Coronavirus Was die neue Lungenkrankheit für Chinas Wirtschaft bedeutet

Der Eingang der geschlossenen Hankou Railway Station in Wuhan wird streng bewacht. Quelle: REUTERS

Mit der Blockade der Metropole Wuhan hat der Ausbruch des neuen Coronavirus extreme Folgen für die Wirtschaft in der Region. Auch deutschen Firmen drohen Folgen, sollte sich die Lage verschärfen. Zulieferer Schaeffler zieht erste Konsequenzen.

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Was gerade in Wuhan passiert, ist in etwa so, als würden London oder New York am Tag vor Weihnachten plötzlich alle Verbindungen zur Außenwelt kappen. Wegen der neuen Lungenkrankheit hat Chinas Regierung eine Stadt mit elf Millionen Einwohnern praktisch unter Quarantäne gestellt. Am Vorabend des chinesischen Neujahrsfestes – dem in China wichtigsten Feiertag des Jahres – dürfen die Menschen ihre Stadt nicht mehr verlassen. Flughafen und Bahnhöfe sind seit Donnerstagmorgen um 10 Uhr (Ortszeit) dicht. Auch U-Bahnen und Busse fahren nicht mehr.

„Vor zwei Tagen habe ich mir noch keine Sorgen gemacht. Aber jetzt stecken wir fest“, erzählt Zhang Lin, eine 39-jährige Professorin aus Wuhan. Zhang hatte über die Feiertage ihre Eltern aus einer anderen Provinz zu sich eingeladen. Jetzt können auch sie nicht mehr weg: „Ich habe Angst, weil sie älter und vielleicht anfälliger für das Virus sind“, sagt Zhang.

Die Regierung hat noch andere strenge Maßnahmen verhängt. Wer in Wuhan ohne Schutzmaske auf die Straße geht, soll bestraft werden, verkünden Staatsmedien.

Die drastische Blockade der Millionenmetropole, die die Behörden Mitten in der Nacht zum Donnerstag angekündigt haben, zeigt, welche Ausmaße das neue Coronavirus in China mittlerweile angenommen hat. Nach Wuhan folgten Blockaden in mindestens zehn weiteren Städten in der Provinz Hubei. Insgesamt treffen sie 37 Millionen Menschen. So ist in Huanggang, Lichuan, Jingzhou, Xianning, Huangshi, Chibi, Xiantao, Dangyang, Ezhou und Xiaogan der öffentliche Verkehr ausgesetzt worden, wie die Städte mitteilten. Auch wurde angekündigt, dass das neue Schuljahr in Hubei für Grund- und Mittelschüler später beginnen soll.

Die Regierung in Peking will die Krankheit so schnell es geht eindämmen. Doch noch steigt die Zahl der nachgewiesenen Infektionen stündlich. Fast 900 Erkrankte und 26 Tote waren bis Freitagmorgen offiziell bestätigt. Längst gibt es nicht mehr nur Fälle in Wuhan und Umgebung, wo die Krankheit im Dezember ihren Ursprung wohl auf einem Fischmarkt hatte, auf dem auch Wildtiere verkauft wurden. Fast ganz China ist betroffen. Erste Fälle gibt es auch im Ausland.

Je nachdem, wie sich die Ausbreitung weiter entwickelt, muss sich die chinesische Wirtschaft auf Einbußen einstellen, was auch für deutsche Firmen Folgen hätte.

„Die potenziellen wirtschaftlichen und finanziellen Kosten könnten beträchtlich sein, wie es auch bei Sars im Jahr 2003 der Fall war“, sagt Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in Peking. Zunächst sei zwar nicht mit großen Rückgängen zu rechnen, da China die Krise in den Wochen um das Neujahrsfest trifft. In der Urlaubssaison sind die meisten Unternehmen ohnehin geschlossen.

Beamte benutzen Infrarot-Thermometer, um die Temperatur von Passagieren zu überprüfen, die aus Wuhan am Bahnhof Hangzhou in Ostchina ankommen. Quelle: dpa

Nimmt der Ausbruch aber ähnliche Ausmaße wie vor 17 Jahren die Lungenkrankheit Sars an, wird Chinas Konjunktur das zu spüren kriegen. Über Wochen kam das Land in der Krise, die am Ende 800 Todesopfer forderte, praktisch zum Stillstand. Die Auswirkungen waren auch in ganz Asien und darüber hinaus zu spüren. Die Aktienmärkte, ob in China, Singapur, Hongkong oder Taiwan, verloren an Boden – besonders betroffen: Hongkong. Obwohl sich dort damals nur weniger als ein Promille der Bevölkerung mit dem Virus infiziert habe, sei der Konsum „regelrecht eingebrochen“, zitiert das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung einen Strategen der Bank Goldman Sachs. Tourismusmanager und Fluggesellschaften mussten seinerzeit mit einem dicken Minus leben. Reisende blieben völlig weg, viele Hotels in Asien standen leer. Experten schätzten 2004, dass sich die weltweiten Kosten der Pandemie womöglich auf mehr als 40 Milliarden US-Dollar beliefen.

Nach Einschätzung von JPMorgan könnte das neue Coronavirus in China nun „deutliche Abwärtsrisiken“ für die weitere konjunkturelle Entwicklung zu Folge haben, wenn es sich ausbreitet. Das ergab eine Studie von Ökonomen der US-Investmentbank, die am Donnerstag veröffentlicht wurde. Noch sei es zwar zu früh, um mögliche Auswirkungen auf die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt zu erkennen. Allerdings erkennen die JPMorgan-Experten im bisherigen Verlauf der Krankheit Parallelen zur Sars-Pandemie.

Sollte sich die neue Krankheit ähnlich gravierend entwickeln wie die Sars-Pandemie 2003, dann könnte dies „in den kommenden ein bis zwei Quartalen“ verschiedene Bereiche der chinesischen Wirtschaft belasten, heißt es in der Studie. Die JPMorgan-Experten nannten an erster Stelle den Tourismus. Darüber hinaus dürfte dann auch die Transportbranche betroffen sein.

Die Stadt nimmt eine wichtige Rolle für Chinas Wirtschaft ein. Die Metropole rühmt sich als größtes Logistik- und Frachtverteilungszentrum im Landesinneren Chinas. Obwohl fast 1000 Kilometer vom Meer entfernt ist Wuhan auch für Hochseeschiffe erreichbar. Jetzt kommt der Knotenpunkt vorerst zum Stillstand.

Bislang gibt es wenig spürbare Auswirkungen für deutsche Unternehmen. Doch verbot etwa der Autozulieferer Schaeffler seinen 89.000 Mitarbeitern am Donnerstag Dienstreisen von und nach China. Ein Schaeffler-Sprecher sagte, das Dienstreiseverbot gelte bis 15. Februar. Schaeffler betreibt in China acht Werke und in Wuhan einen Logistikstandort. In der Metropole sind auch Siemens, die bayerischen Autozulieferer Webasto und Brose sowie Thyssenkrupp vertreten. Das geht aus der Mitgliederliste der deutschen Handelskammern in China hervor.

In Wuhan selbst, so berichtet Kammerpräsident Wuttke, geben es außer ein paar Studenten kaum deutsche Staatsbürger. Stärker vertreten seien hier Franzosen. Die französische Fluggesellschaft Air France hat aus Sorge vor einer weiteren Ausbreitung des neuen Coronavirus am Donnerstagabend deutscher Zeit vorerst alle Direktverbindungen von und nach Wuhan gestrichen.

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