Neue Studien zu Immobilienpreisen Die Mieten sinken – doch dahinter verbirgt sich etwas anderes

Mietpreise: Immer mehr Menschen in Deutschland gehen gegen hohe Mieten auf die Straße Quelle: imago images

Eine Sensationsnachricht macht derzeit die Runde: Wie eine neue Studie zeigt, sinken die Mieten erstmals seit Jahren. Allein: Die Realität ist leider deutlich komplizierter – und nicht ganz so rosig.

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Seit gestern geistert eine Sensation durch die deutsche Medienlandschaft. „Die Mieten sinken“, frohlocken Publikationen jeglicher Couleur und die „Bild„-Zeitung orakelt gar: „Ist der Mietwahnsinn bald vorbei?“ Auslöser der Euphoriewelle ist der neue „Wohn-Index“ des Immobilienberaters F+B. Die zeigt tatsächlich, dass die Mieten im ersten Quartal 2019 leicht gesunken sind, nämlich um 0,3 Prozent.

Doch das ist nur ein kleiner Teil der Wahrheit – und das größere Bild sieht leider deutlich weniger erfreulich aus. So beziehen sich die minus 0,3 Prozent auf das Vorquartal, also Ende 2018. Doch schon wer stattdessen das Vorjahresquartal als Vergleichswert nimmt, sieht statt den sinkenden Mieten ein sattes Preisplus von fünf Prozent.

Entsprechend verhalten bewertet auch Studienautor Manfred Neuhöfer seine Ergebnisse. Der Rückgang sei „bemerkenswert“, sagt er, „das hatten wir lange nicht“. Dennoch sei klar: „Das ist noch keine Revolution, kein bundesweiter Trend.“ Insgesamt sei die „Wachstumsdynamik“ des deutschen Wohnimmobilienmarktes ungebrochen.

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Da sich der Immobilienmarkt in Deutschland extrem unterschiedlich entwickelt, Stichwort: Stadt-Land-Schere, hat ein Durchschnittswert für die gesamte Republik wie die minus 0,3 Prozent ohnehin nur begrenzte Aussagekraft. Die Daten zeigen auch: Die ländlichen Gebiete bluten weiter aus – und das zieht die Durchschnittsmieten nach unten.

„Auf der Ebene von Städten oder Stadtteilen sieht das im Einzelfall natürlich anders aus“, erklärt Neuhöfer. Im Klartext: Dort geht die Preissteigerung munter weiter. Spitzenreiter im F+B-Vergleich ist Rosenheim mit einem Plus von 18 Prozent in nur einem Quartal.

Die detaillierte Tabelle hat F+B zwar nicht veröffentlicht, doch die vorhandenen Daten legen einen unerfreulichen Schluss nahe: Da die Mieten in den meisten Städten weiter steigen, muss die Schrumpfung der anderen ziemlich ausgeprägt sein, um insgesamt auf einen negativen Wert zu kommen. Das ist nicht unbedingt die positive Nachricht, die viele darin sehen.

Bemerkenswert ist jedoch, dass der F+B-Studie zufolge nicht nur Mieten in ländlichen Regionen gesunken sind, sondern sogar in München und Berlin. So fielen die Mieten in München im Vergleich zu Ende 2018 um 1,3 Prozent. In Berlin waren es minus 1,7 Prozent.

Dabei entwickelten sich die Mietpreise innerhalb der Städte jedoch höchst unterschiedlich. So wurden in Berlin Quadratmetermieten zwischen 5,40 Euro und 19,50 Euro abgerufen. In München erstreckte sich der Korridor sogar von 9,80 bis 30 Euro pro Quadratmeter – ein Betrag übrigens, der laut F+B erstmals abgerufen wurde. Damit verzeichnet München erneut einen unrühmlichen Rekord, wenngleich nicht auf das gesamte Stadtgebiet bezogen.

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So begleitet Neuhöfer seine Studie denn auch mit einer eher düsteren Warnung: „Wenn München, Freiburg, Berlin Kreuzberg und der Hamburger Szenestadtteil Ottensen eine solche Sogwirkung entfalten, dass die Mehr-Nachfrage auch durch eine noch so expansive Baupolitik niemals befriedigt werden kann, steigen die Preise bis zu dem Punkt, an dem sich viele Nachfrager diese Wohnkosten nicht mehr werden leisten können.“

Dieses Problem könnten auch staatliche Subventionen nicht lösen – die ohnehin eine Gerechtigkeitsfrage aufwerfen würden, wie er weiter ausführt: „Warum sollten die Steuerzahler in Pirmasens oder Eisenhüttenstadt die Wohnkosten der Mieter in den teuren In-Stadtvierteln heruntersubventionieren?“

Dabei kann von der erwähnten „expansiven Baupolitik“ derzeit ohnehin keine Rede sein, wie eine andere aktuelle Studie zeigt. Wie das Forschungsinstitut Prognos erhoben hat und am heutigen Donnerstag auf dem Wohnungsbau-Tag 2019 vorstellt, müssten in Deutschland dreimal so viele Sozialwohnungen gebaut werden wie bisher, um den Bedarf zu decken. Und nicht nur das: Gerade in den 40 Städten, in denen die Lage am angespanntesten ist, wird auch insgesamt zu wenig gebaut.

Anders als die F+B-Studie sieht Prognos jedoch durchaus eine bauliche Lösung für das Mietproblem: mehrgeschossige Bauten. Der Kampfbegriff lautet hier Verdichtung, also das Aufstocken bestehender Gebäude. Dadurch, so die optimistische Aussage der Prognos-Studie, sei es „insbesondere in Boomstädten möglich, den Anstieg der Mieten im Neubau zum Teil erheblich zu bremsen“.

Doch auch hier gießen die zuvor noch so optimistischen Autoren gleich selbst Wasser in den Wein: Selbst, wenn es Baugrund gäbe, hätte die Bauwirtschaft kaum Kapazitäten frei. In einem sind sich beide Studien also einig: Deutschland wird auch weiterhin mit zu hohen Immobilienpreisen zu kämpfen haben, die Frage ist nur, in welchem Ausmaß.

In drei Monaten wird F+B-Forscher Neuhöfer den nächsten „Wohn-Index“ veröffentlichen. Schon jetzt erlaubt er sich einen verhaltenen Optimismus: „Wir schließen nicht aus, dass die Neuvermietungsmieten weiter stagnieren.“ Selbst ein geringer Anstieg wäre ein gutes Zeichen. Von sinkenden Mieten hingegen, wie sie derzeit überall herbeigeschrieben werden, ist jedoch selbst bei Neuhöfers optimistischem Szenario keine Rede.

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