Rohstoffe Wann kommt das Ende des Öl-Zeitalters?

In Zeiten des Klimawandels sind fossile Brennstoffe nicht besonders sexy, Elektroautos und sparsamer Ressourcen-Umgang hingegen schon. Manch einer sieht den Zenit erreicht. Die Öl-Branche müht sich ab, sich anzupassen.

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Die Vergangenheit holt die Ölmultis immer wieder ein: Sie sind und bleiben Spezialisten für Öl und Gas, nicht aber für Windkraft und Solaranlagen. Quelle: dpa

London Die Debatte ist so alt wie die Ölindustrie selbst: Die Rede ist von „Peak Oil“ – dem Gipfel des Ölzeitalters. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts, als in Amerika der erste Öl-Boom in Pennsylvania ausbrach, wurde heiß darüber diskutiert, wann denn der Höhepunkt der Förderung erreicht sei. Auch bei der Oil & Money-Konferenz in London, einem der wichtigsten Gipfeltreffen der Branche, war es in dieser Woche eines der großen Themen. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: Während bislang meist darüber gestritten wurde, wann die Öllager der Welt wohl endgültig ausgebeutet sind, wird heute debattiert, wann die Nachfrage ihren Zenit überschreitet.

Ian Taylor, der Chef des Rohstoffhändlers Vitol, kann sich gut vorstellen, dass es schon 2028 soweit sein wird. Mit seiner Prognose erntet er bei seinen Kollegen reichlich Kritik. Alex Beard, der beim Schweizer Rohstoffhändler Glencore das Ölgeschäft verantwortet, entgegnet nüchtern: „Das Ende des Ölzeitalters wurde schon oft herbeigeredet. Bis heute haben sich die Prognosen noch nie erfüllt“. Auch das Ölkartell, die Organisation erdölexportierender Staaten (Opec), sieht keinen Handlungsbedarf. Die Opec rechnet bis 2040 mit einer immer weiter steigenden Nachfrage.

Taylor aber ist sicher: Nicht nur die Produzenten, auch die Rohstoffhändler müssen lernen, sich der Energiewelt der Zukunft anzupassen. Für den Briten, der bereits seit 22 Jahren die Geschicke von Vitol lenkt, steht sein Lebenswerk auf dem Spiel. Unter seiner Führung ist das Unternehmen zum heute größten Ölhändler aufgestiegen und kommt auf einen Anteil von sieben Prozent am weltweit gehandelten Öl. Um sich für die Zukunft zu rüsten, will er künftig den Anteil von Gas erhöhen und global mit Strom handeln – mithilfe von Batterien.

In Zeiten des Klimawandels gelten fossile Brennstoffe wie Kohle und Öl als Dreckschleudern. Ihr Abbau steht im Verruf, nicht zuletzt jener mit hässlichem Naturraubbau wie die Ölsande in Kanada oder jene mit umstrittenen Folgen für die Natur und Grundwasser wie die Schieferölförderung in Nordamerika. Die französische Bank BNP Paribas zieht bereits als erste Großbank die Konsequenzen: Sie will künftig keine Geschäfte mehr mit Unternehmen unterhalten, deren Kerngeschäft in der Schieferöl- und Schiefergasindustrie sowie den Teersanden angesiedelt ist. Zur Begründung nannten die Franzosen, damit die Klimaziele von Paris und den Umbau der Energiewirtschaft unterstützen zu wollen.

Das klingt so, als sei die Ölindustrie auf dem Weg in die Geschichtsbücher. Die Ölmultis nehmen dies ebenfalls wahr und reagieren. Einige von ihnen setzen auf Erneuerbare Energien. Beispiel Shell: Der niederländische Ölkonzern kaufte vor wenigen Tagen mit NewMotion einen Anbieter von Ladestationen für Elektroautos. Neben Benzin und Diesel vertreibt Shell künftig also auch den Treibstoff für die Elektrofahrzeuge.

Im Gesamtbild aber bleiben Zukäufe wie dieser ein kleiner Teil im großen Geschäft. Bis 2020 möchte Shell seine Investitionen in neue Energieformen auf eine Milliarde Euro im jährlichen Budget erhöhen. Das klingt erst einmal nach viel Geld. Gemessen am Gesamt-Investitionsbudget von 25 bis 30 Milliarden Dollar bleibt der Betrag aber überschaubar.


Hoffnung auf anziehendes Gas-Geschäft

Die Norweger von Statoil gehen da deutlich offensiver vor. „Bis 2030 wollen wir ein Fünftel unseres Investitionsbudgets in Erneuerbare stecken“, erklärt Statoil-Chef Eldar Sætre. In dieser Woche hat Statoil den ersten schwimmenden Offshore-Windpark vor der Küste von Schottland in Betrieb genommen. Er soll 20.000 Haushalte mit Strom versorgen.

Neben Statoil ist BP ein Ölkonzern, der zuletzt stark auf neue Energieformen setzte. „Wir denken über Öl hinaus“, erläutert BP-Chef Dudley. Dennoch will er künftig bei den Investitionen in Erneuerbare kürzer treten und weniger Projekte fördern, dafür aber gezielter ausbauen. Das hat seine Gründe: Das Geschäft mit den Erneuerbaren hat den Briten Verluste beschert. 2011 mussten sie beispielsweise ihr Solargeschäft abschreiben.

Wenig erfolgreich waren auch die Niederländer von Shell. „Wir waren einer der ersten großen Ölkonzerne, die sich in das Solargeschäft gewagt haben. Am Ende mussten wir aber feststellen, dass wir damit kein Geld verdienen“, räumte Shell-Chef Ben van Beurden vor wenigen Tagen in einem Interview mit der Financial Times ein.

Die Vergangenheit holt die Ölmultis immer wieder ein: Sie sind und bleiben Spezialisten für Öl und Gas, nicht aber für Windkraft und Solaranlagen. Wahrscheinlich deshalb will sich Patrick Pouyanné, der Chef des französischen Staatskonzerns Total, derart kostspielige Experimente möglichst sparen. Zwar investieren auch die Franzosen kleinere Beträge in erneuerbare Energien. Auf absehbare Zeit aber will er den fossilen Energieträgern treubleiben. Statt Öl will er künftig in immer größerem Stil auf Gas setzen. Das gilt als sauberster fossiler Brennstoff und stößt nur etwa die Hälfte der Menge an Kohlendioxid aus wie Kohle. Die Branche rechnet künftig mit einem viel größeren Gasverbrauch als heute.

„Wir werden heute als Industrie der Vergangenheit angesehen“, sagt Pouyanné. „Dabei ist das Gegenteil der Fall: Wir sind eine Branche der Zukunft.“ Die entscheidende Frage sei doch, welcher Rohstoff Öl oder Kohle bei der Stromerzeugung ersetze. Schließlich müsse auch die Elektrizität für Elektroautos irgendwo herkommen. Eine abrupte Wende hin zu Erneuerbaren sei nicht umsetzbar. Wenn es nach Pouyanné geht, könnte ein Großteil der Elektrizität in Gaskraftwerken erzeugt werden. Öl bräuchte es dafür freilich aber auch nicht.

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