Rückzug aus Großbritannien N26 flieht vor dem Brexit - oder vor schlechten Zahlen?

Der N26-Brexit beginnt schon im April. Dann schließt die Onlinebank alle britischen Konten. Quelle: REUTERS

N26, die deutsche Fintech-Bank, verabschiedet sich aus Großbritannien. Offiziell, so heißt es, wegen des Brexits. Schon im April wolle man sämtliche britische Konten schließen. Doch ist das schon die ganze Geschichte?

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N26 macht den Brexit: Die deutsche Fintech-Bank zieht sich aus Großbritannien zurück. Seit Dienstag begrüßt die britische N26-Seite ihre Besucher mit der nüchternen Ankündigung, dass am 15. April sämtliche britischen N26-Konten geschlossen werden. Wegen des EU-Austritts Großbritanniens im Januar werde man in Zukunft nicht mehr in der Lage sein, mit einer europäischen Bankenlizenz im Vereinigten Königreich zu operieren, heißt es weiter. Es folgte eine lange Liste mit Fragen und Antworten, die abhandeln, was das für die Kunden alles bedeutet.

Thomas Grosse, der sich der Neobank im vergangenen August angeschlossen und den neu geschaffenen Posten des „Chief Banking Officers“ besetzt hat, wird in einer Erklärung mit den Worten zitiert, man respektiere „die politische Entscheidung vollkommen“. Diese habe jedoch zur Folge, dass N26 die Kunden in Großbritannien in Zukunft nicht mehr bedienen kann und daher den Markt verlassen wird. Am „globalen Wachstumskurs von N26“ werde sich dadurch allerdings nichts ändern.

Ein Unternehmenssprecher konkretisiert auf Nachfrage, welche Überlegungen zu der Entscheidung geführt hätten. „Als europäische Bank mit einer europäischen Banklizenz müssten wir komplexe regulatorische Maßnahmen umsetzen und Produktaktualisierungen vornehmen, um weiterhin in Großbritannien tätig sein zu können.“ Das hätte „viele Ressourcen über lange Zeit hinweg gebündelt“, die man „sinnvoller in anderen Märkten investieren“ könnte. Der Aufwand, eine Banklizenz zu beantragen, sei in Europa und Großbritannien vergleichbar. „Aber der europäische Markt ist deutlich größer.“

Ist das schon die ganze Geschichte? Man weiß ja nicht erst seit gestern, dass es nach dem Ende der Brexit-Übergangsfrist für europäische Finanzdienstleister schwieriger werden könnte, in Großbritannien Dienstleistungen anzubieten (und umgekehrt). Und N26 kam 2018 nach Großbritannien - mehr als zwei Jahre nach dem Leave-Votum der Briten. Zudem ist es im Moment noch völlig offen, wie die kommenden Verhandlungen zwischen London und Brüssel über ein Handelsabkommen laufen werden. Es ist gut möglich, dass bei den Gesprächen eine Lösung gefunden wird, die im Finanzsektor weitgehend zum Erhalt des Status Quo führen wird. Darüber hinaus wirkt der N26-Rückzug aus Großbritannien ein wenig überstürzt. Hat da jemand die Reißleine gezogen? 

Überstürzter Rückzug wegen Erfolglosigkeit?

Insider berichten, dass sich das Großbritannien-Geschäft bei N26 weitaus schleppender entwickelt habe, als man es sich bei dem auf rasches Wachstum ausgerichteten und erfolgsverwöhnten Unternehmen erhofft habe. Das Wirtschaftsblog Sifted etwa berichtete vor wenigen Wochen, dass es die N26-App seit dem Markteinstieg 2018 bei Downloads und bei den monatlich aktiven Nutzern (MAUs) gerade einmal auf den 19. Platz gebracht habe. Demnach lag selbst die amerikanische Crypto-Handelsapp Coinbase weiter vorne als die App der ambitionierten deutschen Neobank. Betrachtet man nur die Apps von Fintechs, wurde das Bild auch nicht besser: Denn da lag N26 weiterhin nur auf dem 16. Platz. 

Das dürfte wehgetan haben. Denn erst vor wenigen Monaten hat N26 in London ganze U-Bahnstationen mit Werbung regelrecht plakatiert. Billig war die Aktion sicher nicht. Zum Start versuchte die Neobank gar, mit Lichtinstallationen in der britischen Hauptstadt auf sich aufmerksam zu machen.

Gut, man kann wohl kaum davon ausgehen, dass die Tech-affinen britischen Nutzer nur auf einen Neuzugang aus Deutschland gewartet haben. Denn während N26 in Deutschland lange den Markt für Neobanken quasi für sich hatte, konnten britische Nutzer seit Jahren zwischen den Fintech-Lokalgrößen Monzo, Starling und Revolut auswählen. Und die feilen, ebenfalls seit Jahren, ständig an der Nutzerfreundlichkeit und Alltagstauglichkeit und am Funktionsumfang ihrer Apps. 

Das spiegelt sich an den Bewertungen im britischen Google Play Store wider: Dort liegt Revolut derzeit mit 4,8 (von 5) Sternen vorne, gefolgt von Starling mit 4,7 Sternen und Monzo mit einer Note von 4,5. Die „Note“ für die N26-App: 3,7. In der Tech-Welt ist das ein Sprung von einem E-Klasse-Benz zu einem VW Passat Diesel. Die Berliner Neobank hatte laut Experten offenbar auch Probleme damit, sich mit ihrem Angebot gegen die etablierte Konkurrenz durchzusetzen. In einem Blog-Eintrag vom vergangenen Oktober, der mittlerweile gelöscht wurde (aber weiterhin als Cache zu bewundern ist), spielt N26 die eventuellen Folgen des Brexits auch noch herunter.

Hat also N26s überstürzter „Brexit“ letzten Endes weniger mit dem britischen EU-Austritt zu tun als mit dem lauen Geschäft auf den britischen Inseln? Glaubt man N26, dann lautet die Antwort auf diese Frage: Nein.

„Der Wettbewerb ist nicht der Grund für unsere Entscheidung, den britischen Bankenmarkt zu verlassen“, sagt ein Unternehmenssprecher. N26 sei heute „Marktführer in den meisten kontinentaleuropäischen Märkten“ und habe „ähnliche Ambitionen“ für die USA. „Mit Wettbewerb können wir daher gut umgehen.“

Das Argument, dass man die britischen Inseln vor allem wegen des Brexit verlassen müsse, wirkt dennoch vorgeschoben. Denn selbst, falls es bei den Verhandlungen zwischen London und Brüssel zu Verwerfungen kommen sollte, könnten sich europäische Finanzdienstleister in Großbritannien auf eine jahrelange Übergangszeit verlassen - wenn sie Vorkehrungen treffen.

„Für uns ist der britische Markt wichtig“, sagt Ali Niknam, Gründer und CEO der niederländischen Neobank bunq. „Wir haben daher eine Ausnahmeregelung beantragt und erhalten. Jede europäische Bank konnte die vor einiger Zeit beantragen“, erklärt Niknam. „Selbst, wenn es Ende des Jahres zu einem harten Brexit kommt, können wir ohne zusätzliche Bürden mehrere Jahre lang weitermachen.“

Es stellt sich also die Frage, wieso N26 sich nicht wie andere Banken und Wettbewerber einfach diese unkompliziert zu beschaffende Ausnahmeregelung besorgt hat, die es ihnen ermöglicht hätte, noch für Jahre unter den aktuell geltenden Regelungen weiter auf dem britischen Markt zu arbeiten, ohne eine britische Bankenlizenz zu beantragen. Auf Nachfrage wollte sich N26 aber nicht dazu äußern.

Eines steht fest: In neun Wochen ist N26 raus aus dem britischen Markt. Die geschätzt 200.000 Kunden des Unternehmens müssen bis dahin eine Alternative finden. Sie werden nicht lange suchen müssen. Schließlich gibt es in Großbritannien schon seit Jahren eine ganze Reihe etablierter Fintech-Banken.

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