Manager auf der Flucht Was Wirecards Jan Marsalek von Florian Homm lernen kann

Auf der Flucht und die Taschen voller Geld: Florian Homm und Jan Marsalek Quelle: imago images

Mit Geld in der Unterwäsche und gefälschtem Pass entkam Hedgefonds-Manager und Ex-Borussia-Dortmund-Großaktionär Florian Homm den Behörden. Was Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek von ihm lernen kann.

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Jan Marsalek ist seit dem 23. Juni auf der Flucht. Angeblich soll sich der ehemalige Wirecard-Vorstand zunächst auf die Philippinen abgesetzt haben und anschließend nach China weitergereist sein. Überwachungskameras liefern dafür jedoch keinen Beweis. Auch das Foto, das Marsalek in türkisfarbenen Bermudas und Turnschuhen beim Einkaufen zeigt, erweist sich als Fälschung. Wo sich der Multimillionär derzeit aufhält, ist noch immer völlig unklar.

Ihm und Ex-Vorstandschef Markus Braun wird vorgeworfen, in der Konzernbilanz des Zahlungsdienstleisters Wirecard Einnahmen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro angegeben zu haben, die in Wirklichkeit nicht existierten. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft München wollten die Beschuldigten durch die zusätzlichen Milliarden Wirecard gegenüber Kunden und Investoren finanzkräftiger erscheinen lassen. Während Markus Braun der Haft durch eine Kautionszahlung entkommen konnte, tappen die Ermittler im Fall Marsalek im Dunkeln.

Um die Motive jenes Mannes zu verstehen, der nach Angaben seiner Kollegen schon vor Bekanntwerden des Wirecard-Skandals für mehrere Wochen untertauchte, hilft ein Blick auf die Flucht des wohl prominentesten Finanzmanagers der Vergangenheit – Florian Homm.

Die Flucht des Florian Homm

Der damalige Multimillionär tauchte 2007 unter – eine Lebenskrise und absehbare Probleme seines milliardenschweren Hedgefonds Absolute Capital Management waren die Ursachen. Der Fonds war vollgestopft mit hochgejazzten Pennystocks. Die USA schrieben ihn wegen Kursmanipulation zur Fahndung aus.

Wir wollen wissen: Wie flüchtet man als Mann, nach dem weltweit gefahndet wird?

Als wir Homm um ein Interview bitten, lehnt er ab. Es sei zu riskant, schreibt er auf Empfehlung seines Anwalts. Sein Prozess laufe schließlich noch. Trotzdem geht Homm sehr offen mit seiner Lebensgeschichte um. In zwei Büchern schildert er plastisch, wie sich sein Leben vom erfolgreichen Fondsmanager zum Häftling verändert hat – und erklärt, wie seine Flucht gelang.

Das Leben des einst so erfolgreichen Finanzhais könnte bewegter kaum sein. Bis seine zwielichtigen Praktiken am Kapitalmarkt publik wurden, wirkte es perfekt. Harvard-Abschluss „cum laude“, Wertpapier-Analyst bei der Investmentgesellschaft Merrill Lynch in New York, Portfoliomanager beim US-Fondsanbieter Fidelity und ab 1993 Selbstständigkeit. Seine Investments brachten ihm zahlreiche Millionen – und machten ihn zu einem der 300 reichsten Deutschen; aber sie bescherten ihm auch Feinde. Viele Unternehmen und am Ende auch seine Investoren hat er gegen sich aufgebracht.

Wie kann es sein, dass einer der erfolgreichsten Geschäftsmänner des Landes über Nacht verschwindet – die Unterwäsche voller Geld, wie er in seinem Porträt „Kopf, Geld, Jagd“ bildhaft beschreibt? Und kann es sein, dass Jan Marsalek es ihm 13 Jahre später gleichtat? Gibt es einen Ort auf der Welt, an dem man nicht gefunden werden kann?

Homm hat sich am Ende finden lassen. Wer sein Buch aufmerksam liest, wird feststellen, dass sein Weg in die Öffentlichkeit eine bewusste Entscheidung war. Er hat billigend in Kauf genommen, enttarnt zu werden. Doch der Reihe nach.

Wie kommt man über die Grenze?

„Die Sicherheitsprüfung am Flughafen war sehr oberflächlich. Niemand interessierte sich näher für meinen Ausweis oder mein Gepäck. Die Sicherheitsleute wussten, dass ich den Status eines akkreditierten Diplomaten genoss und eine eingehende Überprüfung ein politischer Fauxpas gewesen wäre“, schreibt er über seine Flucht.

„In der Nacht vor meinem Rücktritt hatten Giorgio und ich mehrere Stunden gebraucht, um die 1,2 Millionen Dollar in Schweizer Franken, Euros und Dollar in meiner Unterwäsche, meinen Zeitschriften, Anzugtaschen, in meiner Brieftasche, meinem Aktenkoffer und den Zigarrenkisten zu verstauen.“ Und weiter: „Ich trug sehr enge Calvin-Klein-Unterwäsche mit einem sehr starken Elastikbund, und so konnte ich das ganze Geld rund um meine Taille und sogar zwischen meinen Pobacken einklemmen. Ich bin außerordentlich eitel und fand, dass ich nicht nur wie weit über 50 aussah, sondern zudem zu einer Art Michelin-Männchen mutiert war.“

Giorgio, der nicht nur ehemaliger Mafioso, sondern bisweilen auch Homms Italienischlehrer war, organisierte das Übrige und sorgte dafür, dass die ersten Wochen im Exil dem Lebensstil des Multimillionärs entsprachen. Eine Kolonialvilla mit Pool, großzügiger Dachterrasse und Jacuzzi sowie ein Privatkoch und zwei Hausmädchen, die allesamt kein Englisch sprachen, machten es leicht, einige Wochen unterzutauchen.

Sein erstes Ziel war Kolumbien. Der einstige Fondsmanager schien mit Land und Leuten vertraut, schätzte die aufrichtige, bisweilen schonungslose Art der Kolumbianer und lernte schon in Harvard Spanisch, um eines Tages in das von Drogenkriegen geprägte Land auszuwandern. Durch seine damaligen Kundenbesuche hatte er gute Verbindungen zum Sicherheitsdienst.

Homm behauptet, insgesamt 342 Länder während seiner Abwesenheit bereist zu haben. Seine Ziele waren ebenso exklusiv wie sein bisheriges Leben. „Freitauchen, Wandern in der Sierra von Santa Marta, hochkreativer physisch-emotionaler Sex, Kitesurfen, ein Sprung von 20 Meter hohen Klippen, selbst Fallschirmspringen und Bungee-Jumping“ seien aufregender als Arbeiten, schreibt er. Es scheint fast, als sei er stolz auf seine Flucht; als gefiele es ihm, seine Umgebung an der Nase herumzuführen.

Emotional schien der sonst so selbstgewisse Millionär sehr labil gewesen zu sein. „Ich konnte nicht zwischen echten und unechten Gefahren unterscheiden. Nachts trug ich eine Sonnenbrille, ließ mir einen Bart wachsen und verhielt mich merkwürdig.“ Und er kiffte: „Meine beinahe täglichen Bong-Sessions trugen auch nicht gerade dazu bei, den Nebel in meinem Hirn zu lichten.“ Jahre später, als er zurück nach Europa kam und den Schritt in die Öffentlichkeit wagte, gibt er sich furchtlos und bestreitet, überhaupt jemals untergetaucht zu sein. Er geht so weit, dass er in einer Talkshow mit Sahra Wagenknecht munter über die Eurokrise diskutiert – trotz zahlreicher Strafverfahren und der weltweiten Fahndung durch Interpol.

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