Staatliche Entlastungen „You’ll never walk alone“? Das ist der falsche Weg!

Eigenverantwortliche Energiesparmaßnahme: Stacheldraht am Heizungsregler. Quelle: imago images

Die Heiz- und Energiekosten steigen, bald auch durch die neue Gasumlage. Die Regierung verspricht Entlastung – und droht es dabei zu übertreiben. Nicht jedem muss das Händchen gehalten werden! Ein Kommentar.

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Manchmal gehe ich gerne allein wandern. Das hat für mich nichts Beängstigendes. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aber verkündet mit Blick auf steigende Energiekosten: „You'll never walk alone.“ Anlässlich der am Montag verkündeten Gasumlage, einem zusätzlichen Aufschlag von gut 2,4 Cent je Kilowattstunde, kündigt die Bundesregierung bereits an: „Es wird weitere Entlastungen geben.“

Dabei ist die vom Kabinett im März beschlossene Energiepreispauschale à 300 Euro für alle mit Arbeitseinkünften noch gar nicht ausgezahlt. Sie fließt an die meisten im September, teils sogar erst im kommenden Jahr nach Abgabe der Steuererklärung.

Diese Entlastung – und das ist ein Problem – setzt erneut auf das Prinzip Gießkanne. Die Energiepreispauschale fließt einkommensunabhängig an alle mit Arbeitseinkünften. Nur indirekt gibt es einen sozialen Ausgleich, weil für Besserverdiener wegen eines höheren Steuersatzes weniger von der steuerpflichtig ausgezahlten Pauschale übrig bleibt. Leer ausgehen hingegen werden viele Studierende, aber auch Rentnerinnen und Rentner. Zielgerichtete Unterstützung sieht anders aus.

Das können und sollten wir uns in den aktuell außergewöhnlichen Zeiten nicht mehr leisten. Nicht falsch verstehen: Natürlich brauchen einkommensschwache Bürgerinnen und Bürger einen Ausgleich, wenn sich beispielsweise der Gaspreis gegenüber dem Vorjahr verfünffacht hat. Eine vierköpfige Familie muss nach aktuellem Stand mit einem Anstieg der Heizkosten um insgesamt mehrere Tausend Euro rechnen. Und allgemein steigende Lebenshaltungskosten kommen noch hinzu.

Aber deswegen sollte die Regierung nun nicht jeder und jedem das Händchen halten. Es gibt auch kein Menschenrecht auf tägliches warmes Duschen. Ein Bekannter zum Beispiel hat seine Ölheizung, die auch das Wasser erwärmt, nun vorerst ausgestellt. Eine andere Bekannte hat mit ihrem Partner eine Duschkasse eingerichtet, in die sie jeweils pro Duschen zwei Euro einzahlen, um eine Rücklage für die absehbare Nachzahlung aufzubauen. Es sind nur zwei kleine Beispiele für das, was es jetzt auch braucht: Eigenverantwortung.

Davon sehen wir bisher zu wenig. Bezieher von Arbeitslosengeld II – vulgo: Hartz IV – bekommen die Heizkosten ohnehin erstattet. Wenn Scholz nun Entlastungen vor allem denen verspricht, „die keine Rücklagen haben und die trotzdem eine gute Zeit in der Zukunft brauchen“, zielt er in die richtige Richtung. Aber bisher vor allem verbal. Er muss den Worten dringend Taten folgen lassen.

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