Börse und Steuer TomTom zahlt, deutsche Aktionäre fluchen

Navigationsspezialist TomTom Quelle: REUTERS

Navigationsspezialist TomTom überweist viel Geld an seine Aktionäre, doch deutschen Anlegern droht Ärger, wenn Banken zu unrecht Steuern darauf abführen. Die Rückgabe müssten sie vor Gericht erstreiten. Das geht besser.

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Der niederländische Navigationsspezialist TomTom zahlt 750 Millionen Euro an Aktionäre aus. Das Unternehmen hat sich verkleinert und die Telematik-Sparte an Bridgestone verkauft. Pro Aktie (NL0013332471), deren Kurs am 23. Mai noch bei 7,79 Euro liegt, gibt es Ende Mai 5,74 Euro zurück. TomTom legt zudem Aktien zusammen. Für 16 alte gibt es neun neue Aktien. Die bekommen auch eine neue Identifikationsnummer ISIN.

Was zunächst gut klingt, hat für hiesige Anleger aber einen gewaltigen Haken. Niederländer und Belgier, die die Aktien im Depot haben, bekommen das Geld steuerfrei, deutsche Aktionäre wohl nicht. Der deutsche Fiskus zwingt Steuerzahler immer wieder, erst an ihn zu zahlen und dann die Fälle mühsam gerichtlich klären zu lassen. Auch in diesem Fall könnte das wieder so laufen, wenn nicht noch ein richtiger Datenschlüssel an die Banken weitergeleitet würde. Dann passiert das, was häufig bei Abspaltungen und anderen Umstrukturierungen, wie etwa von Google zu Alphabet, passiert: Deutsche Anleger zahlen Steuern zahlen, die sich später zurückholen können – wenn überhaupt.

„So wie es TomTom in allen Mitteilungen plausibel darstellt, geht es um eine echte Auszahlung von Grundkapital des Unternehmens, das durch Rücklagen entstanden ist. Und da ist es klar, dass das steuerfrei möglich ist, soweit nicht die Anschaffungskosten des Anlegers geringer waren als die Rückzahlung jetzt. Da sollten Aktionäre spätestens vor dem Finanzgericht zu ihrem Recht kommen“, sagt Oliver Schultze, auf Kapitalanlagen spezialisierter Steuerberater aus Pinneberg.

Und da es in Europa ein Diskriminierungsverbot gibt und auch eine deutsche Gesellschaft ihr Grundkapital für Gesellschafter steuerfrei herabsetzten kann, muss dies auch für ausländische Gesellschaften gelten. „Wenn Niederländer und Belgier das als steuerfreie Grundkapitalauszahlung ansehen, kann Deutschland nicht ausscheren“, sagt Schultze. Er ist aber überzeugt, dass es in einem Veranlagungsverfahren beim Finanzamt schnell gelingen werde, die Beamten von der Steuerfreiheit zu überzeugen. „Da habe ich keine Zweifel“, sagt Schultze.

Dass sich aber heimische Anleger in einem solchen Fall erst „durchklagen“ müssen, ist allerdings lästig, teuer und eigentlich unnötig. Niederländer und Belgier wissen nämlich schon, dass die Auszahlung bei ihnen ohne Steuerabzug auf dem Konto landen wird.

Für die heimischen Aktionäre kommt es jetzt darauf an, dass eine besondere Stelle in Deutschland den Vorgang in den nächsten Tagen mit dem richtigen Datenschlüssel versieht. Es hängt alles an der Herausgebergemeinschaft WM-Gruppe, Keppler, Lehmann GmbH & Co. KG. In deren Datenbank „Wertpapier-Mitteilungen“ wird alles erfasst, was sich gesellschaftsrechtlich ändert. Und alles, was zu einer Zahlung führt, wird mit einem Schlüssel versehen. Wenn es um eine Zahlung an einen Aktionär geht, dann entscheidet die Bank aufgrund dieses Schlüssels, wie sie mit der Zahlung umgehen muss, ob Steuern fällig werden oder nicht.

Automatischer Steuerabzug ist vermeidbar

Wenn in Deutschland ein Aktionär eine Zahlung von einem Unternehmen bekommt, handelt es sich in der Regel um eine Gewinnausschüttung, also Dividende, und damit eine abgeltungssteuerpflichtige Auszahlung. Andere Zahlungen sind selten, aber es gibt sie und um die gibt es regelmäßig Streit. 2015 erlebten einige Aktionäre ausländischer Konzerne eine böse Überraschung, weil sie nach Abspaltungen (Spin-offs) oder Aktienteilungen (Splits) plötzlich Abgeltungsteuer zahlen mussten, obwohl sich ihr Depotwert nicht verändert hatte. Im Fall Alphabet (Google) und Moeller Maersk zeigte die Finanzverwaltung Einsicht und stornierte den Abzug automatisch. Andere Verfahren laufen noch immer vor Gerichten. Im zweitbesten Fall korrigieren die Banken den Steuerabzug auch bei TomTom ebenfalls noch nachträglich.

Weil Banken bei allen Auszahlungen Angst haben, dass sie mit Haftungsrisiken konfrontiert werden könnten, behalten sie lieber zu viel Abgeltungsteuer ein, als zu wenig. Und so könnte es auch im Fall von TomTom wieder laufen. Die Banken könnten sich damit herausreden, dass man bislang nicht genau weiß, ob TomTom in der Summe nicht auch Erträge aus dem Vorjahr auszahlt, die einfach in Grundkapital umgewandelt wurden, vermutet Steuerberater Schultze.

Auch die Umstellung der ISIN bei der Kapitalherabsetzung könnte in den Banken zu Irritationen führen. Aber mit all dem kommen Niederländer und Belgier offenbar auch klar und werfen den Aktionären nicht noch Knüppel zwischen die Beine. Bevor Banken und die Verantwortlichen der Wertpapier-Mitteilungen, die ebenfalls die honorige Börsenzeitung herausgeben, mal wieder die fehlende Aktienkultur in Deutschland beklagen, sollten sie unnötigen Ärger von Aktionären fernhalten.

Denen geht es auch gar nicht darum, ein Steuersparmodell zu nutzen. Da die Rückzahlung die Anschaffungskosten der Aktien verringert, erzielen all diejenigen, die die Aktien nach Einführung der Abgeltungsteuer gekauft haben, bei einem späteren Verkauf einen höheren Verkaufsgewinn. Am Ende des Tages wäre die Rückzahlung damit ohnehin nicht steuerfrei.

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