Berufsunfähigkeit Wie Versicherungen Berufsunfähigen ihr Geld verweigern

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"Systematisch verzögert"

Was Selbstständige bei der Vorsorge beachten müssen
Eine Auswahl von Versicherungskarten verschiedener Krankenkassen Quelle: dpa
Eine Euromünze steht auf der Versichertenkarte einer privaten Krankenversicherung Quelle: dpa
Tänzer des Badischen Staatstheaters in Karlsruhe (v.l) Bruna Andrade (Hora Frau), Blythe Newman (Momo) und Admill Kuyler (Hora Mann) Quelle: dpa
ein Patient wird von einem Arzt gegen Tetanus geimpft. Quelle: AP
Ein Notarztwagen Quelle: AP
Besucher der Agentur für Arbeit Quelle: dpa
Aeltere Frauen sitzen am 5. November 2008 auf einer Bank am Ufer des Ammersees Quelle: AP

Die Politik ist alarmiert. Das Bundesjustizministerium bat zunächst in einer schriftlichen Umfrage und dann bei einer Anhörung Anfang September in Berlin Verbände und Landesjustizverwaltungen um Stellungnahmen zu der Behauptung, „Versicherer verzögerten systematisch die Regulierung von Schäden“. Verbraucherverbände beklagten daraufhin „eine schleppende Bearbeitung bei den Versicherern“, die Branchenlobby Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sah hingegen „keinerlei Anzeichen für strategische Verzögerung“.

Ein Gericht aus Baden-Württemberg monierte bei der Justizministeriums-Umfrage, dass Versicherer „oft kompromisslos“ kämpften, insbesondere bei höheren Streitwerten, etwa in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Auch in der Anhörung in Berlin war die Rede davon, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung „besondere Probleme“ bereite: „Ohne fachkundige Beratung“ sei es einem Betroffenen oft „nicht möglich, seinen Anspruch in richtiger Weise anzumelden, sodass der Anspruch schon deswegen scheitern“ könne, schreibt das Ministerium. Eine Umfrage unter knapp 1900 Anwälten bestätigt den Eindruck, dass Versicherer kräftig mauern (siehe Grafiken). Bei der Arbeitsgemeinschaft Versicherungsrecht im Deutschen Anwaltverein ist gar von „aggressivem“ Schadenmanagement die Rede.

Was das in der Praxis bedeutet, bekommt Oliver W. zu spüren. Seinen zweiten Antrag bei der Allianz stellt er im Dezember 2012. Ende Januar dann befragt die Versicherung seinen behandelnden Arzt. Der hatte bereits im Dezember attestiert, dass sein Patient „auf nicht absehbare Zeit berufsunfähig“ sei und dieser Zustand durchaus drei Jahre lang anhalten könne. Anfang März macht der Arzt erneut klar: Seinen Patienten plage die Angst vor Menschen, eine Zwangsstörung, zudem schreibt der Mediziner von einer „schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen“. Der Arzt listet verschriebene Medikamente auf, schreibt, dass sein Patient dringend stationäre Therapie benötige. Oliver W. lebe am Existenzminimum, seine finanzielle Reserve sei bald aufgebraucht, der Arzt empfehle dem Versicherer, die Leistung zuzugestehen.

Versicherer mauern bei der Regulierung von Schäden

"Unterlagen reichen nicht"

Vertrauen ist gut – Kontrolle besser: Die Allianz will Unterlagen von der Krankenkasse anfordern. „Die uns zur Verfügung stehenden Unterlagen reichen leider nicht zur Beurteilung unserer Leistungspflicht aus der Berufsunfähigkeitsvorsorge aus. Eine fachärztliche Untersuchung ist erforderlich“, schreibt der Versicherer Ende März an den Anwalt von Oliver W.

In einer Stellungnahme für die WirtschaftsWoche argumentiert die Allianz, dass „auf der Grundlage des Berichts“ die „Beurteilung einer Berufsunfähigkeit noch nicht möglich“ gewesen sei. Das liege an „den im Bericht erfolgten Angaben bezüglich der vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen einerseits und der Behandlungsfrequenz andererseits“. Um die gesundheitliche Situation zu klären, sei eine Begutachtung erforderlich gewesen. Den Gutachter bestimmt der Versicherer, das ist so üblich.

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