Seit Tagen hat sich an den Finanzmärkten ein verheerender Cocktail für den Handel mit Gold zusammengebraut, der am Mittwoch zu einem massiven Preissturz geführt hat: Der Goldpreis war um mehr als vier Prozent auf ein Drei-Jahrestief gefallen. Am Donnerstag erholte sich der Goldpreis zunächst wieder und stieg um rund ein halbes Prozent, nur um dann am Abend wieder abzustürzen: Der Preis für eine Feinunze (31 Gramm) fiel erstmals seit August 2010 unter die Marke von 1200 US-Dollar; im Tief kostete Gold knapp 1198 Dollar. Am frühen Freitagmorgen rutschte die Unze sogar auf 1180,71 Dollar. Im Handelsverlauf berappelte sich der Kurs wieder etwas und lag mit 1204 Dollar 0,4 Prozent im Plus.
Bereits seit April dauert nun die Achterbahnfahrt beim Goldpreis, die trotz zwischenzeitlicher Erholungsschritte unter dem Strich zu einem kräftigen Minus geführt hatten. Laut Daten der Nachrichtenagentur Bloomberg hat der Goldpreis im laufenden Quartal bereits etwa 22 Prozent verloren und damit den stärksten Einbruch innerhalb eines Quartals seit 1920 erlitten. Zumindest seit der Abschaffung goldgedeckter Währungen 1970 (Bretton Woods) ging es nicht mehr in so kurzer Zeit so steil abwärts.
An der Börse macht sich Ernüchterung breit. "Es gibt derzeit zwei Sargnägel für den Goldpreis: Die Aussicht auf ein Auslaufen der ultralockeren Geldpolitik in den USA und die Kursgewinne beim US-Dollar", beschreibt David Lennox, Analyst beim australischen Finanzdienstleister Fat Prophets, die Lage am Goldmarkt. Zuletzt hatte US-Notenbankchef Ben Bernanke mit seinem Plan für einen möglichen Ausstieg aus dem milliardenschweren Anleihekaufprogramm den Preis für das gelbe Edelmetall auf Talfahrt geschickt.
Die wichtigsten Fakten zu Gold
Die gesamte Goldnachfrage im dritten Quartal 2014 betrug 929,3 Tonnen. Damit ist die Nachfrage um 2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (Q3'13: 952,8) gefallen.
Quelle: World Gold Council
Die weltweite Nachfrage nach Schmuck betrug im dritten Quartal 2014 insgesamt 534,2 Tonnen und ist damit um vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr (Q3'13: 556,3) gefallen.
Die Nachfrage des Technologiesektors belief sich im dritten Quartal 2014 auf 97,9 Tonnen und fiel, verglichen mit den 103,1 Tonnen im dritten Quartal 2013, um fünf Prozent.
Die Nachfrage nach Goldbarren und -münzen ist im dritten Quartal 2014 deutlich gesunken – auf 245,6 Tonnen. Ein Minus von 21 Prozent im Vergleich zu 2013 (Q3: 312,3).
Dass die Gesamtnachfrage nach Gold gefallen ist, ist auch auf die Abflüsse aus Gold-EFTs zurückzuführen. Im dritten Quartal 2014 beliefen sich diese auf 41,3 Tonnen. Allerdings ist das deutlich weniger als im Vorjahr. Im dritten Quartlal 2013 betrugen sie noch 120,2 Tonnen.
Die Nettoeinkäufe von Zentralbanken betrugen im dritten Quartal 2014 92,8 Tonnen. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einem Rückgang von neun Prozent (Q3'13: 101,5).
Die Goldnachfrage im Investment belief sich im dritten Quartal 2014 auf 204,4 Tonnen. Das ist eine minimale Steigerung von sechs Prozent, im Vorjahresquartal waren es 192 Tonnen.
Vor allem die Aussicht auf ein Auslaufen der Geldschwemme durch die US-Notenbank (Fed) noch in diesem Jahr treibt institutionelle Investoren scharenweise aus Goldinvestments. "Die jüngsten Signale der Fed haben dem Goldpreis den Wind aus den Segeln genommen", kommentierte Rohstoffexperte Sterling Smith von der Citigroup. Der Preisrutsch seit Mitte vergangener Woche hat dazu geführt, dass die börsennotierten Goldfonds (Gold-ETFs) weiter massive Abflüsse verzeichneten. Die von Bloomberg erfassten Gold-ETFs verzeichneten für die vergangenen Tage mit 23,3 Tonnen den stärksten Tagesrückgang seit Mitte April. Commerzbank-Experte Eugen Weinberg machte in seiner täglichen Betrachtung der Rohstoffmärkte vom Mittwoch deutlich, welche Dimensionen der Ausverkauf am Goldmarkt mittlerweile angenommen hat. Seit Beginn des Jahres haben demnach Anleger Gold in einem Volumen von knapp 565 Tonnen aus Gold-Indexfonds (ETF's) abgezogen. Zum Vergleich: Das sind etwa 30 Tonnen mehr als alle Zentralbanken der Welt laut dem Branchenverband World Gold Council im vergangenen Jahr gekauft haben.
Auf Talfahrt?
Offenbar haben die nachlassenden Sorgen um eine erneute Eskalation der Schuldenkrise sowie ein mögliches Ende des billigen Geldes dazu geführt, dass Gold als sicherer Hafen für Geld und Vermögen weniger nachgefragt wird, obwohl es faktisch - vor allem in der Eurozone - keinen Anlass zur Entwarnung gibt. Die Probleme der hochverschuldeten und von internationaler Finanzhilfe abhängigen Länder bleiben nach wie vor ungelöst, die Risiken der Geldschwemme der Notenbanken bleiben unvermindert. Das sehen auch einige Analysten kritisch. "Wir haben Gold aus zwei Gründen gekauft: Weil wir über die inflationären Auswirkungen der Geldpolitik besorgt waren und weil wir einen Zusammenbrechen des Finanzsystems befürchtet haben", sagte etwa Sean Corrigan, Chef-Investmentstratege bei Diapason Commodities Management. "Und obwohl dies vielleicht eine komplette Fehleinschätzung ist, hat der Markt entschieden, dass keins von beiden derzeit Anlass zur Sorge ist."
Vor allem unerwartet positive Konjunkturnachrichten aus den USA haben Staatsanleihen wieder renditeträchtiger werden lassen und die Wahrscheinlichkeit für einen baldigen Rückzug aus den Staatanleiheaufkäufen der US-Notenbank (Fed) steigen lassen. Sogar eine Erhöhung der Leitzinsen durch die Fed halten die Akteure für zunehmend wahrscheinlich. Investoren schichten daher ihr Goldvermögen zunehmend in andere Anlagen um. Der allmähliche Aufschwung der US-Wirtschaft und steigende Zinsen für US-Staatsanleihen könnten so auch weiterhin den Goldpreis drücken.
Obwohl sich fundamental nichts an den Vorteilen einer Goldanlage im Sinne von Werthaltigkeit und Vermögensversicherung geändert hat, schreiben die Investmentbanken in ihren Goldpreisprognosen diesen Trend fort. Erneut senkte Goldman Sachs seine Preiserwartung für das Edelmetall. Am Ende des laufenden Jahres erwartet Goldman Sachs den Goldpreis demnach nur noch bei 1300 Dollar. Zuvor war die Bank noch von 1435 Dollar ausgegangen. Noch schwärzer sieht die Preisprognose für 2014 aus: Hier senkte Goldman Sachs die Erwartung von 1270 Dollar auf nur noch 1050 Dollar. Anders gesagt, gehen die Goldman-Analysten davon aus, dass der Goldpreis bis zum Jahresende nochmals moderat ansteigt, bevor er im kommenden Jahr seine Talfahrt wieder aufnimmt. Bereits im April hatte Goldman Sachs wenige Tage vor einem deutlichen Kurssturz beim Gold seine Prognose gesenkt - was bei vielen Beobachtern den Verdacht der Kursmanipulation aufkommen ließ.
Anfällig für Schwankungen
Auch die US-Investmentbank Morgan Stanley, der US-Ableger der HSBC, die französische Société Générale sowie die Schweizer Großbanken UBS und Credit Suisse senkten ihre Prognosen (siehe Bildergalerie). Stimmen die Prognosen - was sie selten tun - sollte ungefähr bei 1.200 Dollar je Feinunze ein Boden gefunden sein. Crashprophet Nouriel Roubini sieht den Goldpreis sogar auf 1000 Dollar sinken - unter anderem weil weder eine akute Inflationsgefahr bestehe noch in naher Zukunft erkennbar sei und Notenbanken Goldreserven verkaufen könnten. Tatsächlich hat die Nachfrage der Notenbanken hat etwas nachgelassen.
Angesichts der massiven Abflüsse aus Gold-ETFs könnten die Anlageprofis auch im Laufe des Jahres ihre Anteile weitgehend abgestoßen haben, so dass der Goldpreis zur Ruhe käme, mutmaßen laut Börsenzeitung die Experten der Helaba. Dann würde die Preisentwicklung wesentlich von den Privatanlegern abhängen. Noch setzen diese unbeirrt auf Gold. Die Münz- und Barrenhändler hierzulande können sich jedenfalls nicht über mangelnde Nachfrage beklagen, eher im Gegenteil. Der Münzhändler Pro Aurum etwa berichtet weiter von unüblich großer Nachfrage nach dem Edelmetall.
Allerdings kommt die größte Goldnachfrage seitens der Privaten aus Indien und China
. In Indien beschränkt die Regierung derzeit die Möglichkeiten, Kredite gegen Goldschmuck als Sicherheit zu vergeben. In China könnte eine Bankenkrise, wie sie nun befürchtet wird, auch Notverkäufe der privaten Goldinhaber auslösen. Die Goldnachfrage aus Asien könnte daher zurückgehen und den Goldpreis weiter unter Druck setzen.
Unterm Strich bleibt bei Betrachtung der Stimmung unter Analysten lediglich die Erkenntnis, dass der Goldpreis anfällig für Schwankungen ist - und dies wohl auch noch eine Weile bleibt.
Mit Material von dpa