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Weiterer Aufwind für Aktien?

Mark Haefele Quelle: PR
Mark Haefele Global Chief Investment Officer, UBS Global Wealth Management Zur Kolumnen-Übersicht: Geldanlage global

Sehr rasch haben sich die Aktien wieder von der Covid-19-Pandemie erholt. Der deutsche Aktienindex Dax ist seit seinem Tiefpunkt im März schon um rund 30 Prozent gestiegen. Die maßgeblichen Aktienindizes sind gemessen an einigen Kennzahlen optimistisch bewertet. Ist es schon zu spät zum Einsteigen?

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Trotz der Ungewissheit über das Virus und die wirtschaftliche Erholung sind Aktien heute teurer bewertet als ihr langfristiger Durchschnitt. Der Dax beispielsweise notiert derzeit bei 14,9x basierend auf den Gewinnschätzungen für die nächsten zwölf Monate, verglichen mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 13,3x im 20-jährigen Durchschnitt. Der S&P 500 und der Euro Stoxx 50 werden ebenfalls über ihrem langjährigen Durchschnitt basierend auf der Gewinnschätzung für die kommenden zwölf Monate gehandelt. Angesichts der derzeit düsteren wirtschaftlichen Lage fragen sich viele Anleger, wie ein weiteres Aufwärtspotenzial für Aktien möglich sein könnte.

Damit die Märkte einen erneuten „Aufwind“ erleben könnten, müssten die Anleger unserer Meinung nach zuversichtlicher werden, dass eine zweite „Welle“ nicht zu erneuten Lockdowns führen wird. Wo könnte diese Zuversicht herkommen? Ein Bereich sind die derzeitigen Entwicklungen in der Pharmaindustrie. Einer der bedeutendsten war die Ankündigung des US-Biotechnologieunternehmens Moderna, da sein experimenteller Covid-19 Impfstoff erste Anzeichen der Wirksamkeit aufwies. Dies folgte auf positive Meldungen zu Virostatika sowie Remdesivir. Beruhigend für Anleger können auch Faktoren sein, die sie nicht sofort sichtbar sind.  Bisher kam es zu keinem bedeutenden Anstieg der Infektionen in Ländern und US-Bundesstaaten, die die Ausgangssperren gelockert oder aufgehoben haben – wie Österreich und Deutschland bzw. die US-Bundesstaaten Georgia, Pennsylvania und Massachusetts. Im US-Bundesstaat Georgia sind die Hospitalisierungsraten in den letzten zwei Wochen um über ein Drittel zurückgegangen, obwohl dort Ende April die Wiedereröffnung der Wirtschaft angekurbelt wurde.

Wenn es zu einem Szenario kommt, in dem die Krankenhauseinweisungen in den kommenden Wochen nicht erheblich ansteigen, besteht in konjunktursensiblen Bereichen des Marktes, die niedrig bewertet sind und während der Coronavirus-Krise zurückgefallen sind, reichlich Spielraum für eine allmähliche Outperformance:

Ausgewählte Zykliker. Die Coronavirus-Krise hat zyklische und kleinere Unternehmen hart getroffen. Bei den besonders konjunktursensiblen Firmen ist die Rentabilität massiv zurückgegangen und die Schätzungen für die Gewinne je Aktie wurden stark gesenkt.

In Europa zählen Industriewerte aus Deutschland und der Eurozone zu unseren bevorzugten zyklischen Bereichen für eine Ausrichtung auf einen Aufschwung. Außerdem achten wir auf „Wachstumsnachzügler“, die im letzten Jahr hinter der Benchmark zurückgeblieben sind, aber im kommenden Jahr ein kräftiges Gewinnwachstum erzielen könnten. Bei US-Aktien erkennen wir Chancen bei Mid Caps gegenüber Large Caps. Mid Caps sind in diesem Jahr um 7 Prozent hinter Large Caps zurückgeblieben, da Large Caps stärker vom Trend zum „Zuhausebleiben“ profitierten. Wenn die Wirtschaft wieder geöffnet wird, könnten die Gewinne von Mid Caps verlorenen Boden aufholen, was eine Outperformance des Segments zur Folge haben könnte.

Ausgewählte Substanzwerte. Die Outperformance von Wachstums- gegenüber Substanzwerten in den letzten Jahren wurde durch geringe Inflationserwartungen und niedrige Renditen von Anleihen untermauert. In diesem Jahr beschleunigte sich dieser Trend aufgrund der sinkenden Zinssätze. Sollte sich das Wirtschaftswachstum schneller beschleunigen als vom Markt derzeit erwartet, während der kurzfristige disinflationäre Effekt der Lockdown-Maßnahmen nachlässt, dürfte der Abwärtsdruck auf die Renditen und Energiepreise zurückgehen. Dies könnte wiederum eine Erholung von Substanz- gegenüber Wachstumswerten unterstützen.

In dieser Hinsicht gefällt uns insbesondere der britische Markt, wo Substanzwerte ein höheres Gewicht haben: 40 Prozent des Index entfallen auf Rohstoff-, Energie- und Finanzunternehmen, die im MSCI EMU nur 25 Prozent ausmachen. In den USA nehmen Energieaktien offenbar Ölpreise vorweg, die deutlich unter unseren langfristig normalisierten Ölpreiserwartungen liegen. Es könnte allerdings einige Zeit dauern, bis an den Ölmärkten wieder ausgeglichenere Verhältnisse herrschen und das Aufwärtspotenzial für Energieaktien freigesetzt wird. In Asien halten wir Nachzügler unter den Substanzwerten ebenfalls für attraktiv. Das gilt insbesondere für einige Versicherungen, Banken und Holdinggesellschaften.



Nachhaltiges Investieren. Ein weiterer Bereich, der sich während der Krise sogar überdurchschnittlich entwickelt hat und bei dem wir eine Fortsetzung der guten Entwicklung erwarten, sind nachhaltige Anlagen. Für die Zukunft erwarten wir, dass die Anleger verstärkt auf die finanziellen Risiken der CO2-Wende für energieintensive Sektoren achten, während Konsumenten und Unternehmen der „sozialen“ Komponente von ESG (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) größere Bedeutung beimessen dürften. Zusammen mit dem anhaltenden politischen und regulatorischen Druck dürfte dies nachhaltige Anlagen weiter unterstützen.

Ein positives Szenario für die Pandemie ist nicht gewiss, macht inzwischen jedoch einen wahrscheinlicheren Eindruck. Da die Märkte aber insgesamt teuer bewertet sind, müssen Anleger, die auf eine bessere Performance im Aufschwung setzen möchten, unbedingt selektiv vorgehen.

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