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Buffett und Gold – wie man darüber denken kann

Thorsten Polleit
Thorsten Polleit Chefvolkswirt der Degussa

Starinvestor Warren Buffett hat die langfristige Aktienrendite mit einer unproduktiven Gold-Anlage verglichen. Aktien schneiden - wenig überraschend - deutlich besser ab. Aber der Vergleich hinkt gewaltig.

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Am 4. und 5. Mai 2018 war es wieder soweit: Warren E. Buffett (*1930) und Charles T. Munger (*1924), schon zu Lebzeiten Legenden, haben die jährliche Aktionärsversammlung von Berkshire Hathaway Inc. abgehalten. Etwa 42.000 Besucher versammelten sich in Omaha, US-Bundestaat Nebraska, um der Frage-und-Antwort-Sitzung der Starinvestoren beizuwohnen.

Die Begeisterung ist verständlich: Die Berkshire-Aktie hat unter der Leitung von Buffett in der Zeit von 1965 bis 2017 eine jahresdurchschnittliche Rendite von 20,9 Prozent erzielt (nach Steuern), während dieRendite des S&P 500 nur 9,9Prozent betrug (vor Steuern). Hätten Sie 1965 in Berkshire investiert, würden Sie sich heute über eine Gesamtrendite von 2.404.784 Prozent freuen: Aus 1.000 US-Dollar sind mehr als 24 Millionen US-Dollar geworden (genau: 24.048.480 US-Dollar).

In seinen einleitenden Worten wies Buffett sein Publikum darauf hin, wie wichtig der langfristige Atem für den Investitionserfolg ist. Wer beispielsweise 1942 (in dem Jahr, in dem Buffett seine erste Aktie gekauft hat) 10.000 US-Dollar in einen breiten Korb von US-Aktien investiert und geduldig an dieser Entscheidung festgehalten hat, der hat heute Aktien im Wert von 51 Millionen US-Dollar. Mit dem Beispiel machte Buffett auch deutlich: Wer in produktives Vermögen wie Aktien investiert, der wird über lange Jahre hinweg einen beachtlichen Wertzuwachs erzielen. In einer Marktwirtschaft schaffen Unternehmen Werte, sie erzielen eine positive Verzinsung auf das eingesetzte Kapital. Die Gewinne gehen dem Aktionär entweder als Dividende zu, oder sie werden vom Unternehmen reinvestiert, und der Aktionär kommt auf diese Weise in den Genuss des Zins- und Zinseszinseffektes.

Diese Fehler sollten Anleger beim Goldkauf unbedingt vermeiden
Goldbarren vor einer Tresortür. Quelle: REUTERS
Goldbarren Quelle: REUTERS
Goldbarren und Goldmünzen Quelle: dapd
Kleinere Goldbarren Quelle: dpa
Kleinere Goldbarren Quelle: dpa
Goldbarren Quelle: REUTERS
Goldbarren Quelle: dapd

Buffett verglich den Investmenterfolg von Unternehmensaktien (dem produktivem Vermögen) mit dem von Gold (stellvertretend für das unproduktive Vermögen). Aus 10.000 US-Dollar, die 1942 in Gold angelegt wurden, wären bis heute 400.000 US-Dollar geworden, so Buffett, also viel weniger als bei einer Aktieninvestition.

Was aber ist von diesem Vergleich zu halten? Um diese Frage zu beantworten, sollte man sich zunächst klarmachen, was Gold aus Anlegersicht ist beziehungsweise sein kann. Gold kann grundsätzlich als (I) Vermögensgut, (II) Rohstoff oder als (III) Geld(-art) eingestuft werden. Wenn man Gold als Vermögensgut oder als Rohstoff ansieht, ließen sich vielleicht in der Tat Zweifel anmelden, ob der Investor sein Geld in das gelbe Metall stecken sollte.

Wenn Gold aber als (eine Form von) Geld eingestuft wird, ist Buffetts Vergleich zwischen der Wertentwicklung von Aktien und Gold wenig sinnvoll. Denn jeder Investor hat folgende Entscheidungen zu treffen: (1) Ich verfüge über einen Anlagebetrag, und ich habe zu entscheiden, wie viel ich davon investiere (in Aktien, Anleihen, Häuser etc.), und wie viel ich davon in liquiden Mitteln, in Form von Kasse, halte. (2) Wenn ich mich entschieden habe, beispielsweise 15 Prozent meines Vermögens als Kasse zu halten, dann muss ich mich entscheiden, in welcher Währung, in welcher Geldart, ich sie zu halten wünsche: in US-Dollar, Euro, japanischem Yen, Schweizer Franken – oder in Goldgeld.

Wenn man diese Überlegungen teilt, dann kann man zu zwei Schlussfolgerungen gelangen: (1) Man hält keine Kasse, weil Aktien immer besser rentieren als Geld. Viele Investoren werden dieser Empfehlung vermutlich nicht folgen. Sie müssen auch Geld halten, weil sie Zahlungen zu leisten haben. Zudem wollen die meisten wohl auch Geld halten, um mit der allgegenwärtigen Unsicherheit fertig zu werden. Geld hilft ihnen dabei: Geld ist das liquideste, das marktgängigste Gut, es lässt sich am einfachsten eintauschen gegen andere Güter. Wer Geld hält, ist jederzeit tauschfähig – und kann die sich ergebenden Kauf- und Investitionsgelegenheiten nutzen.

(2) Man entscheidet sich, auch Kasse zu halten. Wer zeitnah zu erfüllende Zahlungsverpflichtungen in US-Dollar oder Euro hat, für den liegt es nahe, entsprechende US-Dollar- und Euro-Beträge vorzuhalten. Diejenigen, die Geld auch längerfristig, für unvorhergesehene Zahlungserfordernisse vorhalten wollen (“Vorsichtskasse”), müssen entscheiden, welches Geld sich für diesen Zweck eignet. Um das zu beurteilen, kann man auf seine Kaufkraftentwicklung schauen. Würde Buffett diese Sicht teilen, wäre die Wertentwicklung des US-Dollar mit der des Goldes zu vergleichen. Dabei zeigt sich, dass Gold – im Gegensatz zum US-Dollar – in den letzten Jahrzehnten seine Kaufkraft nicht nur bewahrt, sondern sogar vermehrt hat! Die Kaufkraft des US-Dollar hat von 1972 bis heute 84 Prozent verloren; selbst wenn man eine bankübliche Verzinsung des US-Dollar in Rechnung stellt, zeigte seine Kaufkraft nur ein Plus von 47 Prozent. Die Kaufkraft des Goldes ist hingegen um 394 Prozent gestiegen.

Vergleich: US-Aktien, Gold, Zinsen und Inflation seit 1973*

ZeitraumUS-Aktien, Kurse + DividendeGoldpreis
(US-Dollar/Unze)
3-Monatsgeld
(US-Dollar)
Konsumentenpreise
(US-Dollar)
I. Februar 1973 bis März 201810,61 %6,73 %4,82 %3,98 %
II. Januar 1980 bis März 201812,15 %2,40 %4,41 %3,09 %
III. Januar 1995 bis März 2018 10,24 %5,42 %2,34 %2,20 %
IV. Januar 2000 bis März 20185,44 %8,57 %1,59 %2,17 %
V. Juni 2007 bis März 20187,62 %6,46 %0,51 %1,64 %
* Stetige, annualisierte Rendite
Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen

Risiken des Fiat-Geldes

Der Blick in die Vergangenheit zeigt zwar, dass Gold keine Wertentwicklung wie Aktien gehabt hat. Aber das ist nicht verwunderlich: Denn Gold ist Geld – und es ist das „bessere Geld“, hat sich als das bessere Wertaufbewahrungsmittel erwiesen. Das gelbe Metall weist zudem eine wichtige Eigenschaft auf, die aus Investorensicht in den letzten Jahren zusehends bedeutsamer geworden ist. Der Grund: Das internationale Fiat-Geldsystem gerät in immer schwierigeres Fahrwasser – vor allem weil die weltweit bereits schwindelerregend hohe Verschuldung immer weiter ansteigt. Im Fiat-Geldsystem ist der Investor mittlerweile Risiken ausgesetzt, die in den Jahrzehnten zuvor so nicht bestanden haben. Gold kann dem Investor helfen, mit diesen Risiken umzugehen.

Das gelbe Metall kann nicht – anders als das Fiat-Geld – durch die Geldpolitik der Zentralbanken entwertet werden; ihm kann die Geldmengenvermehrung nichts anhaben. Gold trägt auch kein Zahlungsausfall- beziehungsweise Kontrahentenrisiko: Bankeinlagen und auch kurzlaufende Schuldpapiere können durch Pleiten oder Schuldenschnitte entwertet werden. Gold nicht. Der Marktwert des Goldes kann auch nicht auf null fallen. Diese beiden Eigenschaften – Schutz vor Geldentwertung und Zahlungsausfall – erklären, warum sich in der Währungsgeschichte Gold immer wieder, wenn die Menschen die freie Wahl des Geldes hatten, als die bevorzugtes Geld durchgesetzt hat.

Ein weiterer wichtiger Aspekt an dieser Stelle: In Krisenphasen darf der Goldhalter – wenn er nicht zu teuer gekauft hat – durchaus die Hoffnung haben, dass sich der Goldpreis verteuert und er dann Gold gegen im Preis stark gesunkene Aktien eintauschen kann. Auf diese Weise kann Gold dazu beitragen, die Investitionsrendite zu erhöhen. Angeregt durch Buffetts Vergleich zwischen Aktien und Gold könnte man nach einigem Nachdenken also auch zum Schluss kommen: Gemessen an der Entwicklung der Kaufkraft hat Gold sich als besseres Geld, als besseres Wertaufbewahrungsmittel erwiesen als der US-Dollar beziehungsweise viele andere Fiat-Währungen.

Was Buffett kritisiert und was nicht

Buffett und Munger halten mit kritischen Kommentaren nicht zurück. So rechnete Buffett wieder einmal seinen Zuhörern vor, dass US-Staatsanleihen ein schlechtes Investment für Langfristinvestoren sind. Bei einer Rendite von derzeit drei Prozent für zehnjährige Staatsanleihen bleiben dem Investor nach Steuern etwa 2,5 Prozent. Da die Inflation der Konsumentenpreise derzeit rund zwei Prozent beträgt, beläuft sich die reale, inflationsbereinigte Rendite nur auf 0,5 Prozent. Buffetts Botschaft war unmissverständlich: Investiere nicht, zumindest derzeit nicht, in Anleihen, ihre Rendite ist zu niedrig, das Risiko zu hoch – vor allem wenn die Inflation anzieht.

Wer gehofft hatte, der Starinvestor werde weitere kritische Anmerkungen zu den tiefersitzenden Problemen des US-Dollar – der ein Fiat-Geld, also ein beliebig vermehrbares, entmaterialisiertes Geld verkörpert – zum Besten geben, wurde allerdings enttäuscht. Dass mit dem Fiat-US-Dollar nicht alles in bester Ordnung ist, ist den beiden Weltweisen selbstredend nicht entgangen. Munger merkte beispielsweise unverblümt an, dass die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken als Reaktion auf die Wirtschafts- und Finanzmarktkrise 2008/2009 dazu beigetragen hat, die Aktienkurse in die Höhe zu befördern und dem Aktionär Gewinne zu bescheren. Zitat Munger: “We're all a bunch of undeserving people, and I hope we continue to be so”.

Faktisches und Kontrafaktisches

Buffett und Munger betrachten die Dinge bekanntlich in Langfristperspektive. Sie weisen auf den immensen Wohlstandszuwachs hin, der in den Vereinigten Staaten von Amerika in den letzten Jahrzehnten erzielt wurde. Gegenüber Buffetts Kindertagen hat sich das Pro-Kopf-Einkommen der US-Amerikaner versechsfacht – eine ohne Frage atemberaubende Entwicklung (man sollte dabei in Rechnung, dass die US-Bevölkerung von 123 Millionen in 1930 auf 323 Millionen in 2016 angewachsen ist). Aus Sicht von Buffett und Munger funktioniert das US-System, politisch wie wirtschaftlich grosso modo: Alle haben hinzugewonnen, der Wohlstandszuwachs der Amerikaner ist weitaus größer ausgefallen als für viele Menschen anderswo.

Die beiden besten Investoren ziehen damit – wie viele andere heutzutage auch – Bilanz auf Basis des Faktischen, des tatsächlich Geschehenen. Das Kontrafaktische – also das, was entstanden wäre, wenn man anders gehandelt hätte – bleibt außen vor. Wer den faktischen Blickpunkt wählt, kann aber nur schwerlich die negativen Folgen des Fiat-Geldes identifizieren: das Ausufern des Staatsapparates zu Lasten der bürgerlichen Freiheiten; das Ausweiten der militärisch-aggressiven Interventionen in vielen Teilen der Welt; all die Kriege mit vielen Millionen Toten; die Wirtschafts- und Finanzkrisen mit ihren negativen Wirkungen auf die Einkommens- und Lebensverhältnisse vieler Menschen; und nicht zuletzt die unsozialen Verteilungswirkungen, für die das Fiat-Geld sorgt.

All diese Missstände wären beispielsweise mit einem goldgedeckten US-Dollar so nicht denkbar. Der Einwurf, ohne einen beliebig vermehrbaren Fiat-US-Dollar hätte es die Wohlstandsmehrung der vergangenen Dekaden nicht gegeben, kann nicht überzeugen: Es ist nicht richtig zu meinen, die Vermehrung der Geldmenge durch Kreditvergabe und das politisch motivierte Absenken des Marktzinses könnten Wohlstand schaffen.

Ohne eine Diskussion an dieser Stelle zu entfalten, sei nur so viel gesagt: Wenn die Geldmengenvermehrung Wohlstand schafft, warum dann nicht mit einem Schlag die Geldmengen verzehn-, verhundert- oder vertausendfachen und damit die Armut von diesem Globus fegen? Wenn Nullzins Wohlstand schafft, warum senken die Zentralbanken nicht alle Zinsen sofort auf die Nulllinie? Warum kein Gesetz erlassen, das einen Zins von null Prozent vorschreibt?

Buffett und Munger haben ihren Aktionären zweifelsohne eine großartige Möglichkeit eröffnet, den Widrigkeiten des Fiat-Geldsystems zu entkommen, sich gewissermaßen selbst zu verteidigen gegen das Fiat-Geld der Zentralbanken und dabei wohlhabend zu werden. Die schwerwiegenden volkswirtschaftlichen Probleme des Fiat-Geldes können so aber nicht gelöst werden. Gerade deshalb sollte der Investor Buffetts Hinweis, die Wertentwicklung des Goldes sei hinter der der Aktien zurückgeblieben, umsichtig reflektieren – und sich bewusst machen, dass Gold Geld ist, und dass es ökonomisch gesehen keine überzeugenden Gründe gibt, vom Goldgeld abzuraten, schon gar nicht, wenn die Alternative das Fiat-Geld ist.

Edelmetalle als „sicherer Hafen“? So klappt's mit der Goldanlage

Diese zeitlose Einsicht hat der Ökonom Ludwig von Mises (1881 – 1973) bereits im Jahr 1940 vorgebracht: „Man hat an der Goldwährung manches auszusetzen gewusst; man hat ihr den Vorwurf gemacht, dass sie nicht vollkommen sei. Doch niemand weiß anzugeben, wie man an Stelle der Goldwährung Vollkommeneres und Besseres setzen könnte.“

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