




Mit gesundem Menschenverstand hat das nichts zu tun, mit Steuersystematik erst recht nicht: Kursgewinne aus Wertpapieren, die seit Anfang 2009 gekauft wurden, unterliegen der Abgeltungsteuer, Gewinne aus den bis Ende 2008 gekauften Wertpapieren nicht, Gewinne aus Gold- und Silbermünzen oder -barren sogar auch dann nicht, wenn sie seit Anfang 2009 gekauft wurden, Hauptsache, seitdem ist ein Jahr vergangen.
Gewinne aus dem Verkauf vermieteter Immobilien werden besteuert, sofern seit dem Kauf noch keine zehn Jahre verstrichen sind, danach nicht mehr. Handelt es sich dagegen um selbst genutzte Immobilien, bleiben Gewinne steuerfrei. Obendrein ist das Ganze gespickt mit Sonderregelungen – ein Fall für Steuerfüchse oder für Psychiater.
Immobilieneigentümer aufgepasst!
Aus der Berliner Psychiatrie kann man nun immer häufiger vernehmen, in der nächsten Legislaturperiode werde die Zehn-Jahre-Frist durch ein anderes Steuermodell ersetzt. Zur Auswahl stehen: 1. Ein Schnitt wie bei der Abgeltungsteuer, sodass Gewinne aus dem Verkauf vermieteter Immobilien steuerfrei bleiben, falls diese bis zum Inkrafttreten der Neuregelung gekauft wurden. Diese Variante ist allerdings für den Fiskus uninteressant, weil sie zunächst keine zusätzlichen Steuereinnahmen bringt. 2. Aus fiskalischer Sicht reizvoller erscheint dagegen – zusätzlich zur Abschaffung der Zehn-Jahre-Frist - das Abkassieren solcher Immobilieneigentümer, die noch in den zehn Jahren gefangen sind, wenn die Neuregelung in Kraft tritt. Diese Variante ist insofern realistisch, als sie bereits aus Anlass der Verlängerung der früheren Zwei-Jahre-Frist auf zehn Jahre den Segen des Bundesverfassungsgerichts erhalten hat.
Abgeltungssteuer auf 30 Prozent oder mehr erhöhen
So weit die in Berlin aufgeschnappten Gedankenspiele, wobei nicht unerwähnt bleiben sollte, dass sie ergänzungsfähig sind: So könnte die Abgeltungsteuer von 25 Prozent zuzüglich Soli und Kirchensteuer durchaus auf 30 Prozent oder mehr erhöht werden. Das würde den Vorstellungen von Kanzlerkandidat honoraris causa Peer Steinbrück entsprechen, die er mal in einem Spiegel-Interview geäußert hat. Auch ließe sich über die Steuerfreiheit von Gewinnen aus privaten Edelmetallgeschäften reden, die jetzt nach einem Jahr steuerfrei sind. Der in all den hier genannten Fällen zur Debatte stehende Paragraf 23 Einkommensteuergesetz ist jedenfalls noch viel weiter dehnbar, als die bisherigen Dehnungserfolge gezeigt haben.
Dahinter steckt ein perfides System. Um zu diesem Fazit zu kommen, braucht man sich nur die Interessenlage bestimmter Branchen einschließlich deren Lobbyisten vor Augen zu führen. Beispiel Banken: Solange ihre Wertpapierkunden ihnen - nach deren Aktienkäufen mit einem Prozent Kaufprovision - als Daueraktionäre nur noch Depotgebühren bescherten, lohnte sich dieses Geschäft für die Banken nicht. Erst sie die Aktionäre unter sanftem Druck zum Wechsel in Aktienfonds überredeten und durch das Drehen von Fondsbeständen höhere Provisionen generierten, fing das Wertpapiergeschäft der Banken an, sich halbwegs zu rechnen.