Die Wasserpegel in den überschwemmten Gebieten sinken nur langsam. In Süd- und Ostdeutschland ist es in den Überschwemmungsgebieten vielerorts zu früh, um die Folgen des Hochwassers abschätzen zu können. Dennoch gehen viele Beobachter davon aus, dass die Schäden jene der „Jahrhundertflut“ von 2002 übersteigen. Die Ratingagentur Fitch schätzt bereits den volkswirtschaftlichen Schaden auf zwölf Milliarden Euro. Versichert seien allerdings nur Schäden in Höhe von geschätzten 2,5 bis drei Milliarden Euro. Die klaffende Finanzlücke bei den Kosten für die Schadenbeseitigung wollen nun Bund und Länder durch einen Fonds in Höhe von vorerst acht Milliarden Euro schließen – auf Kosten der Steuerzahler. Wie schon 2002 ist daher zwischen Politik, Versicherungsbranche, Verbraucherschützern und Wissenschaftler eine lebhafte Debatte um eine mögliche Pflichtversicherung gegen Naturkatastrophen entbrannt.
Mühsames Aufräumen
Für viele Hausbesitzer beginnt nach der Flut die schwerste Zeit, denn um dauerhafte Schäden oder die endgültige Zerstörung des Wohnraums zu verhindern, müssen Schlamm und Unrat so schnell wie möglich entfernt und die Gebäude wieder trocken gelegt werden. Das kostet viel Zeit, Nerven und Geld. Parallel beginnt die Schadenregulierung mit der Versicherung, sofern der Eigentümer oder Bewohner überhaupt eine Wohngebäude- und Hausratversicherung abgeschlossen hat. Schließlich erfordern geflutete Gebäude nicht selten umfangreiche Bau- und Sanierungsmaßnahmen, um sie wieder bewohnbar zu machen. Einnahmeausfälle wegen unbezahlten Urlaubs der Betroffenen oder bei Ladenbesitzern und Gewerbetreibenden kommen noch hinzu.
Die Versicherungsbranche hat die Deutschlandkarte in Risikozonen in vier unterschiedlichen Stufen aufgeteilt. Risikozone 1 bedeutet etwa, dass Hochwasser nicht einmal alle 200 Jahre auftritt, in Risikozone 4 ist hingegen alle zehn Jahre damit zu rechnen. Doch das Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen (ZÜRS Geo), das praktisch alle Versicherer für die Risikoeinschätzung bei der Wohngebäude- und Elementarschadenversicherung nutzen, könnte vor einer Überarbeitung stehen. Schließlich nehmen Naturkatastrophen der Versicherungswirtschaft zufolge immer mehr zu – und betreffen nicht nur die bekannten Hochwassergebiete, sondern praktisch jeden. Denn nicht nur durch überlaufende Flüsse und gebrochene Deiche können das Hab und Gut unter Wasser setzen, sondern auch durch sintflutartige Regenfälle oder ein Rückstau in der Abwasserkanalisation. „In Deggendorf etwa liegen viele der betroffenen Gebäude in den Risikozonen 1 und 2 und wären somit problemlos versicherbar.“, sagt Kathrin Jarosch vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). „Oft geht es um die Frage, wie ernst die Hausbesitzer das Risiko nehmen. Starkregen etwa, der Ende Mai in Niedersachsen das Hochwasser auslöste, betrifft nach Forschungsergebnissen alle Regionen, und ist auch für Lagen weitab vom Fluss ein Risiko. Hier geht es darum, aufzuklären und zu informieren.“
Damit Hausbesitzern nicht vor den Trümmern ihrer Existenz stehen, wenn Naturgewalten oder andere Katastrophen Haus, Hab und Gut dahinraffen, raten Versicherer und Verbraucherschützer unisono zur Hausratversicherung sowie zur Wohngebäudeversicherung mit sogenanntem Elementarschutz. Damit seien die Menschen zumindest vor den finanziellen Folgen solcher Ereignisse weitgehend geschützt.
Wofür eine Wohngebäudeversicherung?
Der Unterschied zwischen einer Hausrat- und einer Wohngebäudeversicherung ist am besten bildhaft zu erklären: Um zu wissen, welche Versicherung wofür zahlt, muss sich der Versicherungsnehmer nur vorstellen, er könne das bewohnte Haus auf den Kopf stellen. Alles, was dann aus dem Haus rausfällt, ersetzt im Schadenfall die Hausratversicherung. Alles, was fest installiert ist und im Haus bleibt sowie das Gebäude selbst sind ein Fall für die Wohngebäudeversicherung. In den Überschwemmungsgebieten bedeutet das zum Beispiel, dass Mieter, deren Teppiche, Möbel oder Fernseher unter Wasser standen, sich für Ersatz nur an die eigene Hausratversicherung wenden können. Die Wohngebäudeversicherung des Vermieters kommt für den Schaden der Mieter nicht auf.
Die Schäden, die die Versicherer regulieren, liegen bei Gebäudeschäden regelmäßig um ein Vielfaches höher als in der Hausratversicherung. Daher kommt der Wohngebäudeversicherung für Immobilienbesitzer auch die größere Bedeutung zu. Obwohl die Wohngebäudeversicherung von allen Seiten als ein Muss bezeichnet wird, ist sie dennoch keine Pflichtversicherung wie etwa eine Kranken- oder Kfz-Haftpflichtversicherung. Lediglich Häuser, die noch mit einem Hypothekenkredit belastet sind, benötigen eine Wohngebäudeversicherung, weil die Banken diese als Sicherheit verlangen. Bundesweit sind nach Angaben des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft schon rund 90 Prozent der Haushalte mit einer solchen Police ausgestattet. Aber nur ein Drittel ist auch mit der optionalen Elementarschadenversicherung ausgestattet. Zudem ist der gewählte Leistungsumfang ganz unterschiedlich. Wenn nun wegen des zweiten großen Hochwassers innerhalb von zehn Jahren Wirtschaftswissenschaftler, Justizminister und Umweltforscher die Einführung einer Pflichtversicherung fordern, bezieht sich das auch nur auf den Zusatzbaustein der Elementarschadenversicherung.
Zwei Drittel ohne Elementarschutz
Damit sind noch immer zwei Drittel der Gebäudeinhaber den Risiken einer Überflutung durch Hochwasser oder Starkregen, Erdbeben, Erdrutsche, Vulkanausbrüche, Lawinen oder Schneedruck finanziell ausgeliefert. Hilft nicht gerade wieder der Staat, müssen sie ihre Schäden aus eigener Tasche beseitigen. Die können schnell in die Zehntausende Euro gehen, bis hin zum Abriss und kompletten Neubau der Immobilie. Tatsächlich bekommt auch nicht jeder, der dies wünscht, einen Elementarschutz zu seiner Wohngebäudeversicherung. „Dort, wo das Risiko solcher Schäden besonders hoch ist, gibt es keinen Versicherungsschutz. Das ist auch nachvollziehbar, denn welchen Versicherungsbeitrag wollen Sie denn nehmen, wenn man weiß, alle zehn Jahre muss das Haus für 150.000 Euro saniert werden?“, sagt Bianca Boss vom Bund der Versicherten. „Deshalb lässt sich das Problem nur lösen, wenn alle Bundesbürger in einen Topf einzahlen und damit automatisch gegen Elementarschäden versichert sind. So lässt sich auch für alle ein bezahlbarer Versicherungsbeitrag ermitteln.“
Fraglos würde eine Pflichtversicherung die Risiken dieser wenigen Nicht-Versicherbaren auf die breite Solidargemeinschaft verteilen und die Beitragshöhe im Zaum halten. Die Versicherungswirtschaft will davon dennoch nichts wissen. „Wir reden hier von einem Prozent der Fälle, wo der Versicherer rausfährt, sich Grundstück und Haus anschaut und mit dem Versicherungsnehmer darüber redet, was für Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit hier eine Elementarschadenversicherung möglich ist. Das können wasserdichte Fenster und Türen sein, Schutzmauern oder höhere Selbstbehalte“, sagt Kathrin Jarosch vom GDV. “Von diesen Fällen bleibt dennoch ein Teil, die wirtschaftlich nicht sinnvoll versicherbar sind.“
Zudem fürchtet die Versicherungsbranche, dass der Anreiz, möglichen Schadenquellen zu beseitigen oder geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen weder bei der öffentlichen Hand – die zum Beispiel für den Deichbau verantwortlich ist – noch bei den Hauseigentümer nach Einführung einer Pflichtversicherung verloren geht. Schließlich müsste im Schadenfall die Versicherung bezahlen.
Egal, ob Pflichtversicherung oder freiwillig: Fakt ist, dass immer noch viele Gebäude nicht gegen Elementarschäden versichert sind, obwohl dies durchaus möglich sei und der Schutz durchaus an die individuellen Bedürfnisse der Hausbesitzer angepasst werden kann. „Gut 90 Prozent der Gebäude sind für weniger als 100 Euro im Jahr gegen Elementarschäden versicherbar. Bei der Wohngebäudeversicherung ist das Spektrum sehr breit und sehr individuell“, sagt Jarosch.
Den besten Schutz finden
Höchste Zeit also, sich um einen geeigneten Versicherungsschutz zu kümmern. Da die Versicherer nach dem Hochwasser in diesem Jahr ihre Risikoeinstufungen ändern und aufgrund der hohen Schadensummen auch die Versicherungsbeiträge erhöhen könnten, kann es sich sogar lohnen, jetzt zügig einen Vertrag abzuschließen. Die gelten in der Regel für ein Jahr, sind aber auch mit drei Jahren Laufzeit zu bekommen. Nach Ende dieser Zeit verlängern sich die Verträge meist automatisch um ein weiteres Jahr. Dann hat der Versicherer allerdings auch das Recht, den Versicherungsbeitrag zu erhöhen. Will der Versicherungsnehmer die Beitragserhöhung nicht akzeptieren, kann er von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen und sich eine günstigere Versicherung suchen.
Im Schadenfall sowie zum Ende der Vertragsbindung haben sowohl Versicherung als auch Versicherungskunde ohnehin ein Kündigungsrecht. Kündigt allerdings der Versicherer, kann es für den Versicherten schwer werden, einen neuen Anbieter zu finden. Um das Risiko einer Kündigung durch den Versicherer zu minimieren, sollten Hausbesitzer besser darauf verzichten, in kurzer Abfolge viele kleine Schäden zu melden, denn auch kleine Schadensummen verursachen in den Assekuranzen üppige Bearbeitungskosten. Der Bund der Versicherten empfiehlt daher, Wohngebäudeversicherung mit einer Selbstbeteiligung abzuschließen, dem sogenannten Selbstbehalt. Der liegt üblicherweise 250 bis 500 Euro. Übernimmt der Versicherte Schäden bis zu dieser Höhe selbst, muss er auch weniger Beitrag zahlen. Bei einem Einfamilienhaus mit 150 Quadratmetern Wohnfläche kann die Beitragsersparnis durchaus 100 Euro im Jahr betragen.
Was wird versichert?
Die meiste Wohngebäudeversicherungen versichert das Haus oder die Wohnung standardmäßig gegen Schäden durch Feuer, Sturm, Hagel, Blitzeinschlag, Leitungswasser, Explosion oder den Aufprall eines Flugzeuges. Das Gute daran: Wenn die Bleibe komplett durch eines dieser Ereignisse zerstört wird, zahlt die Versicherung einen gleichwertigen, aber modernen Neubau – auch wenn die Kosten dafür in Euro bemessen viel höher liegen, als der Marktwert des alten Hauses. Die Branche spricht dabei von einer gleitenden Neuwertversicherung. Dabei richtet sich die sich die Versicherungssumme an der Entwicklung des Baupreisindex, der die Entwicklung der Neubaukosten abbildet. Somit bietet eine Wohngebäudeversicherung einen immanenten Inflationsschutz. Umgekehrt können die Beiträge auch mit dem Anstieg von Baupreisindex und Versicherungssumme steigen.
Um eine Wohngebäudeversicherung zu beantragen, muss zunächst geklärt werden, wie hoch der Wert des Gebäudes ist. Dazu nutzen die Versicherer umfangreiche Fragebögen. Lange üblich war eine Wertermittlung nach den Versicherungswert von 1914. Basierend auf dem Preisgefüge vor hundert Jahren wird die Anpassung des Gebäudewerts mit dem Baupreisindex fortgeschrieben und Jahr für Jahr angepasst. So steht am Ende der Rechnung immer der Preis für einen gleichwertigen Neubau zu aktuellen Preisen. Aber immer mehr Versicherer gehen hier neue Wege. „Der Versicherungswert nach 1914 wird uns vermutlich nicht mehr lange erhalten bleiben. Es gehen die meisten Wohngebäudeversicherungen dazu über, die Versicherungssumme nach Quadratmetern Wohnfläche zu ermitteln – so wie es auch viele Hausratversicherungen machen“, stellt Bianca Boss vom Bund der Versicherten fest. Am Ende sollte dennoch ein vergleichbarer Wert stehen wie bei der Berechnung nach 1914. Wer ein Haus kauft, sollte keinesfalls einfach die Police der Voreigentümer übernehmen. Zum einen könnte die Versicherungssumme zu niedrig sein, weil zwischenzeitliche wertsteigernde Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen nicht berücksichtigt wurden. Zum anderen bieten aktuelle Versicherungen durchaus günstigere und leistungsstärkere Tarife als zum Beispiel vor 20 Jahren.
Leistungspalette auswählen
Ist der Gebäudewert ermittelt und die Versicherungssumme somit bekannt, geht es um die Auswahl der gewünschten Leistungen. Teilweise bieten Versicherer noch einzelne Policen gegen Feuer- oder Leitungswasserschäden an. Üblich und durchaus sinnvoll sind aber Wohngebäudeversicherung, die verschiedene Risiken im Paket versichern. Die Schadensummen sind in den einzelnen Sparten stark unterschiedlich. Der GDV hat den Schadenaufwand für 2012 vorläufig geschätzt: Von den Schäden in Höhe von insgesamt 4,1 Milliarden Euro entfallen voraussichtlich 930 Millionen Euro auf Feuerschäden, 560 Millionen Euro auf Sturm- und Hagelschäden sowie 60 Millionen Euro auf Elementarschäden wie etwa Hochwasser oder Erdrutsch. Der größte Kostentreiber aber sind Schäden durch Leitungswasser. Sie kosteten die Versicherer 2012 schätzungsweise 2,48 Milliarden Euro. Rohrbrüche und Frostschäden an Wasserleitungen sind somit für die Versicherungen der Kostentreiber schlechthin.
Verbraucherschützer raten allerdings dringend dazu, auch das Kleingedruckte in den Verträgen genau zu lesen. So sollte die Versicherung etwa auf den „Einwand grober Fahrlässigkeit“ verzichten. Wer beispielsweise beim Verlassen des Hauses die Spülmaschine nicht ausschaltet oder eine Kerze brennen lässt, muss sonst mit deutlichen Kürzungen der Schadenersatzsummen durch die Versicherung rechnen – je nach Schwere der Schuld. Außerdem sollten Schäden an Ableitungsrohren auch außerhalb des Gebäudes auf dem eigenen Grundstück versichert sein. Bei einem Blitzeinschlag sollten zudem auch Überspannungsschäden an elektrischen Geräten ersetzt werden. Viele Versicherer beschränken hier den Schutz auf beispielsweise zehn Prozent der Versicherungssumme, andere decken sie immer in voller Höhe ab.
Zusatzbaustein Elementarschäden
Stehen Leistungsumfang und Versicherungssumme der Wohngebäudeversicherung fest, kann der Versicherte einen zusätzlichen Schutz vor Elementarschäden gegen einen Beitragsaufschlag ergänzen. Auch hier sind Paketlösungen verbreitet, Risiken wie durch Schneelast eingedrückte Dächer oder Hochwasser lassen sich in der Regel nicht ausklammern. Nur wenige Versicherungen bieten auch den Schutz vor Überschwemmung, Rückstau oder Starkregen oder vor Erdbeben einzeln an. Die Elementarschaden-Zusatzpolice schützt auch nicht vor Schäden durch Sturmflut oder Grundwasser.
Im Schadenfall
Ist die Katastrophe eingetreten und ein Schaden entstanden, müssen Versicherte unbedingt ihre Pflichten gegenüber der Versicherung wahrnehmen, wenn sie vollen Schadenersatz wollen. Die sofortige Kontaktaufnahme mit der Versicherung ist dringend zu empfehlen. Grundsätzlich hat der Versicherungsnehmer nämlich eine Schadenminderungspflicht. Selbst wer gut versichert ist, darf sich nicht zurücklehnen und warten bis der Bautrupp anrückt. Vielmehr hat er die Pflicht, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Hat ein Sturm das Dach abgedeckt, sollte der Hausbesitzer also sobald wie möglich eine Plane aufs Dach legen, damit der Schaden nicht noch schlimmer wird. Wer diese Pflicht vernachlässigt, riskiert, dass seine Versicherung die Zahlung verweigert oder kürzt.
Ich empfehle, bei Sofortmaßnahmen immer Rücksprache mit der Versicherung halten. „Die Kostenübernahme für eine Sofortmaßnahme sollten sich die Versicherungsnehmer schriftlich bestätigen lassen, ebenso wie eine Absage der Versicherung zu der Maßnahme. Sonst riskiert der Hausbesitzer, auf Kosten sitzen zu bleiben“, rät Verbraucherschützerin Boss. Ist man sich uneins mit dem Sachbearbeiter muss ein Gutachter vorbeikommen und sich die Schäden und Begebenheiten vor Ort angucken.
Dagegen, dass ein Haus oder eine Wohnung unbewohnbar wird, kann freilich keine Versicherung schützen. Aber zumindest die größten finanziellen Risiken kann sie auffangen. Und damit wäre auch in den Hochwassergebieten in Süd- und Ostdeutschland schon viel gewonnen. Denn sonst zahlt die Rechnung am Ende wieder der Steuerzahler.