Clinton, Merkel, May Frauen – die besseren Staatschefs?

Noch nie waren in drei der stärksten Länder der Welt Frauen gleichzeitig die Staatschefinnen. Mit Hillary Clinton könnte sich das ändern – ihre Chancen waren nie besser. Doch sind Frauen wirklich die besseren Politiker?

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Regieren Frauen anders als Männer? Quelle: AFP

San Francisco Die Umfragewerte stehen derzeit sehr gut für Hillary Clinton. Laut einer am Mittwoch veröffentlichten Studie der Nachrichtenagentur Reuters und des Meinungsforschungsinstituts Ipsos würde die Demokratin nach jetzigem Stand der Umfragen mit einer 95-prozentigen Wahrscheinlichkeit die Wahl zum US-Präsidenten am 8. November gewinnen, wenn nicht noch etwas dazwischen kommt.

Falls Clinton gewählt wird, wäre sie die erste US-Präsidentin. Auch in Großbritannien regiert mit Premierministerin Theresa May seit kurzem eine Frau – und mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Deutschland bekanntermaßen schon lange.

Weltweit sind unter den Staats- oder Regierungschefs rund 20 Frauen, darunter Polens Premierministerin Beata Szydlo und Norwegens Premierministern Erna Solberg. Damit ist der Anteil von Frauen noch immer verschwindend gering.

Doch macht es überhaupt einen Unterschied, wenn Frauen an der Spitze einer Regierung stehen? Einen großen, wenn man die Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre betrachtet.

Studien haben gezeigt, dass weibliche Politiker sich stärker für Frauen-, Familien- und Kinderrechten einsetzten, sagt Michele L. Swers, Politik-Professorin an der Georgetown University in Washington D.C und Verfasserin viel beachteter Bücher zu dem Thema. „Während ihrer gesamten Karriere hat Clinton für diese Themen gekämpft“, sagt Swers. Zwar werde sie es aufgrund der zu erwartenden Zusammensetzung im Kongress schwer haben, diese Themen dann auch durchzusetzen. Dennoch: „Es ist wahrscheinlich, dass wir mehr davon sehen werden“, prognostiziert Swers.

Als Clinton Anfang des Jahres in einem Interview mit der „Time” gefragt wurde, ob sie als Frau anders regieren würde als ein Mann, bejahte sie das. „Ich denke, dass meine Erfahrungen – das, was mir wichtig ist und das, was ich durchgemacht habe – mich vielleicht aufmerksamer und empfänglicher machen für viele Schwierigkeiten, mit denen Familien zu kämpfen haben.“ Als Beispiele nannte sie die Finanzierung von Kinderbetreuung und hohe Lebenshaltungskosten. Clinton hat gemeinsam mit ihrem Mann Bill eine Tochter.

Warum sich Frauen in der Regel stärker für die Rechte ihrer eigenen Geschlechtsgenossinnen, von Kindern und für Familienbelange einsetzten, könne man zwar nicht an einem bestimmten Grund festmachen, sagt Alice Eagly, Psychologieprofessorin an der Northwestern University im US-Bundesstaat Illinois. Allerdings seien Frauen öfter als Männer in der Rolle, sich um andere zu kümmern – sei es im Beruf oder in der Familie. „Und das prägt die eigene Perspektive“, erklärt Eagly.


Weiblichen Führungskräften ist Konsens wichtiger als Männern

Die Forschung habe auch gezeigt, dass weibliche Führungskräfte eher im Konsens agierten als Männer. Ein Grund: Wenn sie sich zu stark von dem Bild, das die Gesellschaft von ihnen hat, abkehrten, wirkten sie unsympathisch. Mit einer kooperativeren Art versuchten sie das zu vermeiden.

Heißt das auch, dass die Welt eine friedlichere wäre, wenn mehr Frauen an die Macht kämen? Das kommt auf die Umstände an, meinen Experten. „Es gibt Belege dafür, dass ein Land seltener militärische Gewalt anwendet und mehr Geld für soziale Sicherung und Wohltätigkeit ausgibt, wenn Frauen in Regierungspositionen sind”, sagt Conor Seyle, Chef des Thinktanks OEF Research, der zur US-Nichtregierungsorganisation One Earth Future Foundation gehört. Die im Jahr 2007 gegründete Organisation betreibt Friedensforschung und wertet Studien zu dem Thema aus.

Ob Frauen als Regierungschef die Welt friedlicher machen, hänge jedoch von einem weiteren Faktor ab, sagt Friedensforscher Seyle. Wenn Frauen ein Land regierten, das Parlament jedoch von Männern dominiert werde, sei die „Wahrscheinlichkeit größer, dass sie militärische Gewalt anwenden –weil sie wohl gegen die Stereotypen ankämpfen müssen, dass sie schwach sind.” Margaret Thatcher sei so ein Beispiel. Die britische Premierministerin kürzte die staatlichen Bildungs- und Gesundheitsausgaben und führte Krieg gegen Argentinien.

Unter den 535 US-Kongressabgeordnetensind rund 20 Prozent Frauen. „Clinton wird in einem männlich dominierten System regieren”, sagt Friedensforscher Seyle. Zudem habe sie sich in der Vergangenheit im Vergleich zu US-Präsident Barack Obama ohnehin offener gegenüber Militäreinsätzen gezeigt.

Ein Wahlsieg Clintons hätte einen sich selbst verstärkenden Effekt zur Folge, sagen Experten. Sobald eine Frau einen wichtigen Regierungsposten übernehme, werde auch das Parlament weiblicher, wie etwa eine aktuelle Studie von OEF Research zeigt. Allerdings gibt es auch hier wieder Ausnahmen. So sagen Historiker etwa Thatcher oder Indiens ehemaliger Premierministerin Indira Gandhi nach, dass sie keine Maßnahmen zur Förderung ihrer Geschlechtsgenossinnen ergriffen hätten.

Bei Clinton werde das aber anders sein, prognostizieren Experten. Die Demokratin kündigte bereits an, gezielt Frauen fördern zu wollen. Zudem, so Psychologieprofessorin Eagly, werde ein positives Ergebnis auch einen Einfluss auf künftige Wahlen haben. Eine Präsidentin Clinton werde viele Frauen inspirieren, sich auch eine führende Position zuzutrauen. „Es ist sehr ermutigend, wenn eine Frau es in eine so hohe Position schafft“, sagt Forscherin Eagly.

Ist es auch ein Vorteil, wenn Frauen in männliche Zirkel vordringen? Sind gemischte Teams automatisch besser als homogene, die etwa nur aus Männern bestehen? Nein, sagt Eagly. „Das sind Mythen.“ Entscheidungen seien nicht automatisch besser, wenn sie in heterogenen Gruppen getroffen würden. „Manche Studien sagen das zwar, andere zeigen aber das Gegenteil.“

Clinton kann in jedem Fall auf weibliche Wähler bauen – denn diese tendieren traditionell eher zu Demokraten. Auch die Reuters/Ipsos-Simulationen zeigen, dass Donald Trump besonders bei Frauen, gemäßigten Republikanern und Minderheiten deutlich an Zuspruch gewinnen müsste, um die Wahl noch zu gewinnen.

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