Tool der Woche – Leerverkäufe Von sinkenden Aktienkursen profitieren

Zwei Geldhäuser, ein Modeunternehmen und ein Windturbinenproduzent sind in den Fokus von Leerverkäufern gerückt. Anleger können mit sinkenden Aktienkursen Kasse machen – doch dafür brauchen sie den richtigen Riecher.

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Nicht nur mit steigenden Aktienkursen können Investoren Geld verdienen. Quelle: dpa

Frankfurt „Es war kein einziger Leerverkäufer dabei“, sagte Warren Buffett kürzlich bezogen auf eine Liste mit den reichsten US-Amerikanern der vergangenen 35 Jahre. Die Mahnung des Starinvestors an seine Zuhörer war unmissverständlich: Dauerhaft erfolgreich sind an der Wall Street nur Optimisten – nicht Baisse-Spekulanten. Der intakte langfristige Aufwärtstrend an den Börsen und auch die jüngsten Rekordstände bei Dow Jones, Dax & Co. untermauern Buffetts Zuversicht.

Vor allem professionelle Anleger hält das aber nicht davon ab, auch mit Wetten auf fallende Notierungen Geld zu verdienen – selbst wenn dies moralisch umstritten ist. Es sind meist Hedgefonds und andere institutionelle Akteure, die mit sogenannten Leerverkäufen versuchen, Kursverluste in Depotgewinne umzumünzen. Hinweise auf solche Spekulationen sind auch für Privatanleger interessant. Sei es als frühes Warnsignal für eigene Depotpositionen – oder, um sich den Abwärtswetten der Profis anzuschließen und ebenfalls davon zu profitieren.

Am deutschen Aktienmarkt stehen derzeit im Fokus von Leerverkäufern vor allem zwei Finanzhäuser, ein Modeunternehmen und ein Windturbinenproduzent. Das geht aus einem Leerverkaufs-Tool hervor, das Handelsblatt-Lesern zur Verfügung steht.

Die Online-Anwendung zeigt alle Leerverkäufe von Investoren („Positionsinhaber“), die mehr als 0,5 Prozent der ausstehenden Aktien eines Unternehmens („Aktiengesellschaft“) ausmachen und im „Bundesanzeiger“ veröffentlicht werden. Hintergrund: Die Namen der dieser Spekulanten sind bekannt. Denn in der EU müssen Investoren den Regulierern melden, wenn sie mehr als 0,2 Prozent des Aktienvolumens eines Unternehmens für Leerverkäufe halten. Überschreitet die Order 0,5 Prozent des Volumens, wird dies publik gemacht – in Deutschland ist das dann dem „Bundesanzeiger“ zu entnehmen.

Ihre Wetten auf sinkende Kurse ausgebaut haben Investoren laut Handelsblatt-Tool zuletzt etwa bei den Aktien der Deutschen Bank und auch bei denen der Commerzbank, die jeweils im hiesigen Leitindex Dax enthalten sind: Bei der Deutschen Bank bestehen momentan veröffentlichte Netto-Leerverkaufspositionen in Höhe von 1,3 Prozent der ausgegebenen Aktien. Bei der Commerzbank liegt der entsprechende Anteil bei 0,8 Prozent. Der jeweilige Nettowert ergibt sich durch die eröffnete Leerverkaufsposition eines Investors abzüglich eventuell vorhandener Wertpapierbestände, die von steigenden Kurse der zugrundeliegenden Aktie profitieren.

Während die Anteilseigner eines börsengelisteten Unternehmens bei fallenden Aktienkursen Verluste verkraften müssen, erzielen Leerverkäufer aus solchen Aktionen hohe Gewinne. Deren Vorgehensweise: Sie leihen sich bei anderen Marktteilnehmern – vor allem bei Fonds – Dividendenpapiere, um diese sofort wieder zu verkaufen. Sinkt der Aktienkurs wie geplant, können die im Fachjargon auch als „Shortseller“ bezeichneten Investoren die Titel später zu einem verbilligten Kurs zurückkaufen und dem Verleiher zurückgeben. Die Differenz zwischen dem Verkaufs- und dem gesunkenen Rückkaufskurs streichen die Leerverkäufer als Profit ein. Der Verleiher erhält eine Leihgebühr.

In die Berechnungen für die Netto-Leerverkaufspositionen fließen alle Wertpapiere ein, die von der Preisentwicklung der betrachteten Aktie abhängen. Also etwa auch Optionen oder sogenannte CFDs, mit denen ebenfalls auf Kursbewegungen in beide Richtungen spekuliert werden kann.

Bei der Deutschen Bank und der Commerzbank erwarten derzeit offensichtlich nicht nur Leerverkäufer, dass den beiden Aktien demnächst die Luft ausgeht: Von allen Analysten, die momentan beide Bank-Titel unter Beobachtung haben, spricht jeweils nur eine Minderheit eine Kaufempfehlung aus. Das geht hervor aus Daten des Informationsdienstleisters Bloomberg. Nur 17 Prozent der Experten raten Anlegern, in die Dividendenpiere der Deutschen Bank zu investieren.

Auf Sicht von zwölf Monaten rechnen die Fachleute im Mittel mit einem unter dem Strich stagnierenden Aktienkurs. Bei der Commerzbank sprechen sich mehr als drei Viertel der Analysten dafür aus, die Aktie zu verkaufen oder bestenfalls vorhandene Bestände zu halten. Binnen Jahresfrist prognostizieren sie im Schnitt einen neunprozentigen Wertverlust der Anteilsscheine. Zuletzt hat beispielsweise die Nord LB ihre Verkaufsempfehlung für die Aktien der Commerzbank bekräftigt und das Kursziel bei 8,50 Euro belassen. Bezogen auf die aktuelle Notierung wäre das ein Abwärtspotenzial von mehr als einem Viertel.


Ein Modekonzern im Fokus von Leerverkäufern

Neben den Aktien der beiden größten deutschen Geldhäuser weisen auch die Anteilsscheine des Modekonzerns Hugo Boss und die des Windturbinenbauers Nordex steigende Leerverkaufsaktivitäten auf. Auch hier könnte das Handelsblatt-Tool mögliche Abwärtsrisiken signalisieren.

Bei Hugo Boss hat der Londoner Hedgefonds Ena Investment Capital sein Engagement Ende vergangener Woche deutlich aufgestockt und hält nun Netto-Leerverkaufspositionen im Umfang von 2,9 Prozent aller Aktien. Kumuliert über alle Leerverkäufer existieren hier veröffentlichte Positionen in Höhe von 5,7 Prozent der ausgegebenen Anteilsscheine.

Glaubt man Analysten, dann stehen die Chancen nicht schlecht, dass die Abwärtsspekulationen mit den Titeln des MDax-Konzerns aufgehen: Für drei Viertel von ihnen sind Hugo-Boss Papiere derzeit kein Kauf. Auf Sicht von zwölf Monaten prognostizieren die Fachleute laut Bloomberg im Schnitt einen um rund sechs Prozent sinkenden Aktienkurs.

„Der Modekonzern hat Probleme, die markt-, nicht markenbedingt sind“, warnt etwa Analystin Louise Singlehurst von der US-Investmentbank Morgan Stanley. Im Bekleidungsbereich gebe es die niedrigsten Wachstumsraten. Zudem könnten die nötigen Investitionen, um Boss wieder auf Wachstumskurs zu bringen, letztlich höher ausfallen als gedacht.

Eingeschossen haben sich Abwärtsspekulanten zudem auf die Aktien des Windturbinenherstellers Nordex. Obwohl die Titel seit Anfang 2016 bereits mehr als 70 Prozent ihres Wertes eingebüßt haben, erwarten beispielsweise die Vermögensverwalter der US-Investmentbank JP Morgan noch tiefer sinkende Kurse: Sie haben ihre Netto-Leerverkaufspositionen Ende vergangener Woche um rund ein Zehntel erhöht, auf fast ein Prozent der ausstehenden Nordex-Aktien. Insgesamt haben die Investoren hier inzwischen Netto-Leerverkaufspositionen in Höhe von satten 9,3 Prozent der ausgegebenen Aktien angehäuft. Dabei liegen der Auswertung Einträge von insgesamt 28 Investoren zur Aktie von Nordex vor.

Mit dem Leerverkaufs-Tool ist es nicht nur möglich, sich laufend Überblick über die entsprechenden Spekulationen der Großinvestoren am deutschen Aktienmarkt zu schaffen. Handelsblatt-Leser haben zudem die Möglichkeit, sich auch automatisch per E-Mail benachrichtigen zu lassen, sobald Leerverkaufs-Aktivitäten bei bestimmten Aktien festgestellt werden. Beispielsweise bei jenen, die im eigenen Wertpapierportfolio gehalten werden. Nutzer profitieren dabei von einer hohen Aktualität der Datenbank: Leerverkäufer sind verpflichtet, ihre Nettopositionen um 24 Uhr eines Handelstages zu ermitteln und dann spätestens um 15.30 Uhr des folgenden Handelstags im „Bundesanzeiger“ publizieren zu lassen. Zwischen der Aufnahme in die Datenbank und der Veröffentlichung im Leerverkaufs-Tool können in der Regel nur Verzögerungen von wenigen Minuten auftreten.

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