Energetisch optimiert und modernisiert So entgehen Hausbesitzer der Sanierungsfalle

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Dämmen hat nicht nur Vorteile

Sicher: Dämmen bringt Komfortgewinn. Die Wände strahlen weniger Kälte ab, es gibt keine unangenehme Zugluft an Fenstern oder kalten Betonteilen mehr. Auch das berüchtigte Schimmelproblem tritt nicht auf, jedenfalls nicht häufiger als bei unsanierten Häusern, "wenn die Regeln der Bauphysik und die allgemeine Sorgfalt am Bau" eingehalten würden, sagt El Ansari. Werden sie aber nicht immer, und so wird er oft als Gutachter zu Gericht gerufen, wenn Sanierungen schiefgingen.

Vor allem an der mit Styropor verklebten Außenwand scheiden sich die Geister. Für die Bundesregierung und die halbstaatlichen Energie-Institute Dena und IWU ist ohne sie kaum eine sinnvolle Dämmung möglich; für die Gegner ist sie Quelle allerlei Unbills: Maus, Specht und Schimmel nisteten dort; wenn sie brenne, sei sie nicht mehr zu löschen, und – das ist unbestritten – eine Gründerzeitvilla oder ein Fachwerkhaus wird durch die dicken Platten oft verschandelt, "sodass die Immobilie sogar an Marktwert einbüßen kann, statt zu gewinnen", warnt Architekt Brenncke.

Musterrechnung: Hier lohnt sich die Sanierung nicht

Was genau zu tun ist, berechnen in Deutschland rund 20.000 Energieberater. In deren Standard-Software, sagt El Ansari, „stecken einige Grundannahmen, die praxisfern und unrealistisch sind“. So fallen oft solare und interne Wärmegewinne unter den Tisch. Die sind erheblich: Die tief stehende Wintersonne heizt die ungedämmte Ziegelwand auf; Backofen, TV-Geräte und die Körperwärme der Bewohner selbst: Sie alle führen dem Haus Energie zu. Auch das Nutzerverhalten ist in Altbauten vielfältig, weiß El Ansari: "Die Software aber impliziert, dass ein Altbau voll beheizt wird, vom Flur bis zum Hobbyraum; das ist in der Praxis fast nie so."

Hinter der starren Verordnung stecke die Dämmstofflobby, sagen Kritiker. Es werde oft viel mehr gedämmt, als sinnvoll ist. Das könne er beweisen, sagt El Ansari. Im hessischen Dillenburg hat der Architekt perfekte Bedingungen für einen Feldversuch gefunden: Der Wohn- und Bauverein Dill hat ihm gleich eine ganze Straße für seine empirischen Dämmtests überlassen. Zwölf Häuser aus den Fünfzigerjahren, alle baugleich: je sechs Wohnungen, verteilt auf drei Etagen. Bruchstein-Keller, niedrige Decken, die Wände aus recycelten Vorkriegs-Steinen – typisch für die schlechte Bausubstanz der Fünfzigerjahre.

El Ansari parkt seinen Volvo-Kombi in der Dillenburger Lohrbachstraße, zieht beim Aussteigen die schwarze Jeans hoch, stopft das Hemd hinein und stellt sich breitbeinig vor eins der Häuser: „Energetisch gehören die zum Schlechtesten, was wir in Deutschland haben“, sagt er. Noch ältere Häuser, aus den Baujahren 1900 bis 1939, sind solider gebaut; auch ohne Dämmmaterial konservierten sie Heizenergie länger. "Besser wird es dann erst wieder ab den späten Siebzigerjahren", sagt El Ansari.

Als er 2003 mit den Sanierungen begann, waren alle Häuser ungedämmt. Die ersten Häuser sanierte er noch nach den Vorgaben der Energieeinsparverordnung; doch die tatsächliche Einsparung fiel weit geringer aus als erhofft. Also berechnete El Ansari fortan für jedes Haus die ideale Dämmdicke. Er klebte nur so viel Styropor an die Fassaden, wie er brauchte, um Dämmkosten und Energieeinsparung ins optimale Verhältnis zu bringen. „Das hier“, Ansari zeigt auf eins der schmucklosen Gebäude, „haben wir außen nur mit sechs Zentimeter Styropor gedämmt, statt mit 18 Zentimetern, wie es die Verordnung vorgeschrieben hätte.“ Zusammen mit der Dämmung des Dachbodens und einer neuen Heizung kostete das 75.000 Euro; der Energieverbrauch je Quadratmeter sank um 40 Prozent, von 230 Kilowattstunden im Jahr auf 140 Kilowattstunden. Mit 20 Zentimeter Styropor und noch besseren Fenstern hätte El Ansari den Verbrauch zwar um weitere 16 Prozent senken können, „aber die Sanierung hätte dann 105.000 Euro gekostet“, sagt er. Die zusätzliche Ersparnis habe den Aufwand nicht gelohnt.

Wer eine Fassade mit 30 Zentimetern statt mit 10 Zentimetern dämmt, muss nicht nur die höheren Materialkosten berechnen; auch der Bauprozess wird teurer: Das Gerüst muss weiter von der Wand abgerückt werden; das erfordert teure Daueranker. Der Dachüberstand reicht nicht aus, um die dicke Dämmung darunter zu packen; Sparren müssen verlängert, Regenrinnen und Fallrohre neu gesetzt werden.

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