Neulich an der deutsch-schweizerischen Grenze in Weil am Rhein: Lässig reichte der Autofahrer den Pass aus dem Wagenfenster. „Haben Sie etwas zu verzollen?“ lautete die routinierte Frage. „Nein“, war die prompte Antwort. Vielleicht war die Antwort etwas zu zackig ausgefallen, denn der Mann mit dem mintgrünen Hemd und dem Bundesadler am Ärmel erwiderte: „Bitte rechts ranfahren.“ Der edle Zeitmesser am Handgelenk des Autofahrers war dem deutschen Zollbeamten aufgefallen.
Der Besitzer der Uhr wurde einer ausführlichen Fragerunde unterzogen. „Die habe ich schon lange. War ein Geschenk meiner Frau. Wann das Geschenk war, habe ich vergessen. Rechnung habe ich nicht mehr.“ Wer mit solchen Aussagen glaubt, den deutschen Zoll zu überwinden, hat sich geschnitten. Der deutsche Fiskus schaut an seinen Außengrenzen inzwischen genauer hin und hat auch beim Thema hochwertige Uhren mehr Expertise als so mancher Reisende glaubt. Wem im Verdachtsfall der Nachweis über den Kauf inklusive korrekter Versteuerung nicht sofort gelingt, dessen Uhr wandert in die Asservatenkammer. Im Extremfall lässt der Zoll durch teure Experten die Herkunft der Uhr klären.
„Rückwaren“ nennen sich im Zoll-Jargon die Gegenstände, die bei der Wiedereinreise nach Deutschland immer häufiger zum Problemfall werden. „Liegt ein strafbares Zollvergehen vor, kann die Verjährungsfrist bis zu zehn Jahre betragen“, sagt Martina von Mesterhazy. Die Koordinatorin Zollberatung der Industrie- und Handelskammer Berlin weist auf die „empfindlichen“ Strafen hin. „Die Geldstrafen übersteigen die vermeintlich eingesparte Steuer um ein Vielfaches.“
Meist ist die vermeintliche Einsparung an Steuern deutlich niedriger – nicht aber die Gefahr des Erwischtwerdens. „Es lohnt nicht wegen ein paar hundert Euro, dieses Risiko auf sich zu nehmen“, sagt Philipp Man. „Die wenigsten wissen, dass der Herkunftsnachweis noch Jahre später verlangt werden kann.“ Man ist Gründer und Vorstandschef von Chronext. Das junge E-Commerce-Unternehmen, liefert seinen Kunden als besondere Dienstleistung einen lückenlosen Herkunftsnachweis für seine angebotenen Luxusuhren gleich mit – bis hin zum Hersteller und unter Rücksichtnahme auf das Datenschutzinteresse der Vorbesitzer. Peinliche Situationen an der Grenze oder am Flughafen kann Man für seine Kunden ausschließen.
Der Zoll und die organisierte Kriminalität
39.000 Personen arbeiten beim Zoll, davon 26.000 bei den 43 Hauptzollämtern und 3.500 beim Zollkriminalamt.
100 Millionen Zollabfertigungen werden jährlich abgewickelt. Der Wert der Einfuhren aus Nicht-EU-Staaten belief sich zuletzt auf 317 Milliarden Euro.
52,7 Milliarden Euro Einfuhrumsatzsteuer und Zölle haben Schäubles Beamte 2013 an den Grenzen kassiert.
376 200 Euro Einfuhrumsatzsteuer spart die Mafia pro Container, wenn sie den Wert von Textilien mit 20 000 Euro statt 2 Millionen Euro angibt.
54.750 Euro pro Lkw spart die Mafia, wenn sie die Kaffeesteuer nicht entrichtet und die Röstbohnen über Broker in den Markt schleust
90 Prozent aller Sendungen aus China, die per DHL-Express am Leipziger Flughafen ankommen, sind unter Wert fakturiert.
Für alle anderen gilt: Wer teure Waren mit auf Reisen nimmt, sollte auch deren Kaufbelege möglichst dabei haben. Die Uhrenhersteller können zumindest nachvollziehen, welche Händler sie beliefert haben, über diesen ließen sich eventuell verlorene Belege auch noch in Kopie ausstellen. Ohne Kaufnachweis könnte der Zoll sonst zu dem Ergebnis kommen, dass ein Schmuggelversuch vorliegt. Und dann wird es richtig teuer.
Das blieb selbst einigen Prominenten nicht erspart: Karl-Heinz-Rummenigge, Präsident des FC Bayern München, ist im Februar 2013 auf der Rückreise aus Katar bei der Zollkontrolle am Flughafen München mit zwei Rolex-Uhren im Gepäck erwischt worden – ein Geschenk seiner Gastgeber im Gesamtwert von 100.000 Euro. Er musste nicht nur Zoll, Einfuhrumsatz- und Schenkungssteuer (schätzungsweise mehr als 26.000 Euro) für die teuren Mitbringsel zahlen, sondern darüber hinaus einen Geldstrafe von 250.000 Euro, die ihm das Landgericht München aufbrummte. Damit ist Rummenigge offiziell vorbestraft.
Besser bei der (Steuer-)Wahrheit bleiben
Das Argument der Reisenden, sie hätten die Verzollung vergessen, lassen die Zollbehörden nicht gelten. Nicht einmal bei Regierungsmitgliedern, wie dem ehemaligen Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel, der 2011 einen Teppich in der afghanischen Hauptstadt Kabul erwarb und ihn sich von Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes in einer Regierungsmaschine und am Zoll vorbei mitbringen ließ. Dennoch ging Niebel straffrei aus und zahlte die Zollgebühr von 200 Euro für den 1400 Euro teuren Teppich freiwillig nach.
Nicht-Regierungsmitglieder haben es noch schwerer: Ex-Nationalspieler Michael Ballack versuchte 2006 eine Handtasche im Wert von 2000 Euro auf der Rückreise aus Dubai am Zoll vorbei zu schmuggeln und flog auf. Dafür kassierte er einen Strafbefehl über 70.000 Euro. Ex-Nationaltorhüter Oliver Kahn schlenderte 2011 mit in Dubai gekaufter Garderobe im Wert von 6700 Euro am Zoll vorbei. Als die Zollbeamten des Titans neue Kleider bei der Kontrolle am Zollfrei-Schalter entdeckten, führte Kahn an, er habe die Verzollung schlicht vergessen. Aber auch hier zog das Argument nicht: Das Amtsgericht Landshut wertete das - wie alle Schmuggel-Vergehen – als versuchte Steuerhinterziehung und verdonnerte ihn zunächst zu 350.000 Euro Strafe. Erst nach Einspruch Kahns milderte das Gericht die Strafe auf 125.000 Euro. Zollgebühren und Steuern kamen noch oben drauf. Es dürften die teuersten Kleidungsstücke gewesen sein, die Kahn je getragen hat.
Der Zoll sammelt etwa die Hälfte aller dem Bund zufließenden Steuern ein. Im Jahr 2014 waren das fast 129 Milliarden Euro. Ein großer Posten sind dabei die Einfuhrumsatzsteuern, also die Mehrwertsteuer auf eingeführte Waren. Im Land des Erwerbs werden die später eingeführten Waren dafür meist von der Mehrwertsteuer befreit. Die erhobenen Zölle machten hingegen nur 4,6 Milliarden Euro aus. Diese Einnahmen fließen in den EU-Haushalt.
Schnäppchen-Käufer, die in Dubai, Hongkong oder sonst außerhalb der Europäischen Union einkaufen und die Waren mit in die Heimat nehmen wollen, sollten „dutyfree“ daher nicht mit „einfuhrsteuerfrei“ verwechseln. Die Einfuhrumsatzsteuer entspricht dabei der deutschen Mehrwertsteuer von 19 Prozent und wird auch innerhalb der EU fällig, weil im Land des Erwerbs die Mehrwertsteuer dafür wegfällt. Für Reisende außerhalb der EU wird bei der Rückkehr nach Deutschland zudem eine Zollgebühr fällig, abhängig von der Produktart, der Herkunft und dem Wert der Ware. Wer diese Waren nicht deklariert, kann auch noch Jahre später für den scheinbar cleveren Kauf zur Rechenschaft gezogen werden.
Das gilt auch für Touristen, die sich in den letzten verbliebenen Steuerparadiesen Europas mit Geschmeide, edlen Textilien oder teuren mechanischen Zeitmessern eindecken. Das romantische Samnaun im schweizerischen Engadin hat sich diesen Status bis heute erhalten können. Lediglich acht Prozent beträgt hier an der Grenze zu Tirol der Mehrwertsteuersatz auf praktisch alle Waren. Das gilt ausdrücklich auch für teure Uhren und so bieten auch Juweliere in dem Hochtal feine Uhren an. Wer also in dem Winterskigebiet den Einkehrschwung zum Shopping nutzt, sollte hinterher an der Grenze schön bei der (Steuer-)Wahrheit bleiben. Martina von Mesterhazy von der IHK Berlin verweist auf einen speziellen Service: „Bei Fragen um die Steuerproblematik berät die IHK ihre Mitglieder – auch wenn sie diese Fragen als Privatpersonen stellen.“
Der Autofahrer in Weil am Rhein konnte die Nachfragen des Zolls übrigens schlüssig beantworten. Er war leitender Angestellter einer Manufaktur aus der sächsischen Uhrenmetropole Glashütte – und trug eine „Dienstuhr“ am Handgelenk.