Verkehrte Finanzwelt
Ein stabiler US-Dollar-Renminbi-Wechselkurs wäre teuer für alle Quelle: REUTERS

Warum ein stabiler Dollar-Renminbi-Wechselkurs uns alle teuer käme

Beim G20-Gipfel in Buenos Aires haben die USA den US-Dollar/Renminbi-Wechselkurs zum Hauptthema der Verhandlungen mit China gemacht. Diesen Kurs dauerhaft stabil zu halten, hätte einen hohen Preis – für beide Seiten.

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Die Zeichen zwischen den beiden Großmächten USA und China stehen auf Sturm. Seit März 2018 haben die Amerikaner schrittweise Strafzölle auf verschiedene chinesische Exportgüter erhoben, die Volksrepublik zog nach. Zwar scheint beim G-20 Gipfel ein 90-tägiger Waffenstillstand vereinbart worden zu sein, um weitere Verhandlungen zu ermöglichen, aber die bilateralen Beziehungen sind definitiv in eine neue Phase eingetreten. Dabei waren beide Länder bisher über viele Jahre wirtschaftlich eng verbunden:

Der Zufluss von Kapital nach China hätte während der vergangenen Boomjahre die chinesische Währung Renminbi (RMB) massiv aufgewertet, wenn der Staat nicht regelmäßig durch RMB-Verkäufe und US-Dollar-Käufe (USD) am Devisenmarkt interveniert hätte. Diese Dollars wurden als Reserve für schlechte Zeiten zu einem Großteil in US-Staatsanleihen angelegt. Dadurch bekam China eine weniger starke Währung und die USA eine beständige Finanzierung des öffentlichen Haushaltsdefizits. Gleichzeitig hatte die Ausgabe von mehr RMB einen ähnlichen stimulierenden Effekt auf die chinesische Konjunktur, wie eine klassische Lockerung der Geldpolitik – eine „Win-win-Situation“.

Doch die Zeiten haben sich geändert: In den USA ist ein harter Kurs gegenüber China inzwischen eines der ganz wenigen Themen, das bei der stark polarisierten Wählerschaft noch über beide politischen Lager hinweg gut ankommt. Mit scharfen Tönen hat der amtierende US-Präsident bereits wiederholt die „Währungsmanipulationen“ in China angeprangert. Mit dem zunehmenden Konfrontationskurs haben die beiden Nationen sich in eine Zwickmühle hineinmanövriert.

Denn wo der Renminbi früher aktiv niedrig gehalten werden musste, ist heute eher das Gegenteil der Fall: Die chinesische Realwirtschaft hat sich verändert. Der Inlandskonsum ist gestiegen, es wird mehr importiert. Aktuell stagniert die Konjunktur – ein Trend, der durch die US-Strafzölle weiter verschärft werden dürfte, da sie den Exportmotor treffen. So steuert China einem negativen Leistungsbilanzsaldo entgegen und der RMB droht abzuwerten. Viele China-Beobachter glauben nun, dass die Volksrepublik eine Abwertung sogar forcieren könnte, um die negativen Effekte der Strafzölle auf die Exportwirtschaft abzufedern.

Stabile Wechselkurse wären teuer erkauft

Dabei scheint man aber zu vergessen, dass eine Abwertung aus chinesischer Sicht nicht unkritisch wäre. Schließlich könnte dies das Vertrauen ausländischer und insbesondere inländischer Investoren in die chinesische Volkswirtschaft untergraben und zu erheblichen Kapitalabflüssen führen. Eine Abwertung würde die Situation noch verschlimmern.

Ein stabiler USD/RMB-Wechselkurs wäre also für die USA und China das bevorzugte Szenario. Diese Stabilität müssten beide Staaten allerdings teuer bezahlen: Denn um den RMB gegen eine Abwertung zu stabilisieren, wird China die einst angehäuften USD verkaufen und RMB kaufen müssen. Um dies zu ermöglichen, müssen zuerst die US-Staatsanleihen verkauft werden, in denen die USD angelegt wurden – mit erheblichen Auswirkungen auf die globalen Märkte. Denn China ist der größte ausländischen Gläubiger der USA und hält aktuell über eine Billion US-Dollar in US-Staatsanleihen. Ein massiver Abverkauf würde deren Preise in den Keller purzeln und die US-Kapitalmarktzinsen in die Höhe schnellen lassen. Das wiederum würde die Finanzierbarkeit des überbordenden US-Haushaltsdefizits in Frage stellen.

Werden aus Strafzöllen Sanktionen, droht der Dollar-Ausverkauf

Auch für China wäre dieser Abverkauf schmerzhaft. Mit den sinkenden Preisen würden schließlich auch die in chinesischer Hand verbleibenden US-Staatsanleihen an Wert verlieren. Gleichzeitig müsste China seine Geldpolitik massiv lockern und Konjunkturpakete schnüren, um dem Bremseffekt durch die RMB-Käufe – die der Wirtschaft in Umlauf befindliche RMB entziehen würden – entgegenzutreten. Im Sinne der Schadensbegrenzung hat China daher in jüngster Vergangenheit nur in äußerst „homöopathischen Dosen“ verkauft, wenn es temporär seine Währung stabilisieren musste .

Schlimmer geht immer

Sollte der USA-China Konflikt sich jedoch weiter zuspitzen, könnte das drastischere Szenario eines massiven Abverkaufs der US-Anleihen Realität werden. Denn wenn aus Strafzöllen Sanktionen werden, könnte China sich entschließen, dem Beispiel Russlands zu folgen: In Moskau nahm man zuletzt die amerikanischen Drohungen, die Nutzung von USD für Finanztransaktionen durch Sanktionen zu unterbinden, offenbar ernst.

Um einen damit einhergehenden Totalverlust des in USD-Wertpapieren angelegten Kapitals zu verhindern, verkaufte Russland im April/Mai 2018 auf einen Schlag einen Großteil seines etwa 100 Milliarden U-Dollar starken Engagements in US-Staatsanleihen*. Der Unterschied: Chinas US-Investment ist rund zehn Mal größer. Ein Abverkauf „über Nacht“ würde den US-Markt hart treffen. Auch andere zinssensible Märkte – darunter die europäischen Kapitalmärkte – würden wahrscheinlich in Mitleidenschaft gezogen werden. Andererseits wäre ein solches Szenario aufgrund der damit einhergehenden massiven Lockerung der chinesischen Geldpolitik bei gleichzeitig stabilem Wechselkurs nicht unattraktiv für ein Engagement in chinesischen RMB-Staatsanleihen.

Für uns alle stehen umfassende Veränderungen bevor. Denn weltweite Bemühungen sind im Gange, um sich vom US-Dollar – und den USA – zu emanzipieren. Wie schnell auch die Chinesen diesen Weg gehen und wie groß der daraus entstehende Schaden wird, hängt nicht zuletzt von der US-Politik der kommenden Monate ab.

* Laut US TIC Data reduzierte Russland seine US Treasury Securities Holdings von 96,1 Milliarden USD am 31. März auf 48,7 Milliarden USD per 30. April und auf 14,9 Milliarden USD per 31. Mai 2018.

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