Vermögensverwalter-Ranking Die erfolgreichsten Geldmanager

Die erfolgreichsten Vermögensverwalter in Nahaufnahme: Wer sie sind, welche Strategien sie haben – und wem sie sich geschlagen geben.

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Die erfolgreichsten Geldmanager in Nahaufnahme. Quelle: Stefan Nimmesgern für WirtschaftsWoche

Die ganze Welt hatte der Bundesnachrichtendienst von Pullach aus im Blick. Datenspionage und Risikoeinschätzung – das hat in dem idyllischen Städtchen südlich von München Tradition. Und die wird hier auch nach dem Teilumzug des BNDs nach Berlin weitergeführt.

Ein paar Hundert Meter vom hinter hohen Mauern und Natodraht verborgenen BND-Gelände entfernt saugen die Rechner von DJE Kapital auf, was der globale Kapitalmarkt an Daten liefert. In einer sanierten Altbauvilla in Nachbarschaft zum Ausflugslokal Isarfräulein laufen Millionen Signale zusammen. IT-Experten haben drei Jahre getüftelt, bis ein Programm die Analysen vollautomatisch aktualisiert. Das System sortiert die Informationsflut von den weltweiten Börsen, Statistikämtern, Notenbanken, Wirtschafts- und Wissenschaftsinstituten und macht aus ihnen Kurven, Tortengrafiken und Tabellen. Sie sind das Werkzeug, um 10,8 Milliarden Euro Vermögen von Anlegern zu vermehren. Als Frühwarnsystem und Ideenlieferant dienen sie den Investmentprofis bei DJE Kapital. Erkennen sie Ungleichgewichte an den Märkten, nutzen sie die, um Aktien oder Anleihen günstig zu kaufen und teurer zu verkaufen – das macht jenseits aller Daten den Anlageerfolg aus. Die verbliebenen Spione nebenan könnten glatt neidisch werden.

Angefangen hatte alles mit Berechnungen zu Geldmenge, Zins und Inflation des heute 74-jährigen, promovierten Wirtschaftswissenschaftlers und DJE-Gründers Jens Ehrhardt. Mit dem viel größeren digitalen Datenschatz hat jetzt sein 41-jähriger Sohn Jan das Anlegergeld in drei Jahren noch besser durch die Märkte gelotst als der Vater. Mit einer Strategie, die weltweit auf Dividenden und Zinsen setzt, erzielte er 30,3 Prozent plus, ohne hohe Risiken einzugehen.

Beste Vermögensverwalter 2017: Ein Exklusives Ranking der besten Geldmanager.

Im Vermögensverwalter-Ranking der WirtschaftsWoche und des Fonds-Analysehauses MMD aus Arnsberg ist das die beste Leistung in der Depotkategorie „Ausgewogen“. MMD-Chef Klaus-Dieter Erdmann und Analyst Nicolai Bräutigam haben mehr als 1300 Portfolios ausgewertet, die mit Kundengeld von rund 400 Banken und Vermögensverwaltern gelenkt werden. Das Rennen läuft in drei Kategorien: Für den renditehungrigen Anleger sind die Portfolios „Offensiv & Flexibel“ geeignet, bei denen die Fondsmanager zeitweise komplett in Aktien investieren können. In der Kategorie „Ausgewogen“ treten die Portfolios gegeneinander an, die zu maximal 60 Prozent aus Aktien bestehen sollen und bei denen die Vermögensverwalter den Rest mit Zinspapieren auffüllen. Die schwanken üblicherweise weniger stark als Aktien. „Defensiv“ sind Portfolios mit maximal 40 Prozent Aktienanteil, wobei die Verwalter bei den derzeit niedrigen Erträgen mit Anleihen vor der Herausforderung stehen, überhaupt noch Rendite zu erzielen.

Gemessen wurden der Wertzuwachs innerhalb von drei Jahren sowie das Risiko, dem Anleger ausgesetzt waren. MMD hat die Kursschwankungen jedes Portfolios (Volatilität) analysiert und die zwischenzeitlichen maximalen Verluste. Zusätzlich hat MMD den Vermögensverwalter ermittelt, bei dem Anleger in den vergangenen fünf Jahren die beste Rendite erzielt hätten – ohne auf die Risiken zu schauen. Die Verwalter im Ranking haben eine Lizenz, um einzelne Depots speziell nach Kundenwünschen zu verwalten, arbeiten aber auch mit Fonds, in die jeder Anleger kleine Beträge einzahlen kann.

Die besten Vermögensverwalter der Kategorie "Ausgewogen"

Zurück nach Pullach: Es ist ein sonniger Nachmittag Anfang Februar. Durch die Fenster des Konferenzraums blickt Jan Ehrhardt auf Tennisplätze des lokalen Clubs. Seit er Kind war, habe er dort nicht mehr gespielt, sagt Ehrhardt junior. Skifahren am Wochenende? Ebenfalls Fehlanzeige. Er kommt Mitte Februar zum ersten Mal in der Saison auf die Bretter. Freie Zeit verbringt er mit seiner Familie. Schwer beeindruckt hat den Vater, wie angstfrei sich sein vierjähriger Sohn beim Ausflug in eine Kletterhalle an den Wänden hochzieht. Die Zeit der Unbekümmertheit ist für Jan Ehrhardt vorbei, seit er bei DJE Kapital mitverantwortlich ist für das Milliardenvermögen.

Wenn ein riesiges, in der Wand eingelassenes Display leuchtet, hält Ehrhardt nichts auf dem Konferenzsessel. Er springt immer wieder auf, deutet auf die Entwicklung der Immobilienpreise in China, die Bewertung von US-Aktien, Dividendenausschüttungen und Aktienrückkäufe, koreanische Exporte, die Preisentwicklung von Kupfer und die Zahlen zum Konsum an Flughäfen.

Anleihen statt Aktien kaufen

Die Daten bewahrten ihn Anfang 2016 vor Fehlern. „Am ersten Arbeitstag kam ich gut gelaunt ins Büro, sah dann aber, dass der chinesische Aktienindex sieben und der Dax vier Prozent im Minus lagen. Bis Ende Januar verlor China 20 Prozent“, erinnert sich Ehrhardt. Kunden wurden ängstlich, riefen ihn an, es herrschte Untergangsstimmung. „Ein Blick auf unsere Daten zeigte aber, dass die Immobilienpreise in den 70 größten Städten Chinas sogar gestiegen waren. Wenig deutete auf einen Crash hin.“ Die Urheber der Chinagerüchte am Kapitalmarkt hatte man in Pullach schnell ausgemacht: „Hedgefonds haben die Risiken überzeichnet, weil sie von den fallenden Kursen profitieren konnten.“ Ehrhardt blieb bei seinem Kurs, kaufte manche dividendenstarke Aktie und einige Anleihen von Rohstoffunternehmen zu niedrigeren Preisen. Der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock gehört zu den großen Aktienpositionen im DJE Zins&Dividende. Er liefert, was Ehrhardt sich wünscht: „Am wichtigsten für mich ist, dass der freie Cashflow der Unternehmen groß genug ist, um die Dividenden zu zahlen.“ Zudem hat Blackrock in den vergangenen zwölf Quartalen aus freien Mitteln stets Aktien zurückgekauft, was Aktionären zugutekommt. Es gibt aber auch Unternehmen im Fonds, von denen er lieber die Anleihen als die Aktien hält. Wegen der Chinakrise schwächelten Anfang 2016 die Rohstoff- und Stahlunternehmen. „An die Aktien von BHP Billiton oder Alcoa haben wir uns nicht herangetraut. Aber wir wussten, dass diese Unternehmen nicht in Konkurs gehen, wenn die Rohstoffpreise niedrig bleiben, deshalb haben wir die Anleihen gekauft“, sagt Ehrhardt. Kurz nach dem Januar-Crash hatte sein Depot wieder den Kurs erreicht, mit dem er ins Jahr gestartet war. Die Kunden waren beruhigt.

Jan-Ehrhardt Quelle: Stefan Nimmesgern für WirtschaftsWoche

Das große Fragezeichen bleibt jetzt US-Präsident Donald Trump. „Dessen Auswirkungen auf den Handel sind schwer abzuschätzen.“ Und aktuell seien die Chinadaten diffus. So sind die Immobilienpreise zuletzt gestiegen, obwohl die Zahl der Immobilientransaktionen rückläufig ist. „Man kann schwer sagen, wo China in einem halben Jahr stehen wird“, gibt Ehrhardt zu. Daten verraten doch nicht alles.

Da hilft ein Gespräch mit Unternehmenschefs. Im Januar hat Ehrhardt auf Investorenkonferenzen in Frankfurt und Zürich mehr als 30 getroffen, jetzt weilt er in den USA und spricht mit Technologieunternehmen. Autozulieferer waren optimistisch, auch den Stahlproduzenten und der Chemie- und Medienbranche gehe es besser, so sein Eindruck. „Alle erwarten ein weiteres Gewinnwachstum, und konjunkturell sieht es im Moment gut aus“, sagt Ehrhardt. Was können Anleger bei den guten Vorgaben von ihm erwarten? Grob überschlagen aus der Durchschnittsrendite der Anleihen und der Gewinnrendite von Aktien, kommt er auf ein Plus von fünf Prozent. „Das ist möglich“, sagt Ehrhardt.

Die Top-Ten-Depots der Vermögensverwalter der Kategorie "Ausgewogen"

Vom Starmanager zum Messe-Diener

Jürgen Jann hat Standdienst in Mannheim. Beim jährlichen Branchentreffen, der Fondsprofessionell-Messe, schiebt der Leiter der Vermögensverwaltung bei der Walser Privatbank höchstpersönlich Dienst in der winzigen Ausstellungsbox. Er verteilt auch mal in Filz eingebundene Notizblöcke oder Schlüsselanhänger mit kleinen Kuhglocken. Starkult ist Jann fremd.

Dabei investierte der 56-Jährige das Geld seiner Anleger in den vergangenen drei Jahren in der Walser Strategie Basis so erfolgreich, dass er in der Kategorie „Defensiv“ Sieger im WirtschaftsWoche-Ranking ist. Kaum jemand hat so viel Erfahrung beim Anleihemanagement wie er. Seine Vita ist goldgerändert, die Namen seiner früheren Chefs und Arbeitskollegen, Bill Gross oder Mohamed El-Erian und Scott A. Mather, haben in der Szene einen Klang wie Donnerhall. Fast ein Jahrzehnt hat er für Pimco gearbeitet, als die kalifornische Fondsgesellschaft bei Anleihen das Nonplusultra war. Wie die gefeierten Anleihegurus in der Finanzkrise agierten, beeindruckte ihn: „Es herrschte Betriebsamkeit, aber keine Panik.“ Schon im Jahr 2007 habe Gross die Mannschaft darauf eingeschworen, dass sie „künftig enger im Konvoi fahren“ müsse.

Danach sind die Zinsen jahrelang gefallen, es waren paradiesische Zustände für Experten wie Jann. Aber seit Geld im Überfluss vorhanden ist und die Europäische Zentralbank monatlich für 80 Milliarden Euro Anleihen vom Markt aufsaugt, wird es für Vermögensverwalter wie ihn immer schwerer, noch Rendite zu erzielen. Zinserhöhungen in den USA, steigende Preise in Europa, gute Wachstumsaussichten – das ist ein Umfeld, in dem Anleihen leiden.

Absicherung vor Währungsverlusten mit Derivaten

Seit 2011 ist sein Slogan „dort arbeiten, wo andere Urlaub machen“ – im österreichischen Kleinwalsertal eben. Jetzt macht es Jann Spaß, den Großen zu zeigen, dass er mithalten kann und 700 Millionen Euro, die er verantwortet, gut anlegt. Zeit für Bergwanderungen bleibt nur am Wochenende. Dienstagabend, wenn auf dem Gemeindeplatz in Riezlern Schneemanntreff ist, schließt er die Bürofenster, um in Ruhe zu telefonieren. Endet die Après-Ski-Sause um 19 Uhr, ist bei Jann noch nicht Schluss.

Jürgen-Jann Quelle: Stefan Nimmesgern für WirtschaftsWoche

Sein Ziel ist ein Kursverlauf, der möglichst glatt nach oben geht, und dafür muss er hart ran. Die einst als sicherer Hafen gefeierte zehnjährige Bundesanleihe hat in vier Monaten mehr als fünf Prozent an Wert verloren. Seit 15 Monaten ruckelt der Motor auch deshalb, weil die negativen Zinsen die Fahrt gewaltig stören. Für liquide angelegtes Geld zahlt Jann bis zu 0,7 Prozent Strafzins. 85 Prozent des Portfolios hat er in Anleihen angelegt, nur zehn Prozent sind aktuell in Aktienfonds investiert. Aber auf denen ruhen alle Hoffnungen. „Der Ertrag in der Vermögensverwaltung muss in diesem Jahr von den Aktien kommen, bis sich die Inflation einpendelt und die Rendite der Anleihen auf ein höheres Niveau hebt“, sagt Jann. Aber das wird noch ein steiler Weg. Dass es in einigen Jahren wieder fünf Prozent Zinsen geben wird, daran glaubt Jann nicht.

Die besten Vermögensverwalter der Kategorie "Defensiv"

Riskante Wetten auf einzelne Anleihen oder Märkte gibt es bei ihm nicht, er vermeidet Klumpenrisiken und verteilt die Gelder auf 150 unterschiedliche Positionen. Wie auch Jan Ehrhardt nutzt Jürgen Jann US-Staatsanleihen (Treasuries) mit kurzen Restlaufzeiten als Rückzugsgebiet. 20 Prozent der Fondsgelder leiht er dem US-Staat. Der knackt zwar bald die 20-Billionen-Dollar-Marke bei der Verschuldung, aber zahlt auch höhere Zinsen. Vor Währungsverlusten sichert sich Jann mit Derivaten ab, trotzdem bleibt unterm Strich bei den Treasuries gegenüber vergleichbaren Bundesanleihen ein Renditevorteil von über einem Prozentpunkt. Da die Wirtschaft gut läuft, besteht sein Portfolio zudem aus Unternehmensanleihen auch bonitätsschwächerer Schuldner sowie Schwellenländeranleihen.

Bei den Aktien favorisiert Jann aktuell ebenfalls Schwellenländer sowie US-Titel. Statt einzelner Aktien nimmt er dafür verschiedene Fonds ins Depot auf. Alles kann er nicht selbst machen, auch wenn das beim Standdienst auf der Konferenz so aussieht.

Die Top-Ten-Depots der besten Vermögensverwalter der Kategorie "Defensiv"

Kleine Aktien ganz groß

Wenn einer bezweifelt, dass gute Performance überhaupt wiederholbar ist, dann muss er sich Markus Wedel ansehen. Der 43-Jährige steht schon das zweite Jahr in Folge auf dem Siegertreppchen als bester Vermögensverwalter in der Kategorie „Offensiv & Flexibel“. Wedel wollte eigentlich „etwas mit Seefahrt“ machen. Sein Vater war Schiffsmakler in Bremen, seine Bundeswehrzeit verbrachte Wedel bei der Marine auch auf einem Minensuchschiff. Gefährlichen Sprengsätzen versucht er im jetzigen Job aus dem Wege zu gehen. Nach Stationen bei Investmentbanken in London und New York gründet er die SPSW Capital in Hamburg und Buxtehude zusammen mit Robert Suckel, dem Gründer des Aktienanalysehauses SES, sowie Achim Plate und Henning Soltau, Exvorstände des früheren Callcenterbetreibers D+S Europe. Mit voller Fahrt steuert Wedel jetzt auf sein Ziel zu: „Geld verdienen mit überschaubaren Risiken.“ Die Aktienquote hat er mit 66 Prozent so hoch gejazzt wie nie, seit der Fonds 2010 an den Markt kam. Sein Steckenpferd sind kleine Unternehmen, sogenannte Nebenwerte, gewöhnlich in Verbindung gebracht mit starken Kursschwankungen und hohen Verlusten. Wedel redet so, als gäbe er an Deck noch die Kommandos, aber er segelt keineswegs hart am Wind. Dafür sorgen auch die Partner. Das Team hat nach eigenen Angaben zu den 360 Millionen Euro, die aktuell im Portfolio WHC Global Discovery stecken, viel Geld beigetragen. Deshalb gebe es „keine Sehnsucht, maximales Risiko einzugehen“, so Wedel.

Der Erfolg kommt mit den Gelegenheiten

Der Spitzenplatz im Ranking beweist es: Wedel hat die Kursschwankungen seiner handverlesenen 30 Aktien und 40 Anleihen im Griff. Brexit, Trump, der Flash-Crash im Jahr 2015 – der Dax ist tief abgetaucht, aber der WHC Global Discovery hatte stets nur eine kurze Verlustphase und kehrte schneller zu alten Höchstständen zurück. Wedel dürfte theoretisch alles: die Aktienquote von 100 Prozent auf null fahren oder sein Geld stärker in den USA oder Asien investieren. Aber die meisten Aktien stammen aus Deutschland. „Wir nutzen den Luxus, dass wir mittelständische Exportweltmeister haben, die von weltweiten Trends profitieren“, sagt er.

Markus-Wedel Quelle: Christian Bruch für WirtschaftsWoche

SPSW Capital bleibt nah dran an den Unternehmen, hat ein dichtes Netzwerk und ist im Markt als sehr aktiver Manager bekannt. Der Erfolg kommt mit den Gelegenheiten. Vor zwei Wochen war es wieder so weit. Ihnen wurden Aktien des Windpark-Projektentwicklers PNE Wind angeboten, und sie haben zugegriffen. Das Cuxhavener Unternehmen hat nur 185 Millionen Euro Börsenwert, und der Sektor erneuerbare Energien ist derzeit aus dem Blick der Anleger verschwunden. Genau das, was Wedel sucht: „Über die spricht kaum jemand, sie werden nicht als heiße Wette angepriesen, deshalb notieren sie weit unter dem Wert, den wir ihnen zutrauen.“ Auch der Hersteller von Blockheizkraftwerken 2G Energy aus Heek im Münsterland passt ins Beuteschema und liegt seit Januar ebenso im Depot wie die Hamburger Capital Stage, die Solarparks entwickelt und betreibt. Sobald diese Aktien gehypt werden, ist SPSW oft schon raus.

Das Zauberwort ist „Absolute Return“. Der Fonds soll zwar eine ähnliche Rendite liefern wie Aktien, aber nicht so stark im Wert schwanken und in jedem Kalenderjahr im Plus bleiben. Schwierig genug, da die Balance zu behalten. So hatte Wedel den Kassensystemhersteller Vectron 2015 zu 17 Euro gekauft und einen Zielkurs von 50 Euro angepeilt. Der war zügig erreicht, Wedel kippte die Aktie über Bord. Heute steht sie allerdings bei 70 Euro, doch das bedrückt ihn nicht. „Wir können es uns nicht leisten, den Preis auszureizen, wenn wir bei den Positionen das Verlustrisiko klein halten möchten.“

Die besten Vermögensverwalter der Kategorie "Offensiv & Flexibel"

Der Mittelstands-Hype treibt den Nebenwerte-Index SDax erstmals auf 10.000 Punkte, und der MDax notiert ebenfalls auf Rekordniveau. „Es ist keine Übertreibung zu erkennen“, meint Wedel. „Die Qualität der Unternehmen stimmt und auch die der Investoren. Sie sind nicht gierig.“

Wie auch immer sich der Fondskurs entwickeln mag. Für Wedel gibt es im Juni einen klaren Höhepunkt: Er erwartet die Geburt seines dritten Kindes.

Die Top-Ten-Depots der besten Vermögensverwalter der Kategorie "Offensiv und Flexibel"

Spielwiese mit schrägen Geschichten

Frischer sieht Hendrik Leber aus, wenn er vier Wochen an seinem zweiten Bürositz im Schweizerischen Walzenhausen verbracht hat. Anfang Februar aber sitzt er im Büro der von ihm gegründeten Vermögensverwaltung Acatis im Frankfurter Westend, nur ein paar Hundert Meter von seiner Wohnung entfernt. „Dort streamen wir jetzt Netflix, und ich habe unruhig geschlafen“, entschuldigt er sich. Die israelische Action-Krimi-Serie Fauda hat ihn gefesselt: „Irre spannend“, sagt Leber.

Hendrik-Leber Quelle: Christof Mattes für WirtschaftsWoche

Der 60-Jährige hat es unangefochten auf den Spitzenplatz der Rendite-Rally geschafft. Das Portfolio Acatis Datini Valueflex hat in den vergangenen fünf Jahren mit 142 Prozent eine bessere Rendite erzielt als alle anderen von MMD untersuchten Portfolios. Datini, benannt nach einem italienischen Kaufmann, bezeichnet Leber als seine „Spielwiese“. Deshalb leidet er darunter, dass die gute Performance Datini ins Rampenlicht zerrt. Hier möchte er seine Ideen zur Geldanlage ausleben, ohne sich rechtfertigen zu müssen. „Ich will das Geld der Anleger eigentlich nicht.“ Der Satz ist unerhört für jemanden, der Geld mit Geld macht. Großen Fondshäusern geht es üblicherweise um ständige Mittelzuflüsse, die ihre Einnahmen stetig erhöhen. Leber verantwortet insgesamt 3,8 Milliarden Euro. Aber Datini ist seine Nische, und ihm ist die Vorstellung ein Graus, dass ängstliche Anleger Geld aus dem Fonds abziehen, wenn die Kurse stark gefallen sind. Das raubt ihm die liquiden Mittel, um Aktien oder Anleihen günstig zu kaufen und vom Kursanstieg zu profitieren.

Deshalb sucht er Anleger, die stillhalten und wissen, auf was sie sich einlassen. Leber wird immer beschrieben als der bedächtige Value-Investor, folgsamer Jünger Warren Buffetts. Wie der US-Investor sucht Leber Unternehmen mit geringer Verschuldung und einem gut geschützten Geschäftsmodell, die er günstig kaufen kann. Es gibt Portfolios für Risikoscheue bei Acatis, aber beim Datini ist Leber als Freestyler unterwegs, für den Kursschwankungen kein Risiko, sondern eine Chance sind. In dem Fonds gibt es „schräge Geschichten“, sagt Leber.

Revolutionierung der Vermögensverwaltung

Die Wette auf den russischen Markt ist plausibel: Zu den etwa 55 Aktien, die er in dem Depot hält, ist im Januar die russische Supermarktkette Magnit hinzugekommen, die „fantastische Zahlen“ liefere. Leber erwartet aber auch eine Annäherung von Trump und Putin und damit eine Lockerung der russischen Sanktionen und Embargos. Das könnte dem russischen Markt, der aktuell einer der günstigsten weltweit ist, ein kräftiges Kursplus bescheren.

Die performancestärksten Geldmanager über fünf Jahre

Abwegiger für ein global gemischtes Portfolio ist seine andere Idee: Ein Bitcoin-Zertifikat steckt seit Oktober 2016 mit knapp fünf Prozent im Depot. Der Kurs bewegt sich wie der Preis der Computerwährung, die es etwa im Schweizerischen Kanton Zug schon zum Zahlungsmittel gebracht hat. Die Cyberwelt fasziniert Leber. Auch der Verschlüsselungstechnologie Blockchain, aus der die Cyberwährung Bitcoin hervorgegangen ist, traut er viel zu. Die Blockchain, eine Art digitale Kette von Verträgen, in der jede Transaktion der Beteiligten dokumentiert wird, sei als Buchhaltungsmedium fantastisch. Sie könne das teure Clearing an Börsen und bei Banken den Zahlungsverkehr ersetzen, glaubt Leber. Bitcoins seien ungemein praktisch für Gastarbeiter, die Geld in ihre Heimat überweisen wollten.

Dass es Randphänomene sind, stört Leber nicht. „Auch das Internet ist als Pornografie- und Wettmedium entstanden“, sagt Leber. Bitcoin und Blockchain würden jetzt oft von Kriminellen eingesetzt, aber könnten in zehn Jahren Mainstream werden.

Die performancestärksten Geldmanager-Depots über fünf Jahre

Leber selbst hat der künstlichen Intelligenz den Einstieg ins Fondsmanagement geebnet und revolutioniert damit die Vermögensverwaltung. Seit Oktober tritt er gegen das Projekt Titan an, das für einen Acatis-Fonds künstliche Intelligenz zur Vorauswahl von Aktien nutzt. „Ein guter Schachroboter schlägt mich, warum soll er nicht auch einen Fonds besser machen können“, sagt Leber. Es gebe zwar wenig Übereinstimmung der Computerauswahl zu den Aktien, die Leber für seine Fonds wählt, aber die Aktien sähen auch nicht aus wie Aliens. Mit dem Autozulieferer Continental und dem Schmierstoffhersteller Fuchs Petrolub schaffen es zwei deutsche Unternehmen in das Titan-Portfolio, aber mit der Google-Mutter Alphabet, Cisco Systems und Microsoft stecken in ihm auch viele Standardaktien. Hohe 70 Prozent legt der Computer in US-Aktien an. Leber lässt ihm die Freiheit.

Die guten Deals aus dem Jahr 2016 muss ihm der Computer erst mal nachmachen. Im Mai kaufte Leber die Monsanto-Aktie auf Termin, weil er die Übernahme durch Bayer für wahrscheinlich hielt, der Kurs stieg um ein Drittel. Im April griff er zur Aktie des US-Unternehmens Nvidia. Den US-Grafikchipproduzenten hält Leber für einen Profiteur des autonomen Fahrens und des Einsatzes von künstlicher Intelligenz. All das werde Nvidia einen steilen Absatzboom bescheren, glaubt Leber. Die Aktie hat sich 2016 bereits verdreifacht. Inzwischen ist sie teuer und kostet an der Börse das 38-Fache des Jahresgewinns. Zum Vergleich: Im Dax zahlen Aktionäre im Schnitt das 16-Fache. Mit 20 Jahresgewinnen ist auch Infineon nicht billig, gehört aber seit Januar zum Leber-Depot. Werden die Halbleiterchips aus München, wie Leber glaubt, in einem Jahrzehnt millionenfach in Autos verbaut, stecke in Infineon noch einiges an Potenzial.

Schnell war Leber am Freitag nach dem Brexit-Votum. Um 8.30 Uhr wurden für Fonds Aktien geordert, die das Team vorher analysiert hatte und deren Kurse tief abgetaucht waren. Eine klare Meinung hat Leber zu Großbritannien: „Der Brexit wird sehr teuer für die Briten, sie werden in die Drittklassigkeit absteigen und zum Pudel der USA.“

Er denkt gern radikal und erwartet einen Schuldenschnitt in Industriestaaten – aber schon seit fünf Jahren. Wie steht es damit? „EZB-Chef Draghi hat den Italienern den Preis für einen Euro-Ausstieg genannt, sie müssen die Target-Salden ausgleichen“, sagt Leber. Damit stehe der Maximalpreis für den Euro-Ausstieg fest. „Kommt er, wird ein Hedgefonds einen Fehler machen und kollabieren, das könnte eine Bank mitreißen.“ Spannend bleibt es – nicht nur bei Lebers Lieblingskrimi.

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