Best of Legal Das sind die innovativsten Anwälte Deutschlands

Quelle: imago images

Durch die Digitalisierung wandelt sich auch der Rechtsmarkt enorm. Im Wettbewerb „Best of Legal“ hat die WirtschaftWoche deshalb erstmals die wegweisendsten Juristen des Landes gekürt. Die Gewinner im Überblick.

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Philipp Glock hat als gut beschäftigter Anwalt so einige Videotelefonate am Tag. Dieses dürfte aber wohl eines der schönsten gewesen sein. „Wir freuen uns sehr über den Preis“, sagt Glock. Seine Kanzlei KPMG Law, die juristische Abteilung des Prüfungsunternehmens KPMG, hat soeben den Best of Legal Award der WirtschaftsWoche in der Kategorie „Innovative Geschäftsmodelle“ gewonnen.

Gleich vier Projekte der Kanzlei überzeugten die Fachjury. Gemeinsam mit Microsoft entwickelte KPMG zum Beispiel einen cloudbasierten Dienst, um Aktiengesellschaften oder Vereinen virtuelle Hauptversammlungen zu ermöglichen, die alle gesetzlichen Vorgaben erfüllen. „Im Gespräch mit Kunden haben wir immer wieder gehört, dass so etwas fehlt“, berichtet Glock. „Der Preis zeigt uns, dass das Thema für viele sehr relevant ist.“ Mit dem Tool „InSite“ lassen sich zudem Unternehmenskäufe automatisiert vorbereiten. Und KPMGs „Law Robotics“ nutzt sogenannte „Law Bots“ zur Automatisierung von administrativen Prozessen in der Kanzlei und bei Mandanten.

All diese Anwendungen zeigen: Der digitale Wandel bietet auch auf dem Rechtsmarkt enorme Chancen. Zugleich ist es nach wie vor schwer einzuschätzen, wer die wirklichen Innovationstreiber sind, wo spannende Geschäftsmodelle entstehen und wo „Legal Services“ wirklich neu gedacht werden.

Die Digitalisierung ändert auch den Arbeitsalltag von Anwälten. „Der Unternehmensjurist hat sich zu einem Businesspartner entwickelt“, erklärte Martina Seidel, Group Chief Legal und Compliance Officer bei Giesecke+Devrient, bei einer Podiumsdiskussion während der Preisverleihung. „Anwälte helfen, neue Geschäftsmodelle auf den Weg zu bringen. Dafür brauchen sie ein anderes Mindset als früher.“

Eine Branche im Wandel also. Deshalb hat die WirtschaftsWoche alle großen Kanzleien des Landes aufgefordert, in vier Feldern gegeneinander anzutreten. In der Kategorie „Geschäft und Technik“ sollten sie ihre Versuche schildern, aus dem digitalen Wandel der Branche als Sieger hervorzugehen. Im Bereich „Initiativen und Talente“ ging es um die verschiedenen Ansätze, gute Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden. In „Deals und Verfahren“ wurden die komplexesten Aufträge der vergangenen Zeit genannt. In „Köpfe und Teams“ schließlich ging es um die besten Einzelanwälte oder Teams. Insgesamt gingen 139 Bewerbungen ein – alle großen Top-Kanzleien haben sich beteiligt. Eine Fachjury aus 14 Mitgliedern, vor allem Unternehmensjuristen, haben die besten Einreichungen ausgewählt.

Hier sind die Gewinner:

Deals

Für die Verbriefung der Autohandelsplattform Auto1 hatten sich die Juristen von Freshfields Bruckhaus Deringer einen besonders innovativen Ansatz überlegt: Statt sonst üblicher Forderungen wurden gebrauchte Fahrzeuge der Privatverkäufer in die Finanzierung eingebracht. Der Ansatz hat sich gelohnt: 500 Millionen Euro hat Auto1 mit den Verbriefungen eingenommen. „Einen vergleichbaren Deal gab es in Europa noch nicht“, erklärte Laudator Nikolas Hübschen, Senior VP General Law & Litigation bei Uniper. Auto1 ist heute mit knapp zehn Milliarden Euro bewertet. Mehr als 75 Anwälte waren an der Verbriefung beteiligt. „Wir haben in vielen Bereichen Neuland betreten“, erinnerte sich Preisträger Mario Hüther. „Es gibt nichts Schöneres für Anwälte, als mal noch nicht ausgetretene Pfade zu betreten.“

Kategorie 2: Technologie und Daten

Norton Rose Fullbright entwickelte ein Verfahren N-Accelerate , das den extrem komplexen Prozess der Datensammlung, etwa vor großen Finanztransaktionen, um ein Vielfaches beschleunigt. Dazu identifiziert das Verfahren oft gemeinsam verwendete Dokumenttypen, zerlegt sie in ihre Einzelteile, betrachtet Überschneidungen und kann so automatisiert Dokumente erstellen. Dadurch müssen die Mandanten weniger zahlen und die Anwälte haben mehr Zeit sich um komplexe Probleme zu kümmern – anstatt um nervige Dokumentenerstellung. „Jetzt muss ich nicht mehr um 12 Uhr nachts auf 200 Seiten Plural zu Singular ändern. Die Entwurfsphasen von unseren Kreditverträgen haben sich quasi halbiert“, sagte Bernhard Fiedler von Norton Rose Fulbright. Fiedler hatte sich für die Preisverleihung extra schick angezogen und trug einen Frack mit schwarzer Fliege. Die „Best of Legal”-Jury dürfte aber das innovative Verfahren und nicht Fiedlers Outfit überzeugt haben.

Produkte

Hier überzeugte die Kanzlei SKW Schwarz die Jury. Mit der digitalen Rechtsabteilung „skwtech.io“ hat sie sich auf eine Zielgruppe spezialisiert, deren professionelle juristische Beratung oft am Geld scheitert: Freelancer und Start-ups. Die Plattform soll möglichst günstig und leicht verständlich beim Gründungsprozess helfen, etwa mit Videos oder Checklisten. „Gerade im Start-up-Bereich gibt es Fehler, die immer wieder auftreten. Wenn die am Anfang passieren, kann das lange Konsequenzen nach sich ziehen“, erklärte Stefan Schick, CEO von SKW Schwarz, der den „Best of Legal”-Award virtuell entgegennahm.

Nachhaltigkeit und Diversity

Um den Anteil von Frauen und gesellschaftlich benachteiligten Gruppen in der nach wie vor eher homogenen Welt der Großkanzlei-Partner zu erhöhen, hat Clifford Chance unter anderem ein Reverse Mentoring-Programm ins Leben gerufen. Dabei agiert eine weniger erfahrene Person aus der Kanzlei als Mentor für eine seniore Führungskraft. Es geht um die Themen Gender, LGBT, Ethnische Vielfalt und Erfahrungen mit Beeinträchtigung. Das Konzept hat nicht nur die Jury überzeugt, sondern auch die Beschäftigten. Das Programm sei intern sehr gut angenommen worden, berichtet Clifford Chance.



Leader und Teams

Zudem prämierte die Jury in drei Kategorien individuelle Leistungen. In der Kategorie Future Leader erhielt dabei die Anwältin Valesca Molinari die Auszeichnung „Best of Legal“. Sie beschäftigt sich bei der Kanzlei BakerMcKenzie um die Rechtsfragen in Zusammenhang mit der Digitalisierung industrieller Prozesse. Als bester Senior Leader wurde Benjamin Parameswaran ausgezeichnet, der als für den deutschen Raum verantwortlicher Partner bei der DLA Piper die Kanzlei konsequent auf die Betreuung von Großkonzernen ausgerichtet hat. Zum Team des Jahres kürte die Jury eine Gruppe von Anwälten der Kanzlei Linklaters. Die Digital Economy Group hat sich vor allem auf die Rechtsfragen spezialisiert, die das Geschäft von Fintechs prägen.

Kanzlei-Kultur

Die Arbeitszeiten in Großkanzleien sind berüchtigt. Um das zu ändern, kehrt Preisträger Vangard in seinem „New Work“-Modell sogar dem in der Branche üblichen Konzept der „Billable Hours“ den Rücken, in dem Anwälte vor allem danach bezahlt werden, wie viele abzurechnende Stunden sie leisten. Stattdessen setzt die Kanzlei auf die unternehmerische Mitverantwortung aller Angestellten. Diese können auch unabhängig vom Ort arbeiten. Denn auch von der Präsenzpflicht hat sich Vangard gelöst. „Wir haben alte Kanzlei-Hierarchien hinter uns gelassen“, erklärt Partner Alexander Bartz.

Mehr zum Thema: Kaum ein Berufsstand ist von mit künstlicher Intelligenz gefütterter Software so bedroht wie Juristen. Noch aber sind die Folgen des Booms von Legaltech offen: Profitieren Kanzleien vom Wandel oder gehen sie unter?

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