Konjunktur Die Gründe für das türkische Superwachstum

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Günstige Kredite für Unternehmen

Der zweite Grund liegt in den Stimuli begründet, welche die türkische Regierung in Ankara für die Wirtschaft gesetzt hat. Zum Beispiel den Kreditgarantiefonds. Der 61 Milliarden Euro schwere Fonds hilft Unternehmern dabei, sich mit günstigen Krediten einzudecken. Die Folge: Das Kreditvolumen im Land wuchs um mehr als ein Drittel, die Investitionen in der Türkei stiegen rasant an. Außerdem vereinfachte die Regierung die Steuerregeln für Unternehmen und Privatpersonen und sorgte damit für Steuererleichterungen.

Sowohl der private Konsum als auch Investitionen und Exporte legten diesmal zu, bestätigte so auch das türkische Statistikamt. Dienstleister, Baubranche und Industrie wiesen demnach ein besonders kräftiges Wachstum aus. Nach den Wirtschaftsprogrammen der Regierung stehe die türkische Wirtschaft „wieder mit beiden Beinen auf dem Boden“, erklärte Hatice Karahan, Chefberaterin des türkischen Präsidenten Erdogan, am Montag in London.

Außerdem erschließt die Türkei gerade fleißig neue Märkte und investiert dazu kräftig in die heimische Industrie. Ein Beispiel ist der Rüstungssektor: Ankara investiert Milliarden in die Entwicklung und den Aufbau einer heimischen Verteidigungsindustrie. Mit Erfolg: Der Rüstungsumsatz stieg im Jahr 2016 um ein Fünftel im Vergleich zum Vorjahr auf sechs Milliarden US-Dollar. Türkische Drohnen, Panzer und Waffensystem sind in der Region gefragt. Unter den 100 größten Waffenschmieden weltweit befinden sich mittlerweile auch drei türkische Konzerne: Aselsan, Tai und Roketsan. Sie exportieren nach Nordafrika, in die Ukraine oder mittelasiatische Länder wie Pakistan und Kasachstan. Die Waffendeals helfen der Türkei ganz nebenbei auch bei den bilateralen Beziehungen mit diesen eurasischen Staaten.

Schlussendlich sorgt die schwache Türkische Lira dafür, dass türkische Exportprodukte im Ausland billiger werden. Türkische Großkonzerne profitieren davon besonders. Das Familienkonglomerat Koc beispielsweise wird in diesem Jahr vermutlich ein Rekordergebnis einfahren, verriet ein Manager des Unternehmens dem Handelsblatt.

Dass das Wachstum manipuliert sein könnte, lässt sich so zumindest nicht nachweisen. Auch wenn klar ist, dass die Regierung einiges dafür unternommen hat, dass die strauchelnde türkische Wirtschaft auf die Beine kommt. Aber das machen andere Länder auch: China etwa investierte jahrelang in die heimische Infrastruktur und sorgte für günstige Bedingungen am Kreditmarkt. Auch ein schwacher Renminbi kam der Führung in Peking bei ihrem Ziel zupass, die Wirtschaft anzukurbeln.

Im Fall der Türkei ist das ähnlich. Und trotzdem heißt das nicht, dass die türkische Wachstumsstory im selben Tempo fortschreiten wird. Experten sehen ein Ablaufdatum: „Das extrem hohe Tempo wird nicht anhalten“, erwartet der Ökonom William Jackson vom Analysehaus Capital Economics, wie er der Nachrichtenagentur Reuters erklärte.

Denn die Türkei ist nicht nur aufgrund ihrer Lage im einem der schlimmsten Krisenherde weltweit immer wieder neuen externen Schocks ausgesetzt. Auch intern gibt es einige Hürden zu bewältigen. Denn die türkische Währung ist nicht nur extrem schwach, sondern die Preissteigerungen im Land auch extrem hoch. Zuletzt lag die Inflationsrate bei knapp 12,9 Prozent, so hoch wie seit 2003 nicht mehr und damit ein Rekordwert, seit die Partei AKP die Regierung in dem Land übernommen hat.

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