




Wie hat der BGH entschieden?
Obwohl viele ein verbraucherfreundliches Urteil erwartet hatten, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) im Sinne der Bausparkassen. Sie haben Recht bekommen und dürfen weiterhin hoch verzinste Altverträge kündigen. Bausparer dürfen die Verträge entsprechend nicht mehr über mehr als zehn Jahre als Sparanlage laufen lassen.
Welche Verträge sind betroffen?
Der BGH hat in seiner Entscheidung auf den Sinn und Zweck des Bausparens hingewiesen. Dieser ist laut den Karlsruher Richtern nicht erfüllt, wenn Sparer zehn Jahre lang keinen Bausparkredit in Anspruch nehmen, sondern den Vertrag als Sparvertrag nutzen. Betroffen von dem Urteil sind also Altverträge, die seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif sind. Diese dürfen weiterhin von den Bausparkassen gekündigt werden.
Welche Folgen hat das?
Für die Bausparkassen ist das Urteil eine große Erleichterung, gerade für kleinere Kassen hätte ein verbraucherfreundliches Urteil einen großen Einschnitt bedeutet. Die größten Ersparnisse dürften aus künftigen Kündigungen resultieren, welche die Unternehmen nun ungehindert aussprechen kann. “Bausparkassen werden nun erst Recht auf massenhafte Kündigung von Bausparverträgen setzen, um Kunden los zu werden,“ sagt Hartmut Schwarz, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bremen.
Weshalb ist die Entscheidung so wichtig?
Urteile der obersten Zivilrichter geben bundesweit die Linie vor. Segnet also der Senat die Praxis ab, müssen weitere Kunden mit der Kündigung rechnen. Umgekehrt hatte ein Urteil im Sinne der Bausparer der Kündigungspraxis mit einem Schlag ein Ende bereitet.
So funktioniert Bausparen
Bausparer sammeln zunächst ihr Guthaben an. Bei Verträgen, die für eine spätere Finanzierung gedacht sind, ist die Verzinsung nicht so wichtig und auch häufig schlechter als bei den besten Banksparplänen. Die Sparphase läuft mindestens so lange, bis der Kunde das Mindestguthaben erreicht hat.
Wenn der Bausparer das vereinbarte Mindestguthaben angespart, die abhängige Bewertungszahl erreicht und die Mindestwartezeiten eingehalten hat, ist der Vertrag zuteilungsreif. Dann kann der Kunde die Bausparsumme (Sparguthaben plus Bauspardarlehen) für die Finanzierung nutzen.
Der Kunde zahlt für den Kredit einen bei Vertragsschluss bereits vereinbarten Zinssatz. Die monatliche Rückzahlung des Darlehens wird auch Tilgungsrate genannt und fast immer in Promille der Bausparsumme aus gewiesen. Es ist schon bei Vertragsabschluss daher auf eine angemessene Ratenhöhe zu achten.
Was haben die Zinsen damit zu tun?
In erster Linie gedacht ist das Bausparen zum Finanzieren von Hausbau, Wohnungskauf oder Renovierung. In der ersten Zeit zahlt der Kunde Beiträge ein und spart einen Teil der Bausparsumme selbst an. Darauf bekommt er Zinsen. Wird der Vertrag „zuteilungsreif“, kann er sich das Ersparte auszahlen lassen und den restlichen Betrag als Darlehen in Anspruch nehmen. Dafür zahlt er in dieser zweiten Phase Zinsen an die Bausparkasse. Normalerweise sind die Zinsgewinne beim Sparen vergleichsweise unattraktiv. Dafür kann man sich später zu einem verlässlichen, eher niedrigen Zinssatz Geld leihen. Aber in der Niedrigzinsphase funktioniert das nicht mehr: Kredite sind überall günstig zu haben - andererseits gibt es fürs Sparen kaum Zinsen.
Phasen der Bauzinsentwicklung von 1980 bis heute
Im Juni 1980 lagen die Zinsen für Immobilienkredite bei rund 9,5 Prozent, so dass eine Finanzierung über 200.000 Euro mit zehnjähriger Zinsbindung, einem Beleihungsauslauf von 60 Prozent und einer Tilgung von einem Prozent monatlich umgerechnet 1.750 Euro kostete. Die Belastung für ein solches Darlehen summierte sich damit binnen zehn Jahren auf rund 178.000 Euro.
Quelle: Interhyp Gruppe
Die Zeit der Wiedervereinigung war aus Kreditsicht alles andere als ein preiswertes Vergnügen. Mitte der Achtziger waren die Zinsen zwar auf rund 7,5 Prozent gefallen, Anfang der Neunziger verlangten die Banken für ein Immobiliendarlehen jedoch wieder neun Prozent und mehr. Pro Monat mussten Darlehensnehmer dementsprechend erneut rund 1.700 Euro für den besagten 200.000-Euro-Kredit aufbringen.
Zur Jahrtausendwende sind die Zinsen für Immobilienkredite und Kredite überhaupt Achterbahn gefahren. Die Internetblase hatte die Konditionen binnen kurzer Zeit extrem steigen lassen. Konnten Kreditnehmer Ende der neunziger Jahre bereits zu vier Prozent finanzieren, hatte der Aktienboom die Kreditzinsen Anfang 2000 wieder auf über sechs Prozent getrieben. Im Vergleich zu den vorangegangen Jahren waren Darlehen dennoch billig wie nie zuvor. Unser 200.000-Euro-Kredit konnte im Juni 2000 daher bereits mit einer Monatsrate von rund 1.200 Euro bedient werden. Die Kosten dafür lagen auf zehn Jahre gerechnet bei 113.000 Euro.
Die Bankenkrise und die weltweite Erlahmung der Konjunktur haben die Konditionen weiter sinken lassen. Die Zinsen bewegten sich im Juni 2010 bei rund 3,6 Prozent. Im Vergleich zu 2000 halbierte sich die Monatsrate für den beispielhaften 200.000-Euro-Kredit damit fast auf rund 770 Euro. Die Kosten über zehn Jahre hinweg beliefen sich 2010 auf nur noch rund 68.000 Euro.
Während Sparer unter der aktuellen Niedrigzinsphase leiden, dürfen sich Immobilienkäufer über beste Finanzierungsbedingungen freuen. Die Zinsen für das bekannte Immobiliendarlehen über 200.000 Euro mit der Laufzeit von 10 Jahren und einer 60-prozentigen Beleihung liegen im Juni 2014 bei rund 2,2 Prozent. Die monatliche Kreditrate kostet derzeit mit 533 Euro weniger als ein Drittel der Rate vom Juni 1980 – als rund 1.750 Euro für dasselbe Darlehen fällig waren. Und während Kreditnehmer in den achtziger Jahren allein fast die komplette Kreditsumme als Kosten kalkulieren mussten, müssen Häuslebauer heute nur noch knapp 42.000 Euro binnen zehn Jahren zahlen.
Welche Argumente hatte die Verbraucherseite?
Um ihre wirtschaftlich belastenden Altverträge loszuwerden, haben die Bausparkassen seit 2015 bereits schätzungsweise 250.000 Kündigungen verschickt. Zur Rechtfertigung heißt es, die Institute müssten das Wohl sämtlicher Bausparer im Blick haben. Verbraucherschützer wollen das Argument nicht gelten lassen. Sie werfen den Unternehmen vor, die Verträge früher selbst auch als Geldanlage beworben und damit gut verdient zu haben. Jetzt müssten sie die Konsequenzen tragen. Vor den Karlsruher Richtern plädierte BGH-Anwalt Peter Wassermann für die unterlegenen Bausparer und verwies darauf, dass es hier um langjährige Verträge gehe. Beim Abschluss wisse niemand, ob er das Darlehen in der Zukunft tatsächlich gebrauchen könne. Den Kassen hätte klar sein müssen, dass sich die Verhältnisse ändern können. „Dass jetzt eine Niedrigzinsphase eingetreten ist, darf nicht zulasten der Kunden gehen“, sagte er.
Warum waren die Kündigungen rechtlich umstritten?
Dass Verträge gekündigt werden dürfen, die zu hundert Prozent bespart sind, steht außer Frage. Die jüngste Kündigungswelle trifft aber Kunden, die die vereinbarte Bausparsumme noch nicht erreicht haben. Gemeinsam ist allen Fällen, dass die Verträge seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif sind, das Darlehen aber nicht abgerufen wurde.