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%