Die Nachfrage nach Baufinanzierungen ist im Zuge steigender Zinsen weiter gefallen. Das Neugeschäft deutscher Banken mit Immobiliendarlehen an Privathaushalte und Selbstständige brach im September um 28 Prozent zum Vorjahresmonat ein, wie neue Daten der Beratungsfirma Barkow Consulting zeigen.
Mit einem Volumen von 16,1 Milliarden Euro liege das Neugeschäft auf dem niedrigsten Stand seit 2014, so die Analyse, die sich auf Zahlen der Europäischen Zentralbank und der Bundesbank stützt. Dabei besteht das ausgewiesene Neugeschäft aus Verlängerungen und Neuverhandlungen bestehender Finanzierungen sowie erstmals abgeschlossenen Krediten. Barkow sprach von einem Rekordrückgang und einem sich beschleunigenden Abwärtstrend.
Auch Kreditvermittler berichteten in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur von viel Zurückhaltung bei Verbrauchern. „Mit den steigenden Zinsen haben viele Menschen neu kalkuliert, sind bei der Immobilie Kompromisse eingegangen oder haben vom Immobilienkauf vorerst Abstand genommen”, hießt es etwa bei Interhyp. „Über alle Kanäle hinweg reduziert sich aktuell die Nachfrage am Markt”, sagte auch Michael Neumann, Vorstandschef bei Dr. Klein. Das Unternehmen Hüttig & Rompf beobachtet „definitiv eine deutliche Verunsicherung bei den Verbrauchern und Immobilieninteressenten”.
Zinsen haben sich vervierfacht
Schon in den vergangenen Monaten hatte sich das Neugeschäft mit Baufinanzierungen wegen des Zinsanstiegs eingetrübt. Seit Jahresbeginn haben sich die Zinsen für zehnjährige Immobilienkredite auf rund 4 Prozent mehr als vervierfacht. Bei den monatlichen Raten macht das oft Hunderte Euro aus. „So einen Zinsanstieg gab es noch nie”, sagte Berater Peter Barkow. Hinzu kommt, dass Banken wegen der hohen Inflation Anträge auf Immobilienkredite strenger prüfen – sie setzen zum Beispiel höhere Lebenshaltungskosten bei Verbrauchern an.
Als wäre das nicht genug, macht Bauherren auch der starke Anstieg der Baupreise zu schaffen. Viele Wohnbauprojekte werden bereits abgesagt. Im September meldeten laut Ifo-Institut 16,7 Prozent der befragten Baufirmen stornierte Aufträge, deutlich mehr als im August. Mit den raueren Zeiten am Immobilienmarkt herrscht viel Nervosität, wie es weiter geht, nachdem die Preise jahrelang hochgeschossen waren.
Einbruch bei Kreditvergabe an Privathaushalte
Bei der Nachfrage nach Immobilienkrediten hat all das Spuren hinterlassen. Erreichte das Neugeschäft bei Wohnungsbaukrediten deutscher Banken an Privathaushalte laut der Prüfungsgesellschaft PwC im März noch ein Allzeithoch mit gut 32 Milliarden Euro, ging es in den Folgemonaten zurück und fiel im August auf 18,5 Milliarden Euro.
Nachdem das Neufinanzierungsvolumen im Mai noch fast 20 Prozent über Vorjahr gelegen habe, sei es ab Juni ins Minus gedreht, heißt es bei Barkow Consulting. Im August sei das Minus zum Vorjahr auf 19 Prozent gewachsen und im Folgemonat auf 28 Prozent. Der Bestand insgesamt an Baufinanzierungen sei im September noch um gut sechs Prozent gestiegen - immer noch mehr als der langjährige Schnitt.
Für deutsche Banken sind Baufinanzierungen ein sehr wichtiges Geschäft. Private Immobiliendarlehen bilden mit rund 40 Prozent den größten Anteil in ihrem Kreditbuch. Nach Jahren des Booms lag der Bestand laut Barkow im September bei 1555 Milliarden Euro.
Der Rückgang bei den Baufinanzierungen macht den Banken Sorgen. „Die Nachfrage ist von einem Tag auf den anderen eingebrochen. Viele Projekte im Planungsstadium werden storniert”, sagte Sparkassenpräsident Helmut Schleweis jüngst dem „Handelsblatt”. Und der Vizechef der Deutschen Bank, Karl von Rohr, geht davon aus, „dass das Immobiliengeschäft branchenweit nicht nur kurzfristig, sondern auf mittlere Sicht schwächer ausfallen wird”.
Die größten Finanzierungsfallen für Immobilienkäufer
Wer seine finanzielle Belastungsgrenze für Zins und Tilgung überschätzt, gefährdet die gesamte Finanzierung. Die Monatsraten sollten ein Drittel der Einkünfte nicht übersteigen. Schließlich geht das Alltagsleben auch für Immobilienbesitzer weiter. Unvorhergesehene Ausgaben, etwa eine größere Autoreparatur, müssen problemlos bezahlbar bleiben. Dafür sind Reserven in Höhe von drei bis sechs Monatsgehältern empfehlenswert.
Quelle: Bausparkasse Schwäbisch-Hall, eig. Recherche
Stand: 2022
Bauherren sollten genau kalkulieren, ob sie mindestens zwei oder besser drei Prozent Tilgung im Monat stemmen können. Ein weiterer Anhaltspunkt für die Rechnung: Spätestens bei Renteneintritt sollte die Immobilie abbezahlt sein. Die Bauzinsen sind zuletzt zwar gestiegen, die Zinsaufschläge für lange Kreditlaufzeiten von 20 oder gar 30 Jahren sind aber nicht besonders hoch. Eine möglichst lange Zinsbindung ist deshalb sinnvoll und sichert gegen einen weiteren Zinsanstieg ab.
Je mehr Eigenkapital in die Finanzierung eingebracht wird, desto weniger Geld muss sich der Kreditnehmer leihen. Als Faustregel gilt: Mindestens 20 Prozent der Gesamtkosten (Bau-, Kauf- und Kaufnebenkosten) sollten Käufer aus eigenen Mitteln bestreiten können. Wer den Kreditbedarf unterschätzt, muss womöglich eine teure Nachfinanzierung in Kauf nehmen. Setzt man die Bedarfssumme dagegen zu hoch an, verlangen Banken eine Nichtabnahmeentschädigung.
Banken finanzieren sie nur ungern mit: Die Gesamtnebenkosten aus Grunderwerbsteuer, Gebühren für Notar und Grundbucheintrag sowie mögliche Maklerprovisionen können sich auf bis zu 15 Prozent des Kaufpreises summieren. Wer eine Immobilie im Wert von 300.000 Euro finanzieren will, sollte also bereits 45.000 Euro für die Nebenkosten angespart haben.
Guthaben aus Riester-Verträgen, Darlehen aus öffentlicher Hand, wie Kredite der KfW-Bank, oder auch Baugeld vom Bürgermeister können den Kreditbedarf senken. Zusätzlich kann es weitere Zuschüsse geben. Wer die besonders für Familien mit Kindern lukrative Wohn-Riester-Förderung oder das Baukindergeld nicht für die Finanzierung nutzt, verschenkt mitunter eine fünfstellige Summe. Oberländers Tipp: „Käufer sollten sich im Vorfeld gezielt nach Zulagen und Förderungen erkundigen.“
Darlehensvergabe restriktiver als zuvor
Die Bilthouse Gruppe, unter derem Dach mehrere Kreditvermittler vereint sind, kann die Berichte über den Abwärtstrend bestätigen. „Früher konnte man mit sehr wenig oder keinem Eigenkapital noch finanzieren.” Derzeit könne man einige Finanzierungsanfragen nicht an Banken weitergeben, „da die Kunden die erhöhte Zinslast nicht tragen könnten”. Die Darlehensvergabe der Banken sei erheblich restriktiver geworden, beobachtet auch Ditmar Rompf, Vorstandschef bei Hüttig & Rompf. „Bei verhältnismäßig geringem Eigenkapitalanteil schauen sie besonders genau hin.” Der Anteil der Kaufinteressenten, den man wieder nach Hause schicken müsse, sei deutlich gestiegen.
Neumann von Dr. Klein berichtet, dass nicht nur die Zinsen die Nachfrage nach Immobilienkrediten belasten, sondern auch die gestiegenen Lebenshaltungskosten. Es gebe Interessenten, die sich eine Immobilie rein rechnerisch leisten könnten – angesichts der hohen Inflation und großen Heizkosten warteten sie aber teilweise ab.
Die Kreditvermittler sehen aber auch Lichtblicke. Einige Banken hätten auf die gestiegenen Zinsen reagiert und ihre Anforderungen an die Mindesttilgung heruntergesetzt, beobachtet Interhyp. Und Neuman meint: „Viele Verkäufer wollen jetzt noch am alten Preis zu niedrigeren Zinsen verkaufen. Leider gibt es zu diesen Preisen keine Käufer.” Das Angebot sei größer als die Nachfrage. „Es entsteht jetzt, was es seit 15 Jahren nicht mehr gab: ein Käufermarkt.”
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