
Die niedrigen Zinsen sind die Ursache dafür, dass der Immobilienmarkt brummt. Seit die Zinsen so niedrig sind und das Vertrauen in Banken und auf eine auskömmliche Rente vom Staat schwindet, verschulden sich auch die Deutschen gerne für eine Immobilie – und für mietfreies Wohnen im Alter.
Die niedrigen Monatsraten machen eine Baufinanzierung für wachsende Teile der Bevölkerung überhaupt erst möglich. Aktuell zahlen Hauskäufer für eine Immobilienfinanzierung mit zehnjähriger Laufzeit etwa 1,0 Prozent Zinsen. 2002 waren es noch um die fünf Prozent, 2010 um die 3,5 Prozent.
Bis das Haus abbezahlt ist, müssen die Kreditkunden bei den alten Verträgen also ein Vielfaches für die Zinsen aufwenden. Im Durchschnitt finanzieren Bauherren und Käufer ihr neues Zuhause zu knapp 80 Prozent auf Kredit. Bei einem Darlehen über 180.000 Euro ist eine Finanzierung zu aktuell zwei Prozent schon während der Zinsbindungsfrist von zehn Jahren um rund 50.000 Euro günstiger als ein Immobilienkredit aus dem Jahr 2002, der mit einem Sollzins von fünf Prozent abgeschlossen wurde.





Klar, dass viele Immobilienkäufer am liebsten raus aus ihrem alten Kreditvertrag und stattdessen auf ein Immobiliendarlehen zu den aktuellen Konditionen umschulden würden. Der Haken: Wer seinen Kredit nach weniger als zehn Jahren Laufzeit kündigt, muss die Bank für die entgangenen Zinseinnahmen entschädigen. Das kann bei einem Darlehen im sechsstelligen Euro-Bereich zigtausend Euro an sogenannter Vorfälligkeitsentschädigung kosten.
Widerrufjoker nur noch bis 21. Juni
Doch seit mehr als zwei Jahren machen sich Verbraucher ein Urteil des Bundesgerichtshof (BGH) zunutze, um kostenlos ihre Kreditverträge widerrufen und damit rückabzuwickeln. Der Kunde zahlt die offenen Schulden dann auf einen Schlag zurück, die Bank muss laut BGH-Urteil (XI ZR 366/15) sogar als „Nutzungsersatz“ bereits gezahlte Zins- und Tilgungszahlungen mit 1,67 bis 4,17 Prozent verzinsen und der Kunde sucht sich für die Restschuld eine Finanzierung zur aktuellen Niedrigzinssätzen. Für Kreditkunden ist das wie ein Sechser im Lotto, weshalb die Branche auch vom Widerrufsjoker spricht.
Möglich machte das eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung, wie sie in etwa drei Viertel aller Verträge zwischen 2002 und Juni 2010 zu finden war. Hat die Bank darin nicht klar und im Einklang mit den Verbraucherrechten genau über Beginn und Dauer der Widerrufsfrist sowie über die Folgen eines Kreditwiderrufs informiert – nämlich die Begleichung der Restschuld innerhalb von 30 Tagen – aufgeklärt, begann die normalerweise nur zweiwöchige Widerrufsfrist erst gar nicht. Die Folge: Der Kreditnehmer kann den Vertrag auch Jahre nach Ablauf der Frist widerrufen werden, quasi ewig.
So checken Sie Ihren Kreditvertrag
Wurde der Vertrag nach Herbst 2002 abgeschlossen?
Wenn sie diese Frage bejahen machen Sie weiter mit der nächsten Frage.
Wenn nicht, trifft Ergebnis 1 auf Sie zu.
Haben Sie eine Widerrufsbelehrung von der Bank bekommen?
Wenn ja, machen Sie mit der nächsten Frage weiter. Wenn nicht trifft Ergebnis 2 zu.
Ist diese Widerrufsbelehrung optisch eindeutig vom Rest des Vertrags abgehoben?
Wenn ja, machen Sie mit der nächsten Frage weiter. Wenn nicht trifft Ergebnis 2 zu.
Steht im Vertrag "Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt der Belehrung"?
Wenn nicht, machen Sie mit der nächsten Frage weiter. Wenn doch trifft Ergebnis 2 zu.
Adressiert Sie Ihre Bank durchgängig in Singular und Plural (Ich/ Wir, Meine/Unsere)?
Wenn nicht, machen Sie mit der nächsten Frage weiter. Wenn doch trifft Ergebnis 2 zu.
Hat die Bank in die Belehrung zu der Dauer der Widerrufsfrist eine Fußnote eingefügt, in der die Dauer konkretisiert wird oder vom Kunden verlangt wird, die Frist "im Einzelfall zu prüfen"?"
Wenn nicht, trifft Ergebnis 3 zu. Wenn Sie dieser Frage zustimmen betrifft Sie Ergebnis Nummer 2..
Kein Recht auf Widerruf.
Ausnahme: Nach Ablauf wurden mehr als nur Zins und Laufzeit neu vereinbart. Dann wäre der Vertrag als Neuvertrag einzustufen, dessen Widerrufsbelehrung falsch sein könnte.
Prüfen Sie Ihren Vertrag.
Sie wurden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht wirksam über Ihren Widerruf belehrt, sodass Sie auch heute noch widerrufen könnten.
Ihre Widerrufsbelehrung enthält keinen der üblichen Fehler.
Insgesamt gibt es aber über 400 – eine Vertragsprüfung durch Anwälte oder Verbraucherzentrale könnte sich dennoch lohnen.
Aber jetzt hat der Gesetzgeber dem ewigen Widerrufsjoker einen Riegel vorgeschoben. Seit das BGH die große Mehrheit der Widerrufsbelehrungen als fehlerhaft abstempelte und damit Tür und Tor für den „Widerrufsjoker“ öffnete, sehen sich die Banken einer Flut von Anfragen gegenüber. Zigtausend Kreditverträge wurden Anwälten und Verbraucherschützern zur Prüfung vorgelegt und zahlreiche Gerichte bemüht, um die Zulässigkeit des späten Widerrufs im Einzelfall zu prüfen.
Doch inzwischen haben Bankenverbände den Gesetzgeber erfolgreich gedrängt, den Widerrufsjoker aus dem Spiel zu nehmen. Nach Inkrafttreten der neuen Wohnimmobilienkreditrichtlinie am 21.März 2016 bleibt Betroffenen nur noch bis zum 21. Juni Zeit, um den Widerruf ihres alten Finanzierungsvertrags auszusprechen. Der Gesetzgeber hat nämlich festgelegt, dass alle Widerrufsfristen aus Kreditverträgen mit fehlerhafter Widerrufsbelehrung nach nochmaliger dreimonatiger Übergangsfrist endgültig enden sollen.