Ende des Bürgerkrieges? Kolumbien am Scheideweg

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Kolumbien setzt auf erneuerbare Energien


Unter anderem sollen 8.000 Kilometer Autobahn entstehen, der Magdalena-Fluss soll schiffbar gemacht werden. Er verbindet das Innere des Landes mit der Atlantikküste. Schon jetzt hat sich die Reederei Hamburg Süd im neu errichteten Hafenterminal in Barranquilla niedergelassen, will zukünftig Container über den Magdalena-Fluss transportieren.
Noch werden aber 99 Prozent der Güter über die Straße transportiert. Doch das ist extrem teuer. "Einen 20-Fuß-Container von Hamburg nach Cartagena zu befördern, ist mit 900 Euro günstiger als der Weitertransport des Containers von Cartagena nach Bogotá, welcher mit 1.600 Euro zu Buche schlägt", erklärt Bibiana Camargo von der Kolumbienniederlassung des deutschen Logistikunternehmens Schryver.
Zur Hilfe kommt den deutschen Unternehmern auch das Freihandelsabkommen zwischen Kolumbien und der EU, das seit August 2013 in Kraft getreten ist. Europäische Unternehmen erhalten durch die aufgehobenen Zolltarife einen leichteren Zugang zum kolumbianischen Markt. „In Kolumbien treffen Unternehmer auf ein sehr gutes Geschäftsklima. So sind Firmengründungen oder die Kreditvergabe hier relativ einfach“, sagt Forster. Nach den Einschätzungen der Weltbank liegt Kolumbien bei der Kreditvergabe weltweit auf Rang zwei.

Energiewende in Kolumbien

Eine Branche, die stark davon profitieren könnte, ist die der erneuerbaren Energien. Bereits heute bedienen sie knapp ein Viertel des Primärenergiebedarfs. In erster Linie wird sie aus Wasserkraft gewonnen. Der kolumbianischen Regierung reicht das jedoch nicht aus. Schließlich soll sich der Energiebedarf des Landes in den nächsten 20 Jahren verdoppeln. Damit auch der Anteil der erneuerbaren Energien wächst, verabschiedete die Regierung im Mai dieses Jahres ein Gesetz zur Förderung ebendieser. Profitieren sollen Unternehmen vor allem von Steuervergünstigungen.
Gerade in entlegenen Gebieten, die nicht an das Stromnetz angeschlossen sind, könnte sich diese Art der Energieerzeugung etablieren. Dort lohnt sich ein Anschluss häufig nicht, nur knapp vier Prozent der Kolumbianer wohnen in diesen Regionen. Ihren Strom erzeugen sie hier noch zu 90 Prozent mit Dieselgeneratoren.


Auf diesen Markt drängen nun auch deutsche Mittelständler, wie etwa der Photovoltaik-Hersteller Sunset Solar aus dem fränkischen Adelsdorf bei Nürnberg. Bereits vor zwei Jahren hat das Unternehmen erste Modellanlagen aufgebaut, unter anderem in Bogota. „Reizvoll ist Kolumbien für uns nicht zuletzt wegen seiner relativ hohen Strompreise im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen Ländern. Zudem ist die Sicherheitslage hier mittlerweile relativ stabil, im Gegensatz etwa zu Venezuela“, erklärt Dominik Hammer, Leiter des internationalen Vertriebs bei Sunset Solar. In Kolumbien scheint die Sonne bis zu 2.000 Stunden im Jahr – Deutschland lag im Rekordjahr 2012 bei knapp 1.700.


Sogar das Erdölunternehmen Ecopetrol will in die erneuerbaren Energien einsteigen. In erster Linie aber als Selbstversorger. Künftig will das umsatzstärkste kolumbianische Unternehmen vier Prozent seines Energiebedarfs aus grünen Quellen decken.
Im Unterschied zu den erneuerbaren sind die fossilen Brennstoffe fest in der Wirtschaft des Landes verankert. Allein Erdöl steht für über die Hälfte aller Exporte. Knapp eine Million Barrel Öl werden in Kolumbien jeden Tag gefördert. Das ist zwar weniger als die Hälfte Ihres Nachbarlandes Venezuela, die knapp 2,6 Millionen Barrel am Tag fördern.
Dennoch macht sich die zentrale Rolle der Ölindustrie in Kolumbien bemerkbar. Als Folge der gesunkenen Ölpreise ist der kolumbianische Peso seit Jahresbeginn etwa um zehn Prozent gefallen. „In den letzten Jahren hat die starke Abhängigkeit zu einer leichten Deindustrialisierung geführt. Kolumbien sollte sich nun drauf konzentrieren, seine Stärken wieder mehr zu diversifizieren“, erklärt Forster von DB Research.

Kein offizieller Waffenstillstand mit der Farc

Gleichzeitig muss das Land weitere Probleme beseitigen. Eines der drängendsten ist die soziale Ungleichheit. Trotz der reduzierten Armut ist Kolumbien noch immer eines der Länder mit den größten Einkommensunterschieden der Welt. Im Jahr 2012 waren die Unterschiede in Lateinamerika nur in Bolivien noch größer. „Die Bürokratie ist häufig auch noch durch Korruption gelähmt“, sagt Steinberg von der Außenhandelskammer in Kolumbien. Hinzu kommt eine intransparente Steuerpolitik. So führte die Regierung erst in diesem Jahr eine zusätzliche Steuer auf Unternehmensgewinne ein. „Davon sind vor allem die großen Unternehmen betroffen, die nun noch stärker besteuert werden“, sagt Schuh von der GTAI. Im Gegenzug werden viele kleine Unternehmen kaum bis gar nicht besteuert. Einige sind nicht erfasst.

Und schließlich ist da noch die Sicherheitslage. Ein offizieller Waffenstillstand mit der Farc, der wichtigste Punkt der Verhandlungen, wurde noch nicht erreicht. Selbst wenn dies gelingt, könnten sich kleinere Gruppen abspalten und möglicherweise den Rebellen der Nationale Befreiungsarmee anschließen. Erst im letzten Jahr hatte es einen Anschlag auf die größte Öl-Pipeline des Landes gegeben. Obwohl es keine Bekenner gab, machte die Armee linksradikale Guerillas dafür verantwortlich.

Dennoch bleiben die Kolumbianer optimistisch, die Friedensverhandlungen dieses Mal zu Ende zu führen. Für Investitionen in eine Ära nach 50 Jahren Bürgerkrieg war Präsident Juan Manuel Santos vor kurzem sogar mit Klingelbeutel in Europa unterwegs. Bei den Landesoberhäuptern warb er für einen Friedensfonds, mit dessen Geldern zum Beispiel die Farc-Kämpfer in die Gesellschaft integriert werden sollen. Erste Spender gab es schon. Die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau gewährte Kolumbien einen Kredit über 100 Millionen US-Dollar.

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