Rein rechtlich

Hat jeder das Recht auf Abschalten?

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Ständige Erreichbarkeit muss bezahlt werden

Kommt es zu einer tatsächlichen Inanspruchnahme, etwa infolge der Beantwortung von E-Mails oder der Teilnahme an Telefonaten nach Ende der regulären Arbeitszeit, stellen sich arbeitszeitrechtliche Folgefragen.

Zwischen dem Ende der täglichen Arbeitszeit und Beginn der nächsten Arbeitszeit müssen mindestens elf Stunden Ruhezeit liegen. Diese Zeit darf nicht durch Arbeit unterbrochen werden. Insofern kommt es auf die Intensität der Beanspruchung an. Eine kurze E-Mail unterbricht die Ruhezeit eher nicht, die Grenzen sind dabei aber fließend. Verstößt der Arbeitgeber gegen diese Regelungen, indem er die Einhaltung der Höchstarbeitszeiten oder Ruhezeiten schuldhaft nicht überwacht, begeht er eine Ordnungswidrigkeit.

Auch dürfen Arbeitnehmer an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen grundsätzlich nicht beschäftigt werden. Dies gilt entsprechend auch für die Verpflichtung zur ständigen Erreichbarkeit. Aber Vorsicht: Leitende Angestellte sowie Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, die zu selbständigen Entscheidungen in Personalangelegenheiten befugt sind, sind davon ausgenommen. Auf sie findet das Arbeitszeitgesetz keine Anwendung, eben so wenig wie etwa auf Besatzungsmitglieder in der Schiff– oder Luftfahrt; hier gelten - wie auch für bestimmte andere Berufe -Sonderregeln! Kommt es außerhalb der regulären Arbeitszeiten zur tatsächlichen Inanspruchnahme von Arbeitsleistung des Arbeitnehmers, muss sie entsprechend vergütet werden. Die ständige Erreichbarkeit außerhalb regulärer Arbeitszeiten führt daher in der Regel zu Überstunden. Zulässig ist eine arbeitsvertragliche Regelung zur pauschalen Abgeltung solcher Überstunden in engen Grenzen.

Vor allem bei der Vereinbarung von Nachtarbeit sind Arbeitgeber in Deutschland dringend angehalten, sich über einen Ausgleich für Nachtarbeit durch bezahlte freie Tage oder aber durch einen angemessenen Entgeltzuschlag Gedanken zu machen, dies zu dokumentieren und einen solchen Ausgleich auch ausdrücklich zu gewähren. Verstöße können mit einem Bußgeld geahndet werden. Bei vorsätzlichem Handeln drohen dem Arbeitgeber Geldbußen oder gar Freiheitsstrafen.

Redet der Betriebsrat mit?

Überwacht wird die Einhaltung der zu Gunsten des Arbeitnehmers bestehenden Gesetze durch den Betriebsrat. Er kann Informationen vom Arbeitgeber zum Arbeitszeitregime des Betriebs verlangen, etwa bezüglich Mehrarbeit, Beginn und Ende der Arbeitszeiten sowie Ruhepausen und Ruhezeiten. Der Betriebsrat hat in den meisten Fällen ein Mitbestimmungsrecht bezüglich der Verteilung der Arbeitszeit und der Pausenzeiten. Dies betrifft insbesondere auch die Einrichtung von Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft und Arbeitsbereitschaft, sowie die Anordnung von Überstunden. Daran ändert auch die Freiwilligkeit der Mehrarbeit nichts.

Die Typologie der Arbeitnehmer: Wer wie lange arbeitet und wie viel verdient

Für die Vergütung der Mehrarbeit bieten sich Arbeitszeitkonten an. In der Regel wird das Antworten auf E-Mails oder kurze Telefonate nur einen kurzen Zeitraum in Anspruch nehmen. Sie wird dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben und ist gegebenenfalls durch Arbeitsfreistellung auszugleichen. Dies ist in jedem Fall besser als eine pauschale Klassifizierung der außerbetrieblichen Erreichbarkeit als Arbeitszeit. Gleichwohl müssen auch hier die Grenzen der Höchstarbeitszeit und der Ruhepausen eingehalten werden.

Kein Zwang zur Erreichbarkeit

Liegt allerdings keine entsprechende Ankündigung des Arbeitgebers vor, können Arbeitnehmer, sofern sie nicht in leitender Position tätig sind, ihr Smartphone am Wochenende oder im Urlaub getrost abschalten. Eine Pflichtverletzung begehen sie dadurch nicht. Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf einen in der Regel störungsfreien Feierabend oder Urlaub.

Eine Abmahnung oder gar Kündigung wegen eines ausgeschalteten Handys wäre in solchen Fällen unwirksam. Arbeitgeber sollten eindeutige Absprachen mit ihren Angestellten treffen. Sie helfen dabei, unnötigen Ärger zu vermeiden, etwa weil durch eine unbeantwortete Mail ein Auftrag durch die Lappen gegangen ist.

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