Deutsche Börse Treten Sie zurück, Herr Kengeter!

Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter soll schon im November 2015 mit dem Kanzleramt gesprochen und gesagt haben, dass die Fusion mit der Börse London im Grundsatz stehe. Im Dezember dann kaufte er Börsenaktien. Stimmt das, muss er zurücktreten. Die Fusion mit London wäre dann erledigt.

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Carsten Kengeter, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Börse Group Quelle: dpa

Natürlich, für Börsenchef Kengeter gilt die Unschuldsvermutung. Auch, wenn die Frankfurter Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Insiderhandel gegen ihn ermittelt. Auch, wenn die Behörde seine private Wohnung und die Konzernzentrale in Eschborn durchsucht hat.

Sollte es allerdings stimmen, was der „Spiegel“ jetzt schreibt, dann muss Kengeter zurücktreten. Denn dem Magazin zufolge soll er die Regierung schon im November 2015 über Fusionspläne mit der Londoner Börse informiert haben. Und zwar soll er im Bundeskanzleramt mit Lars-Hendrik Röller, dem Wirtschaftsberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, über eine mögliche Fusion mit der London Stock Exchange (LSE) gesprochen haben. Er hat dort offenbar vorgefühlt, ob die Bundesregierung etwas gegen einen Zusammenschluss mit der Börse London hätte. Kengeter soll dort laut „Spiegel“ gesagt haben, dass man sich mit der LSE „im Grundsatz einig“ sei. Allerdings werde die britische Regierung nur zustimmen, wenn der Sitz der fusionierten Börse in London angesiedelt werde. Röller soll demnach signalisiert haben, dass man dem Deal wohlwollend gegenüberstehe, wenn das Finanzministerium mit einem Sitz in London leben könne. Ein Regierungssprecher sagte dem Spiegel dazu, der Berater der Bundeskanzlerin führe „zahlreiche Gespräche mit Wirtschaftsvertretern. Zu einzelnen konkreten Terminen wird aber grundsätzlich keine Auskunft gegeben".

Pikant: Kurz darauf, am 14. Dezember 2015, kaufte Kengeter dann Aktien der Deutschen Börse. Wert: 4,5 Millionen Euro. Fest steht: Aktien im gleichen Wert schenkte ihm die Börse zum Dank obendrauf.
Ein Sprecher der Deutschen Börse wollte die Meldung nicht kommentieren, verwies aber auf die bisherige Darstellung, dass man sich erst in der zweiten Januarhälfte 2016 gemeinsam mit der Börse London darauf verständigt habe, Verhandlungen über eine Fusion zwischen LSE und Deutscher Börse zu beginnen.

Es wird für Kengeter so oder so eng

Unabhängig von dem möglichen Vorsprechen im Kanzleramt – es wird eng für Kengeter. Denn die Staatsanwaltschaft prüft nun auch, ob die Börse ihre Ad-hoc-Meldung zur Fusion am 23. Februar 2016 rechtzeitig veröffentlicht hat. Mit solchen Meldungen müssen Unternehmen kursbewegende Nachrichten sofort vermelden. Im Kern geht es bei der Pflicht, etwas ad-hoc zu melden, auch um Insiderinformationen. Hat ein Unternehmen eine solche Insiderinformation, die den Kurs stark bewegen kann, muss es sie veröffentlichen. Alle Anleger sollen die gleichen Informationen haben – das soll Insiderhandel unterbinden. Veröffentlicht der Vorstand Insiderinformationen zu spät, drohen ihm Ermittlungen wegen des Verdachts auf Marktmanipulation.

Börsenchef Kengeter in Schwierigkeiten

Noch mal der Reihe nach: Im November 2015 soll Kengeter beim Kanzleramt vorgefühlt haben. Im Dezember 2015 hat er Aktien gekauft, im Januar 2016 hat seine Börse dann offiziell Gespräche aufgenommen und im Februar 2016 kam nach einem Informationsleck das Eingeständnis per ad-hoc: Ja, es gibt Verhandlungen mit London.

Es droht noch ein Verfahren wegen des Verdachts auf Marktmanipulation

Dass die Staatsanwaltschaft auch ein Verfahren wegen Marktmanipulation gegen Kengeter (und im schlimmsten Fall den gesamten damaligen Vorstand eröffnet), wäre daher plausibel. Denn die Behörde hat selbst schon mitgeteilt, dass man bei der Börse schon seit Sommer 2015 in Gesprächen über eine Fusion mit London gewesen sei. Die Fahnder werten die „bis dato nicht veröffentlichten Vertragsgespräche“ als geheime Insiderinformation und verfolgen Kengeter daher nun wegen seiner Aktienkäufe im Dezember. Und Dezember 2015 liegt im Kalender vor Februar 2016.

Ein Börsenkonzern, der von seiner Aufsicht in Wiesbaden die Erlaubnis bekommen hat, öffentlich-rechtliche Börsen zu betreiben, kann sich so einen Chef nicht erlauben. Zumal Kengeter Chef der fusionierten Superbörse werden soll. Möchte er mit seinem Rücktritt warten, bis feststeht, ob er angeklagt wird? Oder würde er erst gehen, wenn er verurteilt ist?

Was Kengeter nicht unterschätzen darf: Die Deutsche Börse ist kein normales Unternehmen, in dem man lange auf die Unschuldsvermutung pochen kann. Sie hat einen öffentlich-rechtlichen Kern und sie ist hochpolitisch. Und alle Beschäftigten in einem Unternehmen, das faktisch den Kapitalmarkt verkörpert, sollten dessen Regeln besonders streng auslegen – zuvorderst aber deren Chef. Der darf nicht nur nicht gegen Gesetze verstoßen, sondern sollte sich auch aus jeder rechtlichen Grauzone raushalten. Kengeter sollte den Weg daher frei machen - und sein Aufsichtsratschef Joachim Faber, der das Aktienpaket für ihn schnürte, am besten gleich mit.

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