
Streit um hohe Verluste nach der Kündigung einer Lebens- oder Rentenversicherung gibt es immer wieder. Da Versicherer in den ersten fünf Jahren besonders die Abschlusskosten abziehen, sehen Kunden anfangs kaum einen Euro ihrer eingezahlten Beiträge wieder.
Lebensversicherer sichern sich dieses Recht umfangreich in den Verträgen ab. Bei der Allianz liest sich das dann so: „In der Anfangszeit Ihrer Versicherung ist wegen der Verrechnung von Abschlusskosten nach dem Zillmerverfahren (vgl. § 19) kein beitragsfreies Garantiekapital vorhanden." Oder: „Für Ihren Versicherungsvertrag ist das Verrechnungsverfahren nach § 4 der Deckungsrückstellungsverordnung (Zillmerverfahren) vorgesehen." Auch nicht schlecht: „Ist bei Ihrer Versicherung die Beitragszahlungsdauer kürzer als die Aufschubdauer, werden die vorstehend aufgeführten Prozentsätze jeweils im Verhältnis von Beitragszahlungsdauer zur Aufschubdauer reduziert."
Das verstehen Sie nicht? Warum haben Sie es dann unterschrieben?
Gerichtsurteil zugunsten der Versicherten
Das fragte sich auch die Verbraucherzentrale Hamburg und errang im Kampf gegen die undurchsichtigen Klauseln jetzt einen Etappensieg gegen die Allianz: Die Richter am Landgericht Stuttgart entschieden, dass die seit dem 1. Juli 2001 verwendeten Klauseln zur Kündigung, Beitragsfreistellung und zum Stornoabzug intransparent und damit unwirksam seien (AZ 20 O 87/10). „Verbraucher können die finanziellen Folgen der Klauseln nicht nachvollziehen", sagt die Vorsitzende Richterin Kerstin Gröner der WirtschaftsWoche. Die Allianz darf die Klauseln in Zukunft nicht mehr verwenden und sich bei einer Vertragsabwicklung auch nicht auf sie berufen. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Die Allianz prüft, ob sie gegebenenfalls in Berufung geht.
Kunden, die ihren Allianzvertrag bereits gekündigt haben, rät die Verbraucherzentrale, vorsorglich einen Nachschlag zu fordern. Der Rückkaufwert müsse neu berechnet werden, außerdem sei ein Stornoabzug nicht zulässig. „Wir schätzen, dass die Allianz mindestens 1,3 Milliarden Euro an ihre Ex-Kunden zu erstatten hat", sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg. Ex-Kunden sollten demnach umgehend ihre Ansprüche anmelden.
Es ist nicht die erste Entscheidung gegen Lebensversicherer: Das Hanseatische Oberlandesgericht hatte erst im Juli im Falle der Klauseln von Ergo, Generali, Iduna und Deutscher Ring ähnlich entschieden. Das letzte Wort wird der Bundesgerichtshof haben.