Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff stemmt sich mit aller Macht gegen ihre drohende Absetzung. Einen Rücktritt nach dem jüngsten Unterhausvotum für ein Amtsenthebungsverfahren schloss sie kategorisch aus. Stattdessen zeigte sie sich empört über den Schritt der Abgeordneten und kündigte erbitterten Widerstand an. „Ich werde mich nicht einschüchtern lassen, ich werde mich dadurch nicht lähmen lassen“, erklärte die Staatschefin. „Ich habe die Energie, die Stärke und den Mut, um dieser Ungerechtigkeit entgegenzutreten.“
Am Sonntag hatte Rousseff in ihrem politischen Überlebenskampf eine schwere Niederlage einstecken müssen: Das Abgeordnetenhaus stimmte mit Zwei-Drittel-Mehrheit für ein Amtsenthebungsverfahren gegen die Präsidentin. Der Senat soll entscheiden, ob sie zunächst für 180 Tage suspendiert wird. Befürwortet die Kammer einen solchen Schritt, würde Vizepräsident Michel Temer vorläufig die Amtsgeschäfte übernehmen und ein offizielles Verfahren gegen Rousseff eingeleitet, das jedoch Monate dauern könnte. Mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit könnte der Senat sie in einer zweiten Abstimmung endgültig absetzen. Weist der Senat ein Verfahren ab, bleibt Rousseff Präsidentin.
Die konservative Opposition wirft ihr vor, mit Buchhaltungstricks Staatsdefizite versteckt zu haben, um unter anderem mehr öffentliche Unterstützung für ihre Regierung zu bekommen. Rousseff weist jegliches Fehlverhalten zurück und spricht von einem Staatsstreich der alten politischen Elite.
Einmal superreich, heute pleite: Diese Milliardäre stehen in Brasilien für Aufstieg und Fall
Vom Schulabbrecher wurde er zum Jetset-Star. Jetzt steht er unter Druck wegen angeblicher Finanzmanipulationen. 30 Milliarden Dollar setzt er mit Fleisch um, jetzt stolpert er über 20 Millionen.
Die Nähe zur Regierung brachte lukrative Geschäfte mit dem Staat auf Kosten der Allgemeinheit. In besseren Zeiten setzte Marcelo Odebrecht 34 Milliarden Dollar mit Bau, Chemie und Öl um.
Erst machte er legendäre Milliardengeschäfte mit der Schweizer UBS, heute sitzt er Hausarrest im Luxusapartment ab. 3 Milliarden Dollar zahlte ihm die UBS für seine Bankaktien.
Das X in dem Konzernnamen (auch bei OSX und LLX) sollte für die Multiplikation von Reichtum stehen. 30 Milliarden Dollar Vermögen schrumpften auf wenige Millionen.
Auf dieser Einschätzung beharrte sie auch am Montag bei ihrem ersten Auftritt nach dem Unterhausvotum im Präsidentenpalast. Dutzende Male fielen in ihrer Pressekonferenz die Worte „empörend“, „ungerecht“ und „betrogen.“ Das Vorgehen gegen sie sei zudem ein Akt der „Gewalt gegen die Demokratie“, erklärte sie. „Mehr als alles andere fühle ich mich heute betrogen - betrogen, weil dieser Prozess jeglicher rechtlicher Grundlage entbehrt.“ Sich ungerecht behandelt zu fühlen gehöre zu den schlimmsten Gefühlen überhaupt, fügte Rousseff hinzu.
Hart ging die Präsidentin mit ihrem Erzfeind Eduardo Cunha ins Gericht, dem Parlamentspräsidenten, der nach Vizepräsident Michel Temer nächster möglicher Anwärter auf ihre Nachfolge wäre. Cunha wird beschuldigt, im Skandal und den staatlichen Ölkonzern Petrobras Millionen an Schmiergeldern angenommen zu haben. Auch gegen Temer gibt es Korruptionsvorwürfe in der Petrobras-Affäre. Zudem hat er die selben Steuertricks gebilligt, wegen denen Rousseff nun des Amtes enthoben werden soll.
„Es gibt keine Anschuldigungen der Bestechung gegen mich, keine Anschuldigungen, wonach ich illegale Zahlungen angenommen hätte“, sagte Rousseff. „Ich wurde nicht beschuldigt, ausländische Bankkonten zu haben“, fügte sie mit Verweis auf Cunha hinzu. Es sei ungerecht, dass gerade jene, die die Vorwürfe gegen sie befeuerten, selbst mit Anschuldigungen konfrontiert seien. „Daher fühle ich mich betrogen.“
Das Votum im Abgeordnetenhaus war von Gegnern Rousseffs bejubelt worden, denn sie machen die Präsidentin für die Rezession, hohe Steuern und Missstände im öffentlichen Dienst verantwortlich. Viele Brasilianer äußerten sich aber auch besorgt, wie es nun mit der noch jungen Demokratie des Landes weitergehen wird.
Es ist das zweite Mal seit dem Ende der Militärdiktatur in Brasilien, dass das Abgeordnetenhaus einem Amtsenthebungsverfahren gegen einen Staatschef zugestimmt hatte. Der erste direkt gewählte Präsident der Neuen Republik, Fernando Collor de Mello, trat 1992 zurück, noch bevor das Verfahren im Senat gegen ihn abgeschlossen war.