Zum ersten Mal seit den Tiefen der globalen Finanzkrise im März 2009 ist die Aktie der Deutschen Bank unter den Wert von 20 Euro pro Anteilsschein gefallen. Am Donnerstagvormittag notierte das Papier des größten deutschen Geldhauses auf einem Niveau von 19,81 Euro und damit über fünf Prozent unter dem Niveau des Vortages. Die Aktie war damit zeitweise größter Verlierer im Dax, der zur gleichen Zeit 3,3 Prozent im Minus notierte.
Am Morgen hatte ein Research-Papier der französischen Großbank Société Générale für Aufsehen gesorgt. Darin standen deftige Sätze der Analysten des Konkurrenten. So werde die Deutsche Bank in weiten Kreisen als Geschäft „ohne Qualität“ gewertet, das keine Verbesserung der Aktieneinschätzung rechtfertige.
Analyst Andrew Lim behielt seine Einstufung für das Papier auf „Verkaufen“ und senkte das Kursziel von 25 auf 20 Euro. Die Kapitalausstattung stelle ein Risiko dar und weiterhin belasteten Rechtsrisiken die Aktie. Unter anderem droht der Deutschen Bank in den USA eine hohe Strafe wegen des Vorwurfs, Sanktionen im Russland-Geschäft umgangen zu haben.
Seit 2009 hat die Deutsche Bank zwar mehrere Kapitalerhöhungen unternommen und so die Zahl der ausstehenden Aktien deutlich erhöht. Dennoch zeigt sich auch in diesem Jahr, dass es der Aktie an Fans mangelt. Seit Jahresbeginn beträgt das Minus des Papiers zwölf Prozent.
„Wir werden alles tun, damit wir dieses Kapitel schnell schließen können“, hatte Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen am Mittwochabend mit Bezug auf die Altlasten der Bank gesagt. Der Kulturwandel bei der Bank werde weiter vorangetrieben. Der künftig alleinige CEO, John Cryan, baut derzeit mit gewaltigem Tempo die Bank um. Tausende Stellen werden abgebaut, wichtige Geschäftsbereiche etwa im Investmentbanking sollen schrumpfen und die Postbank soll abgespalten werden.
Wegen des geplanten Börsengangs der Postbank besteht derzeit Unsicherheit. So hängt der Erfolg der Abspaltung nach Informationen des Handelsblatts und der Nachrichtenagentur Reuters auch vom Votum der Steuerbehörden ab. Die Bank habe den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der Tochter anders als geplant zum Jahresende nicht gekündigt, sagten mehrere mit dem Prozess vertraute Personen.
Beherrschungsverträge müssen mindestens fünf Jahre laufen – das aber wäre bei der Postbank erst Ende 2016 der Fall. Eine vorzeitige Kündigung ist aus steuerlicher Sicht nur „aus wichtigem Grund“ möglich. Ob und unter welchen Bedingungen die Behörden den Börsengang als Grund anerkennen, halten Banker und Wirtschaftsjuristen für offen.
Das Finanzamt habe noch nicht entscheiden, ob es einer vorzeitigen Kündigung zustimme. Wenn nicht, drohen saftige Steuernachzahlungen, weil mit dem Beherrschungsvertrag Steuervorteile verbunden sind. „Das würde finanziell Schmerzen bereiten“, sagte ein Insider. Solange die Deutsche Bank keine Klarheit habe, werde es keinen Börsengang der Postbank geben, hieß es in Finanzkreisen.
Ziel der Abschaltung der Postbank bleibt bestehen
Der Vertrag erlaubt der Deutschen Bank, bei der Postbank durchzuregieren und deren Gewinne zu vereinnahmen. Im Gegenzug konnten die Kleinaktionäre wählen, ob sie eine Garantiedividende kassieren wollen oder ihre Aktien zum Preis von gut 25 Euro an den Großaktionär verkaufen. Daher verbietet sich ein Börsengang, so lange der Vertrag gilt. Zwar waren die Postbank-Kleinaktionäre im Dezember zwangsweise ausgeschlossen worden. Doch die Rechte würden auch für Käufer der neuen Aktien nach der Emission gelten.
Für die Deutsche Bank ist dies eine weitere Hürde auf dem Weg, die Postbank auszugliedern und wieder an den Aktienmarkt zu bringen. Der zurückgetretene Vorstandschef Anshu Jain hatte sich vorgenommen, schon in diesem Jahr die Mehrheit an der Filialbank abzugeben. Doch das gilt als zu ehrgeizig, das Marktumfeld würde derzeit allenfalls einen kleineren Börsengang erlauben. Finanzkreisen zufolge arbeitet die Postbank bisher auf einen Börsengang in dem für Emissionen günstigen Zeitraum im Juni oder Juli hin. Ein Insider sagte aber, die Bank liebäugele inzwischen damit, die Abspaltung auf das nächste Jahr zu verschieben.
Die Deutsche Bank spricht inzwischen nur noch davon, dass eine Entkonsolidierung – also die Abgabe der Mehrheit an der Postbank – das Ziel bleibe, legt sich aber nicht mehr auf einen Zeitpunkt fest. Zum Beherrschungsvertrag wollte sie sich nicht äußern.
Die Beziehungen der Deutschen Bank zu den Finanzbehörden sind durchwachsen: In Kürze beginnt in Frankfurt ein Prozess gegen acht aktuelle und frühere Bank-Mitarbeiter, die einem Ring von CO2-Händlern bei einem millionenschweren Umsatzsteuer-Betrug geholfen haben sollen. Die Bank hatte in der Affäre mehr als 200 Millionen Euro an das Finanzamt zurückgezahlt.