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Investition: Was den Aktienkurs wirklich antreibt Quelle: imago images

Was den Aktienkurs wirklich antreibt

Thorsten Polleit
Thorsten Polleit Chefvolkswirt der Degussa

Langfristig gesehen wird der Aktienkurs durch die Eigenkapitalrendite und den Eigenkapitalaufbau durch Gewinneinbehaltung bestimmt. Diese Erkenntnis sollten Anleger bei ihren Investmententscheidungen vor Augen haben.

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Hand auf Herz: Wissen Sie, was den Aktienkurs in der langen Frist treibt? Kurzfristig gesehen lässt sich die häufig wechselnde Gemüts- und Stimmungslage der Börsianer, die die Kurse in die eine oder andere Richtung treibt, als Erklärung anführen. Aber langfristig? Wer genauer über diese für jeden Investor wichtigen Fragen nachdenkt, wird bemerken, dass eine Antwort gar nicht so einfach ist, wie man zunächst vielleicht meinen könnte. Doch ihr kommt man mit einer einfachen Beispielrechnung und einigem Nachdenken auf die Spur.

Nehmen wir an, wir gründen eine Firma und geben 100 Aktien zu 1 Euro aus. Die 100 Euro werden zur Investitionsrendite von 15 Prozent pro Jahr angelegt (siehe die nachstehende Tabelle, Zeile 1). Der Gewinn am Jahresende beträgt 15 Euro, und der Gewinn pro Aktie 0,15 Euro. Letzterer steht für die Eigenkapitalrendite in Höhe von 15 Prozent, so dass die Aktie der Firma am Jahresende 1,15 Euro pro Aktie wert ist. Die Eigenkapitalrendite bestimmt also den Wertzuwachs der Unternehmensaktie.

Die Eigenkapitalrendite ist abhängig von einer Reihe von Faktoren. Steigt die Investitionsrendite von 15 auf 25 Prozent, wächst der Gewinn pro Aktie auf 0,25, die Eigenkapitalrendite auf 25 Prozent (Zeile 2). Die Investitionsrendite hat also – wenig überraschend – einen durchschlagenden Effekt auf die Eigenkapitalrendite: Firmen, die eine dauerhaft hohe Investitionsrendite erzielen, sind in einer ausgezeichneten Ausgangsposition, sich langfristig als besonders attraktive Investments zu erweisen.

Eigenkapitalrendite und Buchwert der Aktie
Nr.Eigen-
kapital (EK),
in Euro
Fremd-
kapital (FK),
in Euro
Investitions-
rendite,
in Prozent
Fremd-
kapital-
zins,
in Prozent
Gewinn,
in Euro
Gewinn
pro Aktie
EK-
Rendite,
in Prozent
Buch-
wert der Aktie
am Jahres-
ende
1100015515,00,1515,01,15
2100025525,00,2525,01,25
31005025535,00,3535,01,35
41005005-2,5-2,5-2,50,98
Eigene Berechnungen. Die Beispiele sind getrennt zu lesen, sie bauen nicht aufeinander auf.
Der Effekt von Ausschüttungen wird nicht betrachtet.
Die kursiven Felder zeigen die veränderte Annahme gegenüber dem voranstehenden Beispiel.

Die Eigenkapitalrendite hängt auch davon ab, wie sich das Unternehmen finanziert. Nehmen wir an, die Firma nimmt einen Kredit auf in Höhe von 50 Euro mit einem Zins von 5 Prozent pro Jahr (Zeile 3). So lassen sich 150 Euro zu 25 Prozent investieren. Nach Abzug der Kreditkosten beträgt der Gewinn pro Aktie 0,35 Euro, die Eigenkapitalrendite 35 Prozent. Die Kreditaufnahme hat die Eigenkapitalrendite folglich erhöht – weil der Kreditbetrag, auf den 5 Prozent zu zahlen ist, zu einer Rendite von 25 Prozent investiert werden konnte.

Wenn die Investitionsrendite höher ist als der Kreditzins, lässt sich die Eigenkapitalrendite der Firma durch steigende Verschuldung weiter in die Höhe treiben. Allerdings macht das die Firma auch verwundbar. Wenn ihre Investitionsrendite absinkt, schwinden die Gewinne, mit denen die Kreditzinsen bezahlt werden können. Das kann das Eigenkapital der Firma verringern (Zeile 4), es kann auch zu einer Existenz gefährdenden Situation führen; gleiches gilt, wenn die Kreditzinsen unerwartet stark steigen.

Für den Wert der Firma ist die Entwicklung des Eigenkapitalbestands bedeutsam. Um im Beispiel aus Zeile 1 zu bleiben: Beträgt das Eigenkapital am Jahresanfang 100 Euro, liegt der Buchwert der Aktie bei einer Investitionsrendite von 15 Prozent am Jahresende bei 1,15 Euro. Nehmen wir an, das Unternehmen schüttet am Jahresende den Gewinn von 0,15 Euro pro Aktie aus. Der Buchwert fällt dann zurück auf 1,00 Euro pro Aktie, um dann innerhalb der kommenden zwölf Monate wieder auf 1,15 zu steigen.

Das Unternehmen baut hier kein Eigenkapital auf, und folglich schraubt sich der Firmenwert beziehungsweise der Aktienkurs auch nicht im Zeitablauf systematisch in die Höhe. Die Erklärung dafür: Schüttet die Firma Gewinne aus, reduziert das die Wirkung des Zins- und Zinseszinseffektes, der bei Einbehaltung und Reinvestition der Gewinne in das Unternehmen erzielbar wäre. Eine Gewinnausschüttung mag zwar den einen oder anderen Aktionär erfreuen, aber es führt dazu, dass der Unternehmenswert weniger stark über die Zeit steigt, als er steigen könnte.

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