Berliner Mietendeckel Genossenschaften „massiv bedroht“

Berlins Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) bekommt für ihre Pläne für einen Mietendeckel heftige Kritik von den Berliner Genossenschaften. Quelle: dpa

Auf den städtischen Wohnungsmärkten gelten Wohnungsgenossenschaften eigentlich als die Guten. Doch sie sehen sich vom geplanten Mietendeckel nun massiv bedroht. Ihre Argumente legen die Schwächen der Pläne offen.

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Mit einigem Gegenwind wird Berlins Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) bei ihren Plänen für einen Mietendeckel wohl gerechnet haben. Doch heftige Kritik kommt auch aus einer Ecke, aus der man sie nicht gleich vermuten würde: Die Berliner Genossenschaften protestieren vehement gegen die nun bekanntgewordenen Details. Ihre soziale Erfolgsgeschichte werde so „massiv bedroht“, heißt es in einem Positionspapier. In Summe stehen sie nach eigenen Angaben für rund 200.000 Wohnungen mit etwa 500.000 Bewohnern. Im Schnitt verlangen die Berliner Genossenschaften 5,60 Euro Monatsmiete pro Quadratmeter, und liegen damit einen Euro unter dem Berliner Mietspiegeldurchschnitt und weit unter den derzeit aufgerufenen Neuvertragsmieten. Und doch treffen die Pläne auch sie.

Für sozial orientierte Vermieter seien die aktuellen Pläne „ein Schlag ins Gesicht“, urteilt Frank Schrecker, Sprecher der Berliner Genossenschaften. „Zusätzlich zu den gravierenden wirtschaftlichen Schäden wäre auch der Vertrauensverlust in den Rechtsstaat verheerend. Dass Genossenschaften in Berlin investieren, dürfte dann zur Ausnahme werden. Die Politik muss hier gegensteuern.“ Aus Schreckers Sicht sind die geplanten Mietobergrenzen „willkürlich bestimmt und würden massiv in bisher gesetzlich zulässige und vereinbarte Mietverträge eingreifen. Sollte der Mietendeckel umgesetzt werden, würden Berlins Gerichte von einer Klagewelle enormen Ausmaßes überrollt. Was gestern rechtmäßig war, soll auf einmal als Unrecht deklariert werden. Das ist absurd.“

Dabei unterstützen die Wohnungsgenossenschaften eigentlich das Ziel, Verzerrungen am Wohnungsmarkt zu bekämpfen. „Spekulation und Gier“ hätten diese mitverursacht. Doch dafür bräuchte es eine konsequente Anwendung der vorhandenen Gesetze, keinen pauschalen Mietendeckel.

Nun hoffen die Genossenschaften, dass die Vorlage zum Berliner Mietengesetz schnell gestoppt wird. Vorzeitig bekanntgewordene Eckdaten sehen vor, dass Wohnungen in den kommenden Jahren nicht mehr als knapp acht Euro pro Quadratmeter kosten sollen. Je nach Jahr des Erstbezugs und der Ausstattung wären Quadratmeterkaltmieten von 3,42 bis 7,97 Euro zulässig. Doch auch Vermieter, deren Forderungen unter den Höchstwerten liegen, würden getroffen: Sie dürften bei einer Neuvermietung nicht über die am Stichtag 18. Juni vereinbarte Miete hinausgehen. Nur bei Modernisierungen sollen Zuschläge möglich sein. Diese dürfen aber insgesamt maximal 20 Prozent betragen.

Die Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 schilderte in der jüngsten Ausgabe ihrer Mitgliederzeitschrift eindrücklich, zu welchen absurden Folgen die Mietendeckel-Pläne deshalb führen könnten: Künftig könnte es sein, dass neu einziehende Mieter in zwei quasi identischen Wohnungen völlig unterschiedliche Mieten zahlen müssten, nur weil eine der Wohnungen vorher lange vermietet war und der vorherige Mieter zum Stichtag noch von seiner niedrigen Altmiete profitiert hatte: „Wie sollen wir unseren Mitgliedern erklären, dass das eine Mitglied zum Beispiel 7,20 Euro je Quadratmeter zahlt (Einzug 2018) und das andere Mitglied, das nach dem Mietendeckel die Nachbarwohnung bezieht, nur 3,50 Euro/qm, weil hier die bisherige Miete nicht erhöht werden darf?“ Der soziale Frieden werde durch dieses Vorhaben massiv gestört.

Eine lange Mietdauer ist bei den Genossenschaften die Regel: Im Schnitt wechseln Wohnungen hier erst nach 21 Jahren den Bewohner.

Mehr als 800 Wohnungen wurden 2018 von den Wohnungsgenossenschaften fertiggestellt. 2019 sollten es nochmal so viele sein. Doch alle weiteren Pläne werden nun mit einem Fragezeichen versehen. „Die Baupreise sind in den letzten Jahren um 18 Prozent gestiegen, Grundstücke kaum bezahlbar. Zusätzlich müssen Auflagen wie der Einbau von Rauchmeldern finanziert werden und vieles mehr. Wenn wir nicht mehr frei wirtschaften können, können wir auch vieles nicht mehr leisten“, schreibt die Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892 in der Mitgliederzeitschrift. Modernisierungen und Neubau seien dann nicht mehr bezahlbar. Sozialarbeit, Aufzugseinbauten, altersgerechte Bäder oder Balkonanbauten natürlich auch nicht mehr.

Im Sinne von Bausenatorin Lompscher und vor allem im Sinne der (Neu-)Berliner auf Wohnungssuche dürfte all das eigentlich nicht sein.

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