Konjunktur Weidmann hält Erreichen der Wachstumsprognose 2021 für weniger wahrscheinlich

Der Bundesbankpräsident ist unsicher, ob die Vorhersage von drei Prozent Wirtschaftswachstum noch erreicht werden kann. Dem mittelfristigen Ausblick würde nichts im Wege stehen.

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„Im Wesentlichen setzt die erwartete Erholung also lediglich später ein“, sagte der Bundesbank-Präsident. Quelle: Reuters

Die Bundesbank setzt aufgrund des wiedererstarkten Infektionsgeschehens und der schärferen Eindämmungsmaßnahmen ein Fragezeichen hinter ihre Konjunkturprognose für 2021. Die Wahrscheinlichkeit habe abgenommen, dass die im Dezember für das laufende Jahr getroffene Vorhersage von drei Prozent Wirtschaftswachstum noch erreicht werde, teilte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann der Nachrichtenagentur Reuters auf Anfrage mit.

„Dann fiele aber das Wachstum im nächsten Jahr höher aus.“ Der mittelfristige Wirtschaftsausblick stehe aus heutiger Sicht nicht grundsätzlich in Frage. „Es kommt letztlich darauf an, dass die Gesundheitskrise durch medizinische Mittel überwunden wird.“

In ihrer Dezember-Prognose war die deutsche Notenbank davon ausgegangen, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in diesem Jahr kalenderbereinigt um 3,0 Prozent und 2022 um 4,5 Prozent zulegen wird. Für 2023 hatte sie damals ein Wachstum der deutschen Wirtschaft von 1,8 Prozent prognostiziert.

Weidmann weist vor allem auf zwei Entwicklungen seit Abschluss der Prognose hin. „Einerseits ist die Pandemie hartnäckiger als in der Prognose unterstellt“, führte er aus. Dementsprechend seien die Eindämmungsschritte in den vergangenen Monaten strikter ausgefallen als angenommen. „Und das dürfte auch in der nächsten Zeit so bleiben.“

Andererseits habe vor allem die Industrie positiv überrascht. Sie werde sich wohl weiter besser als erwartet schlagen. Alles in allem dürfte die deutsche Wirtschaft nach seiner Einschätzung somit relativ widerstandsfähig sein. „Im Wesentlichen setzt die erwartete Erholung also lediglich später ein“, sagte Weidmann.

Weidmann will weitere Instrumente erwägen

Einer Aufstockung der Finanzkraft des Internationalen Währungsfonds (IWF) steht die Bundesbank grundsätzlich offen gegenüber. IWF-Chefin Kristalina Georgiewa hatte jüngst eine Erhöhung um 650 Milliarden Dollar vorgeschlagen und zwar über sogenannte Sonderziehungsrechte (SZR), der eigenen künstlichen Währung des Fonds.

„In der aktuellen Krise ist es sicherlich richtig, über eine Zuteilung von Sonderziehungsrechten nachzudenken“, teilte Weidmann mit. „SZR würden vom IWF anteilig an alle Mitgliedsländer verteilt.“

Das Thema dürfte auf der virtuellen Frühjahrstagung von IWF und Weltbank in dieser Woche diskutiert werden. Die USA als wichtigster Träger des IWF hatten eine solche Aufstockung in der jüngsten Vergangenheit stets blockiert. Unter der neuen Regierung von US-Präsident Joe Biden hat sich das aber geändert. Die Bundesregierung hatte bereits deutlich gemacht, einen solchen Schritt mittragen zu wollen. Laut IWF-Chefin Georgiewa könnten damit in der Coronakrise besonders arme Entwicklungsländer unterstützt werden, etwa beim Kauf von Impfstoffen.

Weidmann zufolge sollten jedoch auch andere Instrumente erwogen werden. „Wenn es um die akuten Probleme einzelner Länder geht, sollten aber auch andere, besser geeignete Optionen betrachtet werden“, sagte er. Dazu zählen aus seiner Sicht Finanzhilfen von internationalen Entwicklungsbanken und offiziellen Gebern oder mögliche Stundungen und Restrukturierungen von Schulden im Rahmen von G20-Initiativen.

Normalerweise erhielten Länder Finanzhilfen vom IWF nur, wenn sie sich zu Reformen verpflichteten, um etwa die Ursachen ihrer Finanzierungsengpässe zu beseitigen, sagte Weidmann. „Die Nutzung von Sonderziehungsrechten ist hingegen nicht an solche Bedingungen geknüpft“, führte er aus. „Ihre Zuteilung darf nicht andere, zielgerichtete Instrumente verdrängen und notwendige Reformen verzögern.“

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