Chinas Bitcoin-Gott Bobby Lee „Der Begriff Blockchain wurde gekidnappt“

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„Das Innovative an Bitcoin war das offene System“

Die Bitcoin-Blockchain ist ein stets öffentliches und dezentrales Register. Das heißt, alle Teilnehmer besitzen eine Kopie des Registers und jeder die gleichen Rechte. Eine Währung wie die Bitcoin-Blockchain nähme Peking die Macht, die Wirtschaft über seine Geld- und Fiskalpolitik zu beeinflussen.

China verfolgt seit Jahren eine aggressive Geldpolitik, um die Wachstumsraten hochzutreiben. Dieses Instrument will sich Peking aber nicht nehmen lassen.

Gleichzeitig herrschen strenge Kapitalausfuhrbestimmungen. Jeder Chinese darf nur 50.000 Dollar pro Jahr aus dem Land transferieren, um Kapitalflucht zu verhindern und den chinesischen Renminbi zu stützen. Bitcoins können Chinesen aber in Renminbi kaufen und im Ausland in eine andere Währung tauschen, so dass Peking den Bitcoin für eine Gefahr für die Stabilität der eigenen Währung sieht.

Deshalb griff Peking auf dem Höhepunkt des Bitcoin-Hypes im vergangenen Jahr durch. Im Frühjahr forderte die chinesische Zentralbank Lee auf, den Handel stärker zu regulieren und Identitätsprüfungen von Neukunden durchzuführen. Betreiber sollten die Daten ihrer Kunden an die Regierung weitergeben. Anfang September verbot Peking zudem Börsengänge digitaler Währungen und dann den Handel von Initial Coin Offerings (ICO), mit denen Firmenanteilen von neu emittierten Kryptowährungen an ihre Anleger verkaufen können. Im September musste Lee den Handel endgültig einstellen.

Aufgegeben hat der Bitcoin-Millionär die Idee der Kryptowährungen nicht. Früher hätten Menschen staatliche Währungen nutzen müssen, weil es keine Alternativen gab, sagt Lee. Die Kryptowährungen sei nun eine solche Alternative, die besonders in einem autokratischen System wie China verführerisch sei. Denn: „Die Regierung kann zu mir nach Hause kommen und mich schütteln, um an mein Gold zu bekommen.“ An seine Bitcoins käme sie aber nicht. Und so lange es noch irgendwo auf der Welt einen Computer gäbe, hätte Peking keine Chance, den Handel gänzlich zu unterbinden.

Sehr viel düsterer wird Lees Gesicht, das sonst von einem breiten Grinsen durchzogen wird, wenn es um „the next big thing“ geht – das nächste große Dinge im Bereich Blockchain. Seit Lee seine Plattform im Frühjahr verkauft hat, drängen in Investoren, was er als Nächstes plane, berichtet er. Seine Antwort sei schlicht: Nichts. Aus seiner Sicht gibt es keinen Nutzen für Blockchain abseits von Kryptowährungen. „Das Innovative an Bitcoin war das offene System“, sagt Lee. Keine Kontrollen, keine Diskriminierung, keine Mitgliedschaft.

Das SWIFT-Netz, Chinas Kreditkartenorganisation Union Pay und die Meilen-Programme von Fluggesellschaften: alles kein Blockchain. Eine Idee, mit denen Investoren häufig zu ihm kämen: Immobilien. „Aber was passiert, wenn ich beispielsweise ein Haus besitze, aber meinen privaten Schlüssel verliere?“, fragt er.

Die Frage ist berechtigt: Immerhin sollen Käufer von drei der 17 Millionen Bitcoins den Zugriff auf ihre Währung verloren haben – weil sie ihre privaten Schlüssel nicht mehr finden können, mit denen man diese verwaltet.

Es bräuchte für Vermögen wie Häuser einen Zentralschlüssel, den beispielsweise eine Behörde verwaltet. Aber was wäre in einem Land, wenn ein politisch Verfolgter sein Haus verkaufen wolle? Lee nennt den Namen eines geschassten Politikers aus Südwestchina, der inzwischen mit seiner Frau im Gefängnis sitzt. Der Name lässt einige der Zuschauer unruhig auf ihren Stühlen herumrutschen. Lee stoppt und schiebt hinterher: „Genau, die Behörde würde anfangen, einzugreifen.“

Für ihn ist der Begriff Blockchain von findigen Geschäftsmännern „gekidnappt“ und missbraucht worden. „Banken und andere Dienstleister müssen ihre Services verbessern”, sagt Lee. Aber mit Blockchain habe das nichts zu tun.

Ob man schon einmal von einem privaten Blockchain-System gehört habe? Genau, das sei nichts mehr als ein hippes Wort für Datenbank. Und die habe IBM in den 1960er Jahren erfunden.

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