
Eine halbe Milliarde Euro sollte der Büroklotz Cannon Place in der City of London kosten. Die Verhandlungen zwischen dem Verkäufer und der Volksbanken-Fondsgesellschaft Union Investment waren weit fortgeschritten. Doch dann, kurz vor dem Brexit-Votum Ende Juni, zog Union Investment sich zurück. Gerade noch rechtzeitig, bevor die Brexit-Schockwellen nicht nur die Kapitalmärkte, sondern auch Immobilienanleger in Großbritannien verschreckten. Andere – bereits ausverhandelte – Deals platzten aufgrund von Exit-Klauseln, die Käufer vorsorglich eingebaut hatten.
Mittlerweile hat sich die Aufregung gelegt. Auch ließen sich längst nicht alle Käufer abhalten: Die US-Bank Wells Fargo kaufte sich in London im Juli für 300 Millionen Pfund einen neuen Hauptsitz. Der auf Großanleger spezialisierte Frankfurter Fondsverwalter Triuva, griff im schottischen Edinburgh im September bei einer Immobilie für 75 Millionen Euro zu.
Wer hat recht? Das fragen sich auch über zwei Millionen Privatanleger in Deutschland, die in offene Immobilienfonds investiert haben. Insgesamt verwalten die Fonds 87 Milliarden Euro, davon stecken acht Milliarden in britischen Gebäuden.





Doch Anlass zu großer Sorge besteht nicht. Zwar könnte der Brexit die mit zwei bis drei Prozent pro Jahr ohnehin nicht üppig rentierenden Fonds leicht belasten. Deutlich spürbare Einbußen drohen eher nicht: Die von deutschen Fonds gehaltenen Immobilien sind meist solide vermietet und wurden früh zu noch vertretbaren Preisen gekauft. Außerdem haben die Fondsgesellschaften Absicherungen eingebaut, um große Wertschwankungen zu vermeiden. Damit eignen sich offene Immobilienfonds weiter für den Geldanlagemix, insbesondere, wenn das Sparbuch nur noch 0,001 Prozent abwirft.
Ungewohnte Turbulenzen
Völlig aus der Luft gegriffen sind die Brexit-Sorgen indes nicht. Der Chef der Schweizer Bank UBS schätzt, dass 1500 seiner 5000 Mitarbeiter aus London abziehen könnten. Die Chinesen wollen ihren Devisenhandel verlagern. Selbst japanische Unternehmen denken über einen Umzug nach. Das Weltfinanzzentrum London – bislang mit nur 3,7 Prozent leerstehenden Büroflächen ein Paradies für Vermieter – könnte günstiger werden.
Die Briten selbst hatten am wenigsten Vertrauen. Sie haben direkt nach dem Votum heimische Immobilienfonds so massiv verkauft, dass die mangels Liquidität geschlossen wurden. Britische Fonds bewerteten Immobilien stärker nach aktuellen Kauf- und Verkaufspreisen als deutsche Fonds. Eine gefährliche Spirale setzte sich in Gang: Wenn Fondsanleger auf der Insel Geld abziehen, wird das als Signal gewertet, dass auch am Immobilienmarkt ein Preissturz erwartet wird. Weil die dortigen Fondshäuser – anders als hierzulande – die offiziellen Kurse von einem auf den anderen Tag niedriger ansetzen dürfen, brachen diese um bis zu 17 Prozent ein.
Die Skepsis der Anleger hatte mehrere Gründe: Britische Fonds investieren komplett in Großbritannien, sodass ein Preisverfall sie voll treffen würde. Außerdem waren die Fonds über Jahre stark gestiegen, sodass Anleger die aufgelaufenen Gewinne noch schnell mitnehmen wollten.
Die Panik war groß – legte sich aber auch schnell. Inzwischen zahlen die Fonds Anleger wieder aus, die Kurse haben sich erholt. „Der britische Anleger, der seine Anteile nach einem solchen Ereignis zum Tiefpunkt verkauft, fährt einen hohen Verlust sofort ein, ohne dass sich am Immobilienmarkt etwas getan hätte“, sagt Gernot Archner, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Immobilien-Investment-Sachverständigen.