Geldpolitik EZB-Direktorin Schnabel sieht Wirtschaft am Wendepunkt – Hilfen aber weiter nötig

Die Wirtschaft sei immer noch auf EZB-Hilfen angewiesen, betont Schnabel. Ob das höhere PEPP-Kauftempo beibehalten werden solle, ließ die EZB-Direktorin offen.

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Isabel Schnabel warnt vor verfrühter Rücknahme der Konjunkturhilfen. Quelle: Reuters

Die Aussichten für die Wirtschaft im Euro-Raum haben sich aus Sicht von EZB-Direktorin Isabel Schnabel merklich verbessert. „Wir haben die begründete Zuversicht, dass wir einen Wendepunkt erreicht haben“, sagte die deutsche Ökonomin der Nachrichtenagentur Reuters in einem am Freitag veröffentlichten Interview.

„Die kurzfristigen Aussichten haben sich aufgehellt“, sagte Schnabel. Impfkampagnen kämen inzwischen schneller voran, Infektionszahlen gingen zurück und die Eindämmungsmaßnahmen würden allmählich gelockert. Stimmungsindikatoren, auch bei den Dienstleistern, seien recht stark ausgefallen. Daher gebe es einen Nachfrageschub, was Grundlage sei für eine kräftige Erholung.

Den jüngsten Anstieg der Staatsanleihe-Renditen wertet Schnabel eher als Ausdruck verbesserter Konjunkturaussichten denn als Grund zur Sorge. Anziehende Renditen seien eine natürliche Entwicklung an einem Wendepunkt, erläuterte sie. „Investoren werden optimistischer, die Inflationserwartungen nehmen zu und im Ergebnis steigen die Nominalrenditen. Das ist genau das, was wir erwarten würden und was wir sehen wollen.“ Aus dieser Perspektive betrachtet seien die Finanzierungsbedingungen im Euro-Raum weiterhin günstig.

Gleichzeitig wies Schnabel aber darauf hin, dass sich noch immer ein großer Teil der Wirtschaft im Ausnahmezustand befindet. „Wir sind immer noch mitten in der Pandemie“, sagte sie. Die Zeit sei daher noch nicht reif für eine Beendigung der Konjunkturhilfen. Die Erholung hänge immer noch von anhaltender Unterstützung ab. „Eine verfrühte Rücknahme entweder der fiskalischen oder der geldpolitischen Unterstützung wäre ein großer Fehler“, warnte die Notenbank-Direktorin.

Die nächste Zinssitzung der EZB findet am 10. Juni statt. Dem EZB-Rat werden dann neue Konjunktur- und Inflationsprognosen der hauseigenen Volkswirte vorliegen. Ein Thema wird das weitere Tempo der großangelegten Notfall-Anleihenkäufe des PEPP-Programms sein – eine der wichtigsten geldpolitischen Waffen der EZB gegen die wirtschaftlichen Folgen der Virus-Krise.

Einige Währungshüter wie Griechenlands Notenbankchef Yannis Stournaras oder EZB-Direktor Fabio Panetta hatten zuletzt trotz der Impffortschritte dafür plädiert, die Geldschleusen der Notenbank noch immer weit offen zu halten.

Ob das im März beschlossene höhere PEPP-Kauftempo beibehalten werden solle, ließ Schnabel offen. „Man kann keine feste Antwort zu diesem Zeitpunkt geben, ohne die Daten gesehen zu haben“, sagte sie. Die EZB hatte die Geschwindigkeit der Käufe im Vergleich zu den Auftaktmonaten des Jahres deutlich gesteigert, um einer unerwünschten Verschärfung der Finanzierungsbedingungen entgegen zu treten. Aktuell erwerben die Währungshüter im Rahmen von PEPP Anleihen im monatlichen Volumen von rund 80 Milliarden Euro.

Auf der Juni-Sitzung werde sich die EZB die Treiber für die Finanzierungsbedingungen anschauen, sowie zusätzliche Aspekte wie die Saisonalität sowie die Inflationsaussichten, sagte Schnabel. „Diese zusammengenommene Bewertung wird dann bestimmen, was mit unseren Anleihenkäufen passiert.“

Das gesamte PEPP-Programm ist auf 1,85 Billionen Euro angelegt. Rund eine Billion Euro des Kaufrahmens wurde bereits genutzt. Die Käufe sollen noch bis mindestens Ende März 2022 fortgesetzt werden.

Debatte über Pepp-Kaufrahmen nicht nötig

Eine Diskussion über den PEPP-Kaufrahmen ist aus Sicht der EZB-Direktorin derzeit nicht erforderlich. „Der verbleibende Rahmen ist ziemlich groß“, sagte sie. Dieser schränke gegenwärtig die Entscheidungen der Notenbank nicht ein. Es sei verfrüht über Dinge zu sprechen, die erst weit in der Zukunft relevant würden.

Nach Einschätzung von Schnabel wird die EZB nach dem Ende von PEPP wahrscheinlich noch nicht ihr mittelfristiges Inflationsziel von knapp zwei Prozent erreicht haben. In diesem Fall werde die Geldpolitik auch in der Zeit nach dem PEPP-Programm voraussichtlich stark konjunkturstützend bleiben, sagte sie. Dies schließe nicht nur das ältere Anleihenkaufprogramm APP ein, sondern auch Instrumente wie die supergünstigen Langfrist-Geldspritzen für Banken – in der Fachwelt „TLTRO“ genannt – sowie die Negativzinsen und den geldpolitischen Ausblick.

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