Neue Anbieter Einfach raus aus überteuerten Stromtarifen

Viele neue Anbieter versprechen Hilfe dabei, den günstigsten Anbieter zu finden und zu wechseln Quelle: imago images

Zum Jahresanfang wird Strom vielerorts noch teurer. Neue Dienstleister versprechen Haushalten, die Rechnung zu drücken, ohne ständig den Anbieter wechseln zu müssen.

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Viele Haushalte haben bereits Post von ihrem Stromanbieter erhalten. Der Anlass ist unerfreulich: Es wird mal wieder teurer. Im neuen Jahr steigen die Strompreise auf breiter Front. Die Anbieter berufen sich dabei auf gestiegene Großhandelspreise. Sie selbst zahlen für Strom teilweise doppelt so viel wie noch vor zwei Jahren. Auch die Kosten von CO2-Emissionszertifikaten sind gestiegen und treiben den Strompreis.

Immerhin sind Stromkunden dem Preisanstieg nicht ausgeliefert. Die simpelste Lösung: Sie wechseln ihren Anbieter. Bei Preiserhöhungen greift ein Sonderkündigungsrecht, sodass selbst eine längere Vertragslaufzeit nicht gegen den Wechsel spricht. Ein Zwei-Personen-Haushalt spart gegenüber dem lokalen Grundtarif der Stadtwerke in den 100 größten Städten durchschnittlich 386 Euro, wenn er zum günstigsten Anbieter mit fairen Vertragskonditionen wechselt. Das hat die WirtschaftsWoche auf Basis von Daten des Vergleichsportals Verivox im September ermittelt.

Pro Jahr wechseln etwa zehn Prozent der Haushalte ihren Anbieter, vor allem über Vergleichsportale wie Verivox und Check24. Doch die Mehrheit wechselt den Anbieter nicht. Gut 70 Prozent sind nach wie vor Kunde beim lokalen Grundversorger, etwa jeder dritte Haushalt bezieht seinen Strom sogar im meist besonders teuren Grundversorgungstarif.

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Neue Tarifoptimierer wollen das ändern. „Wir richten uns an die bequemen Kunden“, sagt Arik Meyer, Gründer und Geschäftsführer von SwitchUp, einem Berliner Start-up, das sich selbst als „Tarifaufpasser“ bezeichnet. Es will den Haushalten den lästigen Vergleich von Stromtarifen und das Einhalten von Kündigungsfristen abnehmen. Stattdessen sollen sie einmalig zu SwitchUp wechseln. Dort würden dann rechtzeitig vor Ablauf der Kündigungsfrist oder bei einer Preiserhöhung jedes Jahr alle verfügbaren Stromtarife verglichen. Wenn nötig, wird der Anbieter automatisch gewechselt.

SwitchUp ist für die Nutzer selbst kostenlos, finanziert sich aus Provisionen der Anbieter. Dennoch verspricht das Portal auch Tarife ohne Provisionen aufzuführen. Außerdem soll nicht der Preis allein entscheiden. „Wir sortieren fragwürdige Anbieter aus“, sagt Meyer. Dafür wertet SwitchUp Beschwerdeportale wie Reclabox aus und nutzt die eigenen Erfahrungen mit den Verträgen der Kunden, um versteckte Preiserhöhungen oder verweigerte Boni zu erkennen. Aktuell zählt SwitchUp nach eigenen Angaben eine „gut fünfstellige Kundenanzahl“ und verzeichnet ein sehr starkes Wachstum. Nicht nur Strom-, auch Gasverträge will SwitchUp für Kunden managen. Im kommenden Jahr sollen DSL-Verträge folgen.

Neben SwitchUp versucht eine ganze Reihe von Dienstleistern, die Betreuung laufender Verträge für die Kunden zu übernehmen. Dazu zählen zum Beispiel die Anbieter Volders, Aboalarm und Contractix.

Wenn das Geschäft mit bequemen Kunden unbequem wird

Doch das Geschäft mit den bequemen Kunden kann auch unbequem sein. Das Berliner Start-up MoneyMap etwa wollte Gas-, Strom- und Mobilfunktarife für seine Kunden optimieren. Dafür ging es eine Kooperation mit der Hypovereinsbank ein. Deren Kunden konnten den MoneyMap-Service nutzen. Das Start-up durchleuchtete dann die Kontobuchungen, um festzustellen, wieviel für Strom und Gas anfiel. Auf Wunsch übernahm es für die Kunden den Wechsel zu einem günstigeren Anbieter. Das Echo blieb hier aber deutlich hinter den Erwartungen zurück. Seit Ende August bietet MoneyMap seine Dienste nicht mehr direkt an. Offiziell wurde das Angebot zwar in einen breiteren Vertragsmanager mit dem Namen Finreach Solutions integriert. Hinter den Kulissen gibt es aber keine Zweifel daran, dass der mangelnde Erfolg von MoneyMap Grund für den Umbau war.

Probleme anderer Art bekam das Start-Up GoNetto, das Kunden die Übertragung von Versicherungen ermöglicht. Im Gegenzug für eine Gebühr von nur einem Euro pro Monat und Vertrag sollten Versicherte hier die laufende Bestandsprovision erstattet bekommen, die sonst ihr Versicherungsvermittler kassiert. Die Finanz- und Versicherungsaufsicht BaFin witterte allerdings einen Verstoß gegen das Provisionsabgabeverbot. Sie teilte Versicherern mit, dass sie durch Zusammenarbeit mit GoNetto eine Ordnungswidrigkeit begingen. Eine solche werde als „Verstoß gegen das Verbot von Sondervergütungen“ angesehen.

Nun tobt ein Rechtsstreit. GoNetto hält das eigene Geschäftsmodell für zulässig: Eine Weitergabe von Provisionen sei ausdrücklich in Ordnung, wenn es so zu einer dauerhaften Beitragssenkung komme. Und weil die Kunden dank der Erstattung unter dem Strich weniger für ihre Versicherung zahlten, sei diese Bedingung erfüllt. Die BaFin hingegen hält es für nötig, dass die Beitragssenkung innerhalb des Versicherungsvertrags erfolgt. Der Umweg über GoNetto sei nicht zulässig. Vorerst erstattet GoNetto den wenigen vorhandenen Kunden keine Provisionen mehr, sondern schreibt diese nur gut – in der Hoffnung nach einem rechtlichen Erfolg wieder Geld auszahlen zu können. Das Geschäft mit privaten Neukunden ist vorerst faktisch tot. Quasi alle Versicherer haben die Zusammenarbeit gekündigt. Nun soll ein Schwenk auf gewerbliche Kunden das Überleben sichern.

Solche rechtlichen Probleme sind eine Besonderheit der Versicherungssparte. In anderen Sparten, wie Strom, Gas, Telefon und Internet versuchen auch die großen Vergleichsportale zunehmend, sich als Vertragsoptimierer zu etablieren – allerdings bislang ebenfalls mit eher mäßigem Erfolg. Verivox startete 2016 einen Dienst namens Prime. Hier sollten Kunden eine Jahresgebühr von 29,90 Euro zahlen. Dafür wurde ihnen eine garantierte Ersparnis durch Vertragswechsel in Aussicht gestellt. Der Kundenzuspruch blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Mehr als eine kleinere vierstellige Kundenanzahl kam nicht zusammen. Nun will Verivox mit einem Vertragsmanager kostenfreie, laufende Unterstützung bieten. Versprochen wird eine Betreuung „vom Handyvertrag über Strom, Gas, Kfz- oder Haftpflichtversicherung bis hin zum Zeitschriftenabonnement“.

Angesichts solcher Marktmacht müsste es den kleineren Konkurrenten eigentlich bange werden. Doch Meyer von SwitchUp gibt sich entspannt: „Die größte Gefahr für uns ist die Trägheit der Leute, nicht irgendein Konkurrent.“ Der Markt sei groß genug für viele Anbieter. Nur die Kunden müssen jetzt noch mitspielen.

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