An Ihre Majestät
Herrn
Friedrich II. von Hohenzollern
König von Preußen a.D.
- gruftlagernd -
Maulbeerallee
14469 Potsdam
Sehr geehrter Herr von Hohenzollern,
durchlauchtigster König,
lieber "Alter Fritz",
in einer Woche jährt sich der Tag Ihres Wiegenfestes zum dreihundertsten Mal. Und auch, wenn es heißt, man solle einem Geburtstagskind nicht vorab gratulieren, weil das Unglück bringe, so möchte ich doch bereits heute meine herzlichsten Glückwünsche anlässlich des Ehrentages Ihrer Majestät übermitteln.
Denn welches Unglück könnte Ihnen, Euer Hoheit, noch zustoßen? Schließlich ruhen Sie schon seit vielen Jahren in jener steinernen Gruft im Garten von Schloss "Sans, souci", in der Sie auf eigenen Wunsch hin beigesetzt wurden - wenn auch mit einiger Verspätung.
Wie viel schlimmer könnte es außerdem auch noch kommen als an jenem 6. November 1730, als Ihrem Freund Hans-Hermann von Katte auf Befehl Ihres in Fragen der Kindererziehung etwas unbeholfen agierenden Vaters, König Friedrich Wilhelm I., vor Ihren Augen der Kopf abgeschlagen wurde?
Dabei hatte Katte doch nur versucht, Ihnen den Weg zur Selbstverwirklichung zu ebnen, indem er Ihnen zur Flucht aus dem heimischen Martyrium verhalf. Schade, dass Katharina Saalfrank damals noch nicht geboren war. Als "Super-Nanny" hätte Sie mit Ihrem Vater gewiss ein ernstes Wort geredet.
Und wer weiß, was dann aus Ihnen, dem doch im Grunde so philosophisch interessierten und musisch begabten Menschen, geworden wäre? Sicherlich kein vereinsamter Zyniker, der seine Soldaten als König mit dem Ruf "Ihr verfluchten Racker, wollt ihr denn ewig leben?" in die Schlacht von Kolin trieb. Und in viele andere.
Europas Wohlstand ist in Gefahr
Es dürfte Eure Majestät interessieren, was aus Preußen, dem Land, dem Sie in so vielen Schlachten einen festen Platz unter den europäischen Großmächten zu sichern versucht haben, und den Hohenzollern, dem Adelsgeschlecht, dem Sie entstammen, geworden ist.
Die schlechten Nachrichten deshalb gleich vorne weg: Zwar herrschten die Hohenzollern seit der Reichsgründung 1871 sogar als Kaiser über ganz Deutschland, doch musste einer Ihrer Nachfahren, Wilhelm II., nach einem verlorenen Krieg abdanken.
Auch das Land Preußen gibt es nicht mehr: Ein Gefreiter des ersten Weltkrieges stürzte ganz Europa wenige Jahre nach der Abdankung des Kaisers ins Unglück und in Folge des darauf entbrannten zweiten Weltkrieges, den Deutschland glücklicherweise verlor, lösten die alliierten Siegermächte das Land Preußen, das sie von jeher als "Träger des Militarismus und der Reaktion" angesehen hatten, einfach auf.